Das Verständnis darüber, wie Wolken gebildet werden und welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen, ist von entscheidender Bedeutung für Klimamodelle. Denn Wolken sind ein wesentlicher Faktor für das Klima, da sie Sonnenstrahlung reflektieren und dadurch einen kühlenden Effekt haben.
Kondensationskeime aus Gasmolekülen
Damit Wasserdampf in der Atmosphäre zu Tröpfchen kondensieren kann, sind Kondensationskeime erforderlich. Diese können aus natürlichen Prozessen stammen, etwa winzige Sandkörner, oder von menschlichen Aktivitäten, etwa Rußpartikel. Sie können aber auch aus Gasmolekülen neu gebildet werden. Dabei entstehen zunächst winzige Partikel, die sich so lange zusammenpacken, bis sie groß genug sind, um als Kondensationskeim zu dienen.
Bisher ging man davon aus, dass neue Partikel in der oberen Atmosphäre „vorwiegend aus Gasen entstehen, die aus bodennahen Schichten in Wolkentürmen in große Höhen getrieben werden und dort ausströmen“, erklärte Ko-Autor Armin Wisthaler vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck gegenüber der APA. Bei diesem Prozess werden die meisten Partikel durch Regen entfernt, und in der partikelfreien Luft können gasförmige Moleküle gut wieder neue Partikel bilden.
Im Rahmen der NASA-Projekte North Atlantic Aerosols and Marine Ecosystems Study (NAAMES) und Atmospheric Tomography (ATom) wurden über mehrere Jahre kontinuierlich Daten über Partikel, Wolken und Gase in der Atmosphäre gesammelt. Das Forscherteam um Jian Wang von der Washington University in St. Louis (USA) hat bei diesen Atmosphärenmessungen vom Flugzeug aus einen neuen Mechanismus entdeckt, durch den ein großer Teil der Partikel rund um den Globus gebildet wird.
Hinweis durch fehlende Luftverschmutzung
„Das Innsbrucker Messgerät an Bord des Forschungsflugzeugs misst Luftverschmutzung in geringsten Konzentrationen. Kurioserweise hat die Tatsache, dass wir damit nichts gemessen haben, uns erst auf die Idee gebracht, dass die Luft aus der Stratosphäre stammt, und damit die ganze Studie erst ins Laufen gebracht“, sagte Wisthaler.
Die Forscher beobachteten, dass es unter anderem durch Windscherungen im Bereich des Jetstreams immer wieder zu Lufteinbrüchen aus der Stratosphäre in die darunter liegende Troposphäre kommt. Dabei vermischt sich ozonreiche stratosphärische Luft mit der feuchteren Luft der Troposphäre und es bilden sich viele Hydroxylradikale (OH).
Trifft diese erhöhte OH-Konzentration auf hohe Anteile von Schwefeldioxid (SO2), wie es sie vor allem in der Nähe der Tropopause, der Grenze zwischen Tropo- und Stratosphäre, gibt, führt dies zu erhöhten Schwefelsäurekonzentrationen. Und diese Schwefelsäure spielt eine wichtige Rolle bei der Partikelneubildung.
Phänomen ist rund um den Globus verbreitet
In der Arbeit, an der auch Agnieszka Kupc von der Fakultät für Physik der Universität Wien beteiligt war, zeigten die Forscher, dass dieses Phänomen rund um den Globus verbreitet ist und wahrscheinlich häufiger auftritt als die Partikelbildung in den Wolkenausströmungen. Derzeit geht man davon aus, dass die stratosphärischen Lufteinbrüche in die Troposphäre aufgrund des Klimawandels zunehmen. Einfach gedacht könnte man davon ausgehen, dass dadurch mehr Wolken entstehen, die eine kühlende Wirkung haben.
„Anderseits bedeuten mehr stratosphärische Lufteinbrüche aber auch mehr Ozon in der oberen Troposphäre, wo dieses Gas als effektives Treibhausgas wirkt“, betonte Wisthaler. Deshalb brauche es weitere detaillierte Messungen und Simulationen, um besser zu verstehen, welchen Einfluss dieser Prozess auf das Klima hat.
Publikation: Jiaoshi Zhang et al., Stratospheric air intrusions promote global-scale new particle formation. Science 385, 210-216 (2024). DOI: 10.1126/science.adn2961