Leuchtende Farben und Muster auf den Flügeln sind ein charakteristisches Kennzeichen der tropischen Heliconius-Schmetterlinge. Dieses auffällige Äußere schreckt nicht nur Fressfeinde ab – die Schmetterlinge sind giftig und schmecken für Vögel bitter – es ist auch ein wichtiges Signal für die Partnerwahl. Ein Team um den Evolutionsbiologen Richard Merrill von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat sich in Kooperation mit Markus Möst, Gruppenleiter am Forschungsinstitut für Limnologie, Mondsee, der Universität Innsbruck und Forschenden der Universidad del Rosario in Bogota und dem Smithsonian Tropical Institute in Panama nun die außergewöhnliche Vielfalt der Warnmuster verschiedener Heliconius-Arten zunutze gemacht, um die genetischen Grundlagen solcher Präferenzen zu untersuchen. „In dieser Studie ist es zum ersten Mal gelungen, ein Gen zu identifizieren, das die visuelle Partnerwahl bei Tieren bestimmt und damit für die Bildung und Abgrenzung von Arten eine wichtige Rolle spielt“, erklärt Markus Möst, Co-Autor der im Fachmagazin Science publizierten Arbeit.
Für ihre Studie untersuchten die Forschenden in Verhaltensexperimenten die Paarungspräferenzen von drei Arten in Kolumbien: Heliconius melpomene und Heliconius timareta, die beide ein leuchtend rotes Band auf dem Vorderflügel tragen, sowie Heliconius cydno, die ein weißes oder gelbes Vorderflügelband aufweist. Dabei zeigte sich, dass Männchen aller Arten jeweils Partner bevorzugen, die aussehen wie sie selbst, wobei es bei den roten Arten keine Unterschiede in ihren Präferenzen gab.
Genaustausch durch Kreuzung
Alle in der Studie untersuchten Heliconius-Arten können sich grundsätzlich kreuzen und fruchtbare Nachkommen hervorbringen, wobei sich nur das Verbreitungsgebiet von H. melpomene mit dem der anderen beiden Arten überschneidet. Mithilfe verschiedener genetischer Untersuchungen wiesen die Forschenden nach, dass die Präferenz für rote Weibchen sowohl bei H. melpomene als auch bei H. timareta mit einer genomischen Region verbunden ist, die diesen beiden rot-gebänderten Arten infolge von Hybridisierung gemeinsam ist. „Uns ist es gelungen, in genau dieser Region das Gen regucalcin1 als das ausschlaggebende Gen zu identifizieren, das die visuellen Präferenzen beider Arten steuert“, sagt Matteo Rossi, der gemeinsam mit Alexander Hausmann als Doktorand in Merrills Labor an den Schmetterlingen forschte. „Wird regucalcin1 ausgeschaltet, beeinträchtigt das das Balzverhalten gegenüber Artgenossen, was eine direkte Verbindung zwischen diesem Gen und dem Balzverhalten beweist“, erklärt Rossi.
Durch ihre Analysen zeigten die Wissenschaftler, dass irgendwann in der evolutionären Vergangenheit regucalcin1 durch Kreuzung von H. melpomene an H. timareta weitergegeben wurde – es hat also Artgrenzen überwunden. „Wir wussten schon länger, dass das Gen für das rote Farbmuster durch Hybridisierung von einer Art auf die andere übertragen wurde, und vermuteten, dass dies auch für die entsprechende Paarungspräferenz gelten könnte. Dass wir dies nun endlich zeigen und das spezifische Gen identifizieren konnten, ist wirklich großartig“, sagt Carolina Pardo-Diaz, Dekanin für Biologie an der Universidad del Rosario und eine der Co-Autorinnen der Studie. Durch regucalcin1 wurde dann die Anziehungskraft von roten Weibchen und damit der Fortpflanzungserfolg von H. timareta erhöht.
„Wir sehen überall in der Natur Unterschiede in den visuellen Präferenzen, wenn Tiere Partner wählen. Insgesamt konnten wir mit unseren Ergebnissen zum ersten Mal eine direkte Verbindung zwischen einer bestimmten visuellen Präferenz und einem spezifischen Gen zeigen und nachweisen, dass Hybridisierung bei der Evolution dieser Verhaltensweisen eine Rolle spielt“, betont Richard Merrill von der LMU München.
Publikation: Adaptive introgression of a visual preference gene. Matteo Rossi, Alexander E. Hausmann, Pepe Alcami, Markus Moest, Daniel Shane Wright, Chi-Yun Kuo, Daniela Lozano, Arif Maulana, Lina Melo-Flórez, Geraldine Rueda-Munoz, Saoirse McMahon, Mauricio Linares, W. Owen McMillan, Carolina Pardo-Diaz, Camilo Salazar & Richard M. Merrill: Science 2024 DOI: 10.1126/science.adj9201