Ein Mann hält eine Präsentation

Severin Hornung spricht über Ansatzpunkte Kritischer Forschung in der Angewandten Psychologie.

Social Theo­ry: Dis­zi­pli­nen im Dia­log

Zum Jahresauftakt diskutierte die Forschungswerkstatt des FZ Social Theory interdisziplinäre Beiträge aus Philosophie, Psychologie und Erziehungswissenschaft. Mit 25 engagierten Teilnehmer:innen entwickelte sich schnell eine lebhafte Debatte über methodische Zugänge, gesellschaftliche Dynamiken und theoretische Perspektiven.

Wie gelingt es, dass so unterschiedliche Fachrichtungen wie Philosophie, Psychologie und Erziehungswissenschaft nicht nur nebeneinander existieren, sondern produktiv miteinander ins Gespräch kommen? Das Forschungszentrum Social Theory, das knapp vierzig Mitglieder und zweihundert weitere Interessierte vereint, zeigte eindrucksvoll, wie interdisziplinärer Austausch gelingt – und warum er unverzichtbar ist.

Gemeinsamekeiten als Brücke

Zwei Sachverhalte erleichtern den Austausch zwischen den Disziplinen. Erstens teilen alle Disziplinen methodische Fragen des wissenschaftlichen Zugangs zu ihren jeweiligen Untersuchungsgegenständen. Besonders deutlich machte dies der fesselnde Vortrag von Claudia Scheid vom Institut für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung. Sie untersuchte die rekonstruktive Analyse professionalisierter Praxen mit den Denkwerkzeugen der Objektiven Hermeneutik. Es ist eine Sache, facettenreiche Begriffe für soziokulturelle Phänomene zu entwickeln – eine andere, reale Erziehungsberatungen, auch “Doing Pedagogy”, oder die Kompetenzenorientierung in Curricula methodisch greifbar zu machen.

Zweitens verbindet die sozial-, kultur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen eine gemeinsame Perspektive: Sie betten gesellschaftliche Phänomene stets in ihren historischen Kontext ein. Dies verdeutlichte Stephanie Graf vom Institut für Philosophie mit ihrem programmatischen Beitrag einer kritischen politischen Theologie zu “Black Magic?”. Am Beispiel afrikanischer Diasporareligionen zeigte sie, dass die jeweiligen soziokulturellen Fragen in ihren geschichtlichen Kontext rückübersetzt werden müssen. Wer herausfinden möchte, was Religion zur Wirklichkeit gemacht hat, braucht eine Prozessperspektive der sozialen Realität, die ohne Theorie weder möglich noch diskutierbar wäre.

Sozialtheoretische Perspektiven auf Psychologie und Gesellschaft

Dieser theoretische Rahmen prägte auch drei Untersuchungen aus dem Bereich der Angewandten Psychologie. Severin Hornung und Christine Unterrainer vom Institut für Psychologie analysierten gemeinsam mit Thomas Hoege-Raisig, wie die in faktischen Praktiken, normativen Anrufungen und Ideologien wirksame neoliberal-kapitalistische Ordnung der Gesellschaft das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit und einem guten Leben systematisch unterdrückt. Sozialtheoretisch betrachtet geht es darum, Individuum und Gesellschaft im Zusammenspiel zu begreifen – nicht als bloße Summe einzelner Akteure.

Eine ähnliche Fragestellung stellte Benjamin Lum vom Institut für Psychologie in den Mittelpunkt seiner Forschung zu organisationaler Demokratie und prosozial-ökologischer Praxis. Während die Arbeitswelt ständige Leistungssteigerung fordert, sollen demokratische Bedingungen nachhaltige Werte fördern. Doch wie lassen sich diese widersprüchlichen Anforderungen vereinen?

Diesen Konflikt griff auch Daniel Roose in seinen prägnanten Ausführungen zu gewerkschaftlicher Umweltpolitik auf. Unter der Moderation von Jule Pichler vom Institut für Soziologie analysierte er im Workshop “Constructions of crisis and transformative potentials of working-class environmentalism”, wie Gewerkschaften die Herausforderung zwischen Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherung bewältigen. Die gesellschaftlichen Spannungen sind real und tief verwurzelt. Doch theoretische Reflexion ermöglicht, zumindest gedanklich ein Stück Kontrolle zurückzugewinnen.

Ein längeres Interview über das Forschungszentrum Social Theory finden Sie hier

(FZ Social Theory/red)

 

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