Ihre Gruppe am Institut für Experimentalphysik hat gerade eine neue Forschungsarbeit in der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht, in der sie die faszinierenden Quantenphänomene der Verschränkung und Interferenz miteinander verbinden. Was war das Ziel der Arbeit?
Tommaso Faleo: Ziel der Forschung war es, die Beziehung zwischen Verschränkung und Interferenz in Systemen mit mehr als zwei Teilchen zu untersuchen und besser zu verstehen. Die Interferenzdynamik in solchen Mehrteilchensystemen ist besonders komplex, und das Vorhandensein von Verschränkung führt eine zusätzliche Komplexitätsebene ein. Wir wollten untersuchen, wie Interferenzmuster entstehen, wenn sich einige der Teilchen in einem verschränkten Zustand befinden, und welche spezifischen Eigenschaften sie haben.
Können Sie kurz erklären, was Verschränkung und Interferenz bedeuten?
Tommaso Faleo: Verschränkung ist ein reines Quantenphänomen, bei dem die Eigenschaften von zwei oder mehr Teilchen so miteinander verknüpft sind, dass sie nicht mehr als unabhängige Einheiten beschrieben werden können, egal wie weit sie voneinander entfernt sind. Dieser grundlegende Aspekt der Quantenmechanik hat die frühen Quantenphysiker vor ein Rätsel gestellt und liegt heute mehreren Anwendungen von Quantentechnologien zugrunde.
In der klassischen Physik können Wellen zu Interferenzmustern führen, wenn sich ihre Amplituden konstruktiv (sich gegenseitig verstärkend) oder destruktiv (sich gegenseitig aufhebend) addieren. Dies entspricht der Interferenz in der Quantenmechanik, wo sich die Wahrscheinlichkeitsamplituden verschiedener Ergebnisse kombinieren können, um die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse zu erhöhen oder zu verringern. Die Zwei-Teilchen-Interferenz fügt dieser Quanteninterferenz eine weitere Ebene hinzu und ergibt sich aus der Ununterscheidbarkeit identischer Teilchen. Dieser Effekt wurde erstmals 1987 von Hong, Ou und Mandel nachgewiesen und ist heute der Schlüssel zu vielen optischen Quantentechnologien. Die Multiphotonen-Interferenz ist die Ausweitung dieses Effekts auf mehr als zwei Teilchen.
Sie haben Interferenzmuster von mehr als zwei Photonen untersucht. Was haben Sie dabei beobachtet?
Tommaso Faleo: Bei der Analyse von Systemen mit mehr als zwei Teilchen werden die Interferenzmuster wesentlich komplexer als beim grundlegenden Hong-Ou-Mandel-Experiment. Wir haben beobachtet, dass diese Muster nicht nur von den Quantenzuständen der einzelnen Teilchen beeinflusst werden, sondern auch von der Verschränkung, die einige von ihnen miteinander teilen. In unserem Interferenzszenario überbrückt die Verschränkung der Teilchen die räumliche Lücke zwischen getrennten Interferometern, wodurch ein Interferenzmuster entsteht, das vom Gesamtquantenzustand aller beteiligten Teilchen abhängt und nicht zugänglich ist, wenn ein oder mehrere Teilchen von der Dynamik ausgeschlossen werden. Diese Ergebnisse bieten neue Einblicke in das Verhalten von Mehrteilchen-Quantensystemen und in die Art und Weise, wie ihre Zustände Interferenzmuster beeinflussen.
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für die weitere Forschung?
Tommaso Faleo: Die Ergebnisse zeigen eine neue Art von kollektivem Interferenzeffekt, der Verschränkung mit der hochkomplexen Dynamik von Vielteilchensystemen kombiniert. Dies trägt zu unserem Verständnis der Funktionsweise der Quantenmechanik in Vielteilchensystemen bei und kann sowohl zu neuen theoretischen Erkenntnissen als auch zu Entwicklungen in der Quantentechnologie führen.
Publikation: Entanglement-induced collective many-body interference. Tommaso Faleo, Eric Brunner, Jonathan W. Webb, Alexander Pickston, Joseph Ho, Gregor Weihs, Andreas Buchleitner, Christoph Dittel, Gabriel Dufour, Alessandro Fedrizzi, and Robert Keil. Science Advances 2024 DOI: 10.1126/sciadv.adp9030