Wenngleich der Mittelpunkt der publizistischen Tätigkeit von Karl Kraus untrennbar mit Wien verbunden ist, wo er 37 Jahre lang mit seiner kulturkritischen Zeitschrift „Die Fackel“ das Zeitgeschehen satirisch kommentierte, so gab es schon vor mehr als 100 Jahren lebhafte Verbindungen nach Tirol. Der Grund: Ludwig von Ficker, der Begründer und Herausgeber der Kunst- und Kulturzeitschrift „Der Brenner“. Ficker gestaltete den „Brenner“ nach dem Vorbild der „Fackel“, und es verbanden ihn seit 1911 persönliche Beziehungen mit dem „Fackel“-Herausgeber. Ein von Ludwig von Ficker aus dem Krieg an Karl Kraus geschriebener Brief fand sogar Eingang in Kraus‘ Weltkriegstragödie „Die letzten Tage der Menschheit“.
Bunter Veranstaltungsreigen
Im Jubiläumsjahr widmet das Forschungsinstitut Brenner-Archiv drei Lectures Karl Krau und dessen Kontexten: Der Münchner Theaterwissenschaftler Jens Malte Fischer schildert am 29. April (18.00 Uhr) ein ungleiches Paar: Der Unmusikalische und sein Komponist. Karl Kraus und Ernst Krenek. Am 6. Mai (18.00 Uhr) kehrt der Tübinger Germanist Dietmar Till mit Kraus Zurück in die Zukunft. Was Rhetorik war und was sie wieder sein könnte. Im Herbst widmet sich dann der Innsbrucker Germanist Sigurd Paul Scheichl „Karl Kraus’ Glossen – die schärfste Waffe des Satirikers“ (9. Oktober, 18:00 Uhr).
Die neue Nummer der Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv präsentiert einen großen Aufsatz des Marbacher Kraus-Experten Friedrich Pfäfflin, in dem der wechselvollen Publikationsgeschichte des Werks von Kraus in Deutschland von 1951 bis 2006 nachgegangen wird.
Im Rahmen des Journalismusfestes Innsbruck zeigen Markus Ender und Ulrike Tanzer am 3. Mai (17.30 Uhr) Exponate der herausragenden Karl-Kraus-Sammlung, die 2019 der Marbacher Sammler Friedrich Pfäfflin an das Brenner-Archiv übergab. Die Bestände beinhalten eigenhändige Manuskripte, Korrespondenzen sowie seltene Bilddokumente von Karl Kraus und aus seinem Umfeld. Ein besonderes Highlight ist der handschriftliche Entwurf des berühmten Gedichts „Man frage nicht, was all die Zeit ich machte“, in dem Kraus auf die Machtübernahme Hitlers reagierte.
Im Herbst schließt die Ausstellung „Ins Bild gerückt: Charlotte Joël (1887–1943). Fotografien aus der Karl-Kraus-Sammlung Friedrich Pfäfflin“ kuratiert von Markus Ender, den Veranstaltungsreigen ab. Die Fotografin Charlotte Joël betrieb in Berlin-Charlottenburg ein Studio, in dem sie neben Marlene Dietrich oder Walter Benjamin im Frühjahr 1921 auch Karl Kraus porträtiert hat. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit Berufsverbot belegt und 1943 in Auschwitz ermordet. Die Ausstellung zeigt Exponate aus dem Bestand sowie Materialien, die Friedrich Pfäfflin zur Dokumentation von Leben und Werk der Fotografin gesammelt hat. Die Ausstellung zeigt Exponate aus dem Bestand sowie Materialien, die Friedrich Pfäfflin zur Dokumentation von Leben und Werk der Fotografin gesammelt hat. In der Vernissage zur Ausstellung wird Franz Schuh Texte von Kraus, für Kraus und gegen Kraus lesen - begleitet von Suyang Kim am Klavier (24. September, 19.00 Uhr).