Zum ersten Mal seit der Covid-19-Pandemie konnte die Exkursion zu den EU-Institutionen wieder stattfinden, wobei acht Studentinnen für die deutsche Kabine und vier für die italienische Kabine die Gelegenheit nutzten, um einen Blick hinter die Kulissen und in die Kabinen der EU-Institutionen zu werfen. Ob mit dem Flugzeug, Zug oder Auto – alle von uns kamen spätestens am Sonntag, den 5. November mit großer Vorfreude in Brüssel an. Ein kleines Appartement im Stadtteil Ixelles diente mir und vier weitere Studentinnen als Ausgangspunkt für Ausflüge und die Tage bei der EU. Vergleiche mit bereits einige Jahre zurückliegenden Klassenfahrten brachten uns alle beim gemeinsamen Essen zum Schmunzeln.
Nach Ausflügen zum Atomium, dem Grand-Place und dem Manneken Pis am Wochenende, war es dann am Montag so weit: Der erste Tag des Study Visits begann um 8:45 Uhr am Rond-point Schuman, wo wir uns mit den restlichen Studentinnen sowie unserer INTRAWI-Dozentin und Organisatorin der Brüssel Exkursion Eleonora Romano trafen. Von dort aus machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum Konferenzzentrum Albert Borschette. Die Sicherheits- und Passkontrollen am Eingang erinnerte an jene, die man von Flughäfen kennt. Anschließend erwartete uns ein einführender Vortrag von Ulrike Lehmann und Monika Platter, zwei Dolmetscherinnen aus der deutschen Kabine. Sie hielten einen kurzen Vortrag über die Generaldirektion für Dolmetschen (SCIC) und bereiteten die Deutsch-Muttersprachlerinnen auf ihren Einsatz in der stummen Kabine am nächsten Tag vor. Beim gemeinsamen Mittagessen mit weiteren Kolleginnen aus der deutschen Kabine konnten wir einen interessanten Einblick in das Berufsleben, den Alltag und den Werdegang der Dolmetscherinnen gewinnen. In diesem informellen Setting wurde aus dem Nähkästchen geplaudert und wir hatten die Chance, die unterschiedlichsten Fragen zu stellen: Wie ist das Leben in Brüssel? Was hättet ihr gerne vor dem Berufsantritt bei der EU gewusst? Wie sieht euer Tagesablauf aus? Wie lernt man, mit dem Stress umzugehen? etc. Nach dem Mittagessen ging es für die Italienisch-Muttersprachlerinnen in die stumme Kabine, während die Deutsch-Muttersprachlerinnen bei einem aufschlussreichen Vortrag von Verena Skerra, der Referatsleiterin der deutschen Kabine, Infos zum Akkreditierungstest und hilfreiche Tipps für die Aufnahmeprüfung (simultan und konsekutiv) erhielten. Der anschließende Mocktest war an Nervenkitzel kaum zu überbieten. Vier Studentinnen konnten ihr Können beim Konsekutivdolmetschen aus dem Englischen bzw. Französischen unter Beweis stellen und bekamen Feedback von den Profis. Mit rauchenden Köpfen und voller Zufriedenheit verließen wir nach einem langen ersten Exkursionstag das Konferenzzentrum und ließen den Abend alle gemeinsam mit traditionellen Frites Belges ausklingen.
Viel Zeit, um die ganzen Eindrücke zu verarbeiten, blieb uns nicht. Der zweite Tag der Exkursion, an dem auch für die Deutsch-Muttersprachlerinnen die stumme Kabine auf dem Programm stand, begann um 9:00 Uhr. Bei einer Sitzung der Ratsarbeitsgruppe Energie zum Thema Elektrizitätsbinnenmarkt blieben unsere Mikros zwar stumm, wir konnten allerdings den Dolmetscher:innen aus den aktiven Kabinen lauschen und uns auch selbst an die Verdolmetschung der thematisch und sprachlich komplexen Sitzung wagen. Ulrike Lehmann und Katharina Von Aufschnaiter aus der deutschen Kabine gaben uns Feedback und Tipps. Abgesehen von der Begrüßung durch den spanischen Vorsitz und den Wortmeldungen der Vertreterin aus Frankreich wurde die gesamte Sitzung auf Englisch gehalten. Eine große Herausforderung waren hierbei die unterschiedlichen Akzente der Nichtmuttersprachler:innen der Ratsarbeitsgruppe. Nach einem erneuten gemeinsamen Mittagessen mit einigen Dolmetscher:innen der deutschen Kabine ging es für uns zur Ratsarbeitsgruppe Sozialfragen. In dieser Sitzung wurde der Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes zum Thema „Unterstützung von Menschen mit Behinderung“ diskutiert. Besonders spannend war der schnelle Wechsel zwischen den Wortmeldungen und Sprachen der Vertreter:innen der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten: Der Vorsitz leitete die Sitzung auf Spanisch, die Vertreter:innen aus Deutschland und Österreich äußerten sich auf Deutsch – hier konnten wir unser Retour ins Englische üben –, Frankreich sowie Belgien auf Französisch und auch Italienisch war bei der Sitzung zu hören. Zur Orientierung der Relais-Schaltung war uns das Teamsheet der Sitzung eine große Hilfe. Die Sitzung dauerte deutlich kürzer als jene am Vormittag, allerdings wurden alle unsere Sprachkombinationen abgedeckt. Wir konnten somit aus den beiden Sitzungen Unterschiedliches mitnehmen. Ein besonderer Moment war, als sich der Vertreter Deutschlands nach der Sitzung bei der deutschen Kabine für die Verdolmetschung mit einem diskreten Applaus und Kopfnicken bedankte. Diese Geste machte deutlich, dass die Kommunikation in solchen Sitzungen ohne die Verdolmetschungen nicht möglich wäre.
Der Study Visit fühlt sich im Nachhinein etwas wie ein Ausflug in ein Paralleluniversum an. Ich kann immer noch nicht mit Sicherheit sagen, ob ich mir die Arbeit als Dolmetscherin bei der EU in Zukunft wirklich vorstellen kann. Dennoch war die Exkursion eine unglaublich bereichernde Erfahrung und hat mir ein großes Maß an Motivation für das restliche Studium mitgegeben. Abschließend möchte ich mich im Namen der Gruppe bei Frau Romano für die Organisation (und die Pommes) bedanken und hoffe, dass der Study Visit in Zukunft wieder regelmäßig stattfinden kann und die Chance von den Studierenden wahrgenommen wird.
(Melanie Wachter)