Blick auf eine Bohrvorrichtung aus Metall, die von einem Schiff ins Meer gelassen wird.

Mit der hochmodernen Tiefsee-Bohrvorrichtung „Giant Piston Corer-System“ an Bord des Forschungsschiffs Kaimei war es möglich, den Tiefsee-Untergrund präzise zu beproben.

Erd­be­ben brin­gen Leben in die Tief­see

Ein internationales Forscher:innen-Team mit Beteiligung des Innsbrucker Geologen Michael Strasser hat erstmals nachgewiesen, dass Erdbeben nicht nur massive Unterwasserlawinen auslösen, sondern auch für überraschende Artenvielfalt in der Tiefsee sorgen. Durch starke Beben werden Nährstoffe auch in die tiefsten Regionen der Ozeane transportiert. Die Studie wurde nun in Nature Communications veröffentlicht.

Computertomographie-Aufnahmen von Sedimentproben aus den tiefsten Regionen der Ozeane liefern neue Erkenntnisse über die Umweltbedingungen und das Leben am Boden von Tiefseegräben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Aktivität von Organismen in der Hadalzone, also bei einer Wassertiefe von über sechs Kilometern, weitaus vielfältiger ist als bislang angenommen. Diese Prozesse werden maßgeblich von so genannten Trübeströmen geprägt, die wiederum durch Erdbeben verursacht werden. „Erdbeben werden dadurch zu einer Art Motor ökologischer Zyklen“, sagt Michael Strasser, Leiter der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie der Uni Innsbruck. Strasser war wissenschaftlicher Co-Leiter der Expedition „Japan Trench Paleoseismology“ des Ozeanbohrprogramms IODP im Jahr 2021. Im Rahmen dieses Tiefseebohrprogramms wurden Bohrkerne aus dem Meeresgrund in einer bisher noch nie dagewesenen Tiefe entnommen.

Leben in lebensfeindlicher Umgebung

Die Hadalzone, die sich in Tiefen von mehr als 6000 Metern erstreckt, gilt als eine der extremsten und am wenigsten erforschten Lebensräume der Erde. Dort herrschen völlige Dunkelheit, Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt und ein enormer Druck, der den Atmosphärendruck an der Erdoberfläche um das Sechshundertfache und mehr übersteigt. Aufgrund dieser extremen Bedingungen nahm man lange an, dass Leben in diesen Regionen nur in sehr begrenztem Maße existiert. Doch neue Untersuchungen belegen, dass Erdbeben eine entscheidende Rolle für den Nährstofftransport und die Besiedlung des Meeresbodens spielen. „Man kann sich das wie eine gewaltige Unterwasserlawine vorstellen“, erklärt Michael Strasser. „Nach einem Erdbeben stürzt lockeres Sediment in die Tiefe und transportiert dabei große Mengen an Nährstoffen und Sauerstoff in den Graben.“ Das Forschungsteam nutzte hochauflösende Röntgen-Computertomographie, um dreidimensionale Strukturen in den Bohrkernen sichtbar zu machen. Dabei konnten sie erstmals Spurenfossilien in den Ablagerungen dieser Massenströme nachweisen. Diese Wühlspuren zeigen, dass Tiefseeorganismen in diesen Regionen weitaus aktiver sind als bisher angenommen.

Röntgen Aufnahmen mit einer spiralartigen Spur vor weißem Hintergrund.

Computertomographisches Bild von korkenzieherartigen Spurenfossilien mit etwa 1 Millimeter Durchmesser in der Tiefsee-Sedimentschicht. Bei diesen Strukturen handelt es sich um Gänge, die von einem wurmartigen Lebewesen angelegt wurden.

Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf

Die neuen Erkenntnisse haben weitreichende Bedeutung für unser Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Die Aktivität von Tiefseeorganismen beeinflusst, ob organischer Kohlenstoff langfristig im Meeresboden gespeichert oder als CO₂ wieder in die Atmosphäre abgegeben wird. Die Wühlspuren der Organismen zeigen, dass sie aktiv zur Umwälzung und Sauerstoffversorgung der Sedimentschichten beitragen, was wiederum die Abbauprozesse organischer Substanz beeinflusst.
Die Proben für diese Studie wurden 2021 im Rahmen der IODP-Expedition 386 Japan Trench Paleoseismology in Tiefen von bis zu 8000 Metern im Japangraben entnommen. Bei der Auswertung der Proben auf Spurenfossilien arbeiteten Wissenschaftler:innen aus Finnland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Japan zusammen. Die österreichische Beteiligung im Internationalen Ozeanbohrprogramm IODP wird durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) finanziert und für die Auswertung der Proben wird Strasser und sein Innsbrucker Team vom Österreichischen Wissenschaftsfond FWF gefördert.

Publikation: Jussi Hovikoski, Joonas Virtasalo, Andreas Wetzel, Mishelle Muthre,  Michael Strasser, Jean-Noel Proust, Ken Ikehara: Bioturbation in the hadal zone. Nature Communications 2025. DOI: 10.1038/s41467-025-56627-x

    Nach oben scrollen