Vizerektor Bernhard Fügenschuh begrüßte die Anwesenden im Namen des Rektorats der Universität Innsbruck und bekannte in persönlichen Worten seine Affinität für die Lyrik Rilkes (1875-1926). Christoph König, Professor für deutsche Literatur an der Universität Osnabrück und Alumnus der Universität Innsbruck, stellte den ersten Band einer groß angelegten Rilke-Werkausgabe im Wallstein-Verlag vor.
Der Zyklus der „Duineser Elegien“ und der zugehörigen Gedichte und Entwürfe bilden einen Werkkomplex, der zwischen 1912 und 1922 entsteht. Die Vorzugsausgabe erscheint im Juni 1923. Die Elegien sind Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe gewidmet, der Titel spielt auf das Schloss Duino bei Triest an, das sich bis heute im Besitz der Familie Thurn und Taxis befindet. Die Gedichte gehören zum Hauptwerk Rilkes, deren komplexe Entstehungsgeschichte in einer Zeit dramatischer Umbrüche in dieser neuen Edition nun nachvollzogen werden kann.
Der Herausgeber gab Einblick in die Nachlassituation, die sich seit dem Erwerb des Rilke-Archivs Gernsbach Anfang Dezember 2022 durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach neu darstellt. Dieser große Bestand war über 100 Jahre in Familienbesitz geblieben und für die Forschung nur beschränkt zugänglich. Christoph König beschrieb in seinen Ausführungen die Arbeitsweise Rilkes und erläuterte dessen Schreibprozess. Darüber hinaus würdigte König die Leistungen früherer Editionen mit dem Begriff der „Zweiten Herausgeberschaft“. Die Verbindung von philologischen Erkenntnissen, vor allem der Arbeiten von Ernst Zinn, und den Originalmanuskripten zeichnet diese mustergültige Edition aus.
Nach dem Einführungsvortrag las Dörte Lyssewski (Burgtheater Wien) aus den Elegien, jeweils eingeleitet und kommentiert vom Herausgeber. Die preisgekrönte Schauspielerin verstand es, durch ihren eindrücklichen Vortrag die Bilder und Rhythmen zum Sprechen zu bringen. Das Publikum dankte mit höchster Konzentration und Begeisterung.
Die Veranstaltung nahm auch Bezug auf die Bestände des Forschungsinstituts Brenner-Archiv. Zu den wertvollsten Materialien zählen auch Briefe und Gedichte Rainer Maria Rilkes. Im Sommer 1914 hatte Ludwig Wittgenstein, Philosoph aus vermögendem Hause, an Ludwig von Ficker geschrieben und 100.000 Kronen (heute rund 500.000 Euro) zur Unterstützung unbemittelter österreichischer Künstler zur Verfügung gestellt. Neben Georg Trakl und Carl Dallago war Rilke als einer der Hauptempfänger vorgesehen. Dadurch entstand der Kontakt mit dem „Brenner“-Herausgeber.
(Ulrike Tanzer)
Rainer Maria Rilke: Duineser Elegien und zugehörige Gedichte 1912-1922. Hrsg. v. Christoph König. Göttingen: Wallstein Verlag 2023, 494 S.