Illustration von HP Viren, die auf eine Reihe aus Zellen herabsinken

Illustration von HP-Viren, die Epithelzellen im Gebärmutterhals befallen.

Test zur Frü­her­ken­nung von Gebär­mut­ter­hals­krebs

Innsbrucker Wissenschaftler:innen um Martin Widschwendter haben gemeinsam mit dem Karolinska Institut einen neuen Test zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs entwickelt. Wie aktuell in Nature Medicine publiziert, übertrifft der DNA-basierte Test bisher etablierte Methoden. Zusammen mit einem im Herbst 2023 veröffentlichten und bereits erhältlichen Test können jetzt nahezu alle Karzinome der gesamten Gebärmutter mittels DNA-Testung früh erkannt werden.

Gebärmutterhalskrebs, fachsprachlich auch bekannt als Zervixkarzinom, entsteht in der Regel in den obersten Schichten der Schleimhaut des Gebärmuttermundes. Die Ausbildung derartiger Krebsformen verläuft meist stufenweise und steht eng in Verbindung mit durch Geschlechtsverkehr übertragbaren Infektionen Humaner Papillomaviren (HPV). Weltweit werden jährlich 660.000 Frauen mit einem invasiven Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert und 350.000 – zum Großteil junge Frauen – sterben an dieser Erkrankung. Beim aktuellen Verfahren zum Screening auf Gebärmutterhalskrebs – der gut bekannte, jährliche PAP Abstrich – wird die Zellform unter dem Mikroskop beurteilt. Ergebnisse sind dementsprechend stark Betrachter:innen-abhängig. Der neu entwickelte WID-qCIN-Test basiert, sowie auch HPV-Tests, auf objektiven Analysen der DNA, also Betrachter:innen-unabhängig und damit weniger fehleranfällig. Die Resultate zum WID-qCIN-Test wurden mit Hilfe von 28.000 Frauen gewonnen, die im Großraum Stockholm zwischen Jänner und März 2017 am Gebärmutterhals-Screening teilgenommen hatten.

Das neue Testverfahren erkennt – im Vergleich zum herkömmlichen PAP-Abstrich – gleich viele Frauen, die eine schwere Krebsvorstufe oder bereits einen Krebs haben. Allerdings werden mit dem neuen Test 69% aller Frauen erkannt, die erst in 1 bis 6 Jahren nach der Probenentnahme einen Gebärmutterhalskrebs oder eine Vorstufe entwickeln. Die PAP-Zytologie konnte das hingegen nur in 18% dieser Fälle. Gemeinsam mit dem WID-qEC und dem WID-qCIN-Test stehen nun zwei DNA-basierte Testverfahren zur Verfügung, die mittels automatisierbaren Verfahren nahezu alle Karzinome bzw. Vorstufen der Gebärmutter – die des Gebärmutterkörpers und des Gebärmutterhalses – früh erkennen können.

Aktuelle Ergebnisse mittels neuem Testverfahren

Die neueste Daten zu den DNA-basierten WID-qCIN-Test konnten nun im Fachjournal Nature Medicine präsentiert werden. „Der WID-qCIN-Test analysiert ausgewählte DNA-Regionen in einem Gebärmutterhalsabstrich und folgt dabei einem hochdurchsatzfähigen, automatisierbaren und objektiven Probenauswertungssystem“, erklärt Martin Widschwendter, Leiter des European Translational Oncology Prevention and Screening Institute (EUTOPS) und Professor an der Universität Innsbruck.

Im Rahmen der Studie konnten Daten von rund 28.000 Frauen aus dem Großraum Stockholm, die zwischen Jänner und März 2017 zum schwedischen Gebärmutterhalsscreening eingeladen waren, ausgewertet werden. Detektion der beiden am stärksten krebserregenden HPV-Subtypen, HPV16 und HPV18, konnten laut Studie lediglich 58.9% der Frauen mit schweren Krebsvorstufen, sogenannte CIN3, erkennen. Der Nachweis von HPV16/18 in Kombination mit einem positiven WID-qCIN Testergebnis detektierte hingegen 93.4% aller CIN3 und 100% aller invasiven Karzinome, die innerhalb von 12 Monaten nach Probenentnahme diagnostiziert wurden. Des Weiteren zeigte sich, dass 210 Patientinnen, die 2017 einen vollkommen unauffälligen Befund (PAP-Zytologie oder Gebärmutterhalsspiegelung) aufwiesen, 13 bis 72 Monate nach der Probenentnahme mit Gebärmutterhalskrebs oder entsprechenden Krebsvorstufen diagnostiziert worden waren. Interessanterweise konnten dabei zytologische Verfahren nur 18% dieser Erkrankungen korrekt vorhersagen, wohingegen die Kombination aus HPV16/18 und WID-qCIN Testungen 69% aller Fälle vorab erkennen konnte. „Unser Testverfahren dürfte gemeinsam mit der HPV-Impfung wohl weit über 90% der Patientinnen und Angehörigen das Leid, welches diese Erkrankung mit sich bringt, zukünftig ersparen“, so Widschwendter abschließend.

Status quo der Krankheitsdetektion

Entwickelt in den 1960er Jahren, zählen zytologische Methoden zur Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses, sowie dessen Vorstufen, zu den Paradebeispielen medizinischer Erfolgsgeschichten. Trotz deutlicher Verbesserung der Sterblichkeitsrate, gehen derartige Verfahren jedoch mit beachtlichen Einschränkungen einher. Speziell die subjektive Beurteilung zytologischer Abstriche des Gebärmutterhalses unter dem Mikroskop durch geschultes Personal wird wiederholt als Ursache für Ungenauigkeiten bei der Krankheitsdetektion beschrieben. Neueste Studien zeigen, dass die Aussagekraft und Sicherheit zytologischer Befunde in den letzten Jahren jedoch deutlich abgenommen haben.

Die Verleihung des Medizin-Nobelpreises im Jahr 2008, wobei Humane Papillomaviren (HPV) als Hauptverursacher des Gebärmutterhalskrebses beschrieben wurden, führte vielerorts zur erfolgreichen Anpassung der Früherkennungsstrategien an primäre HPV-Testung und somit zur Verbesserung der Detektionsraten. Da jedoch nur ein Bruchteil aller HPV-positiven Patientinnen tatsächlich an Zervixkarzinom erkranken, werden Rufe nach präziseren Triagierungssystemen von Seiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lauter. Vielversprechende Abhilfe dürften nun neueste Erkenntnisse des österreichisch-schwedischen Forschungsteams rund um Martin Widschwendter und Joakim Dillner vom Karolinska Institut in Stockholm verschaffen.  

Testverfahren für Gebärmutterkrebs bereits zugänglich

Bereits im Herbst 2023 konnte das Forschungsteam um Martin Widschwendter in der Fachzeitschrift The Lancet Oncology einen weiteren Test zur Früherkennung von Gebärmutterkörperkrebs (Endometriumkarzinom) vorstellen. Der WID-qEC Test ist bereits für Patientinnen, die wegen abnormen Blutungen bei Gynäkolog:innen vorstellig werden, seit März 2024 in Österreich und zukünftig auch in der Schweiz verfügbar. Jüngste Ergebnisse, welche im International Journal of Cancer publiziert wurden, zeigen zudem auch, dass die Aussagekraft dieses Tests nicht von der Art der Abnahme beeinflusst wird.

Mittels dieser beiden Testverfahren (WID-qCIN und WID-qEC) hofft das Team, zukünftig einen Großteil aller bösartigen Tumore mit Ursprung in der Gebärmutter früh genug zu erkennen, sodass aggressive Therapien weitestgehend vermieden und Patientinnen ohne wesentliche Einschränkung der Lebensqualität diese Erkrankungen überleben können.

Publikation: Cervical cancer screening using DNA methylation triage in a real-world population. Schreiberhuber, L., Barrett, J.E., Wang, J. et al. Nat Med (2024). DOI: 10.1038/s41591-024-03014-6

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