Geschichte zum Anfassen
Im Dezember 2024 jährte sich die Verabschiedung des ersten Tiroler Naturschutzgesetzes zum hundertsten Mal. Zu diesem Anlass ging das Blog Naturschutzgeschichte(n) online. Erarbeitet wurde das Blog im Rahmen einer Lehrveranstaltung von Prof. Patrick Kupper zusammen mit Studierenden des Masterstudiums Geschichte der Universität Innsbruck. Für ihre Beiträge werteten die Autorinnen und Autoren Akten des Tiroler Landesarchivs aus. Die Archivarin Dr. Gertraud Zeindl unterstützte die Studierenden bei ihren Recherchen, und das Landesarchiv gestattete, in den Blogbeiträgen Ausschnitte aus Originalakten zu reproduzieren.
„Im Geschichtestudium werden viele Kurse mit einer schriftlichen Arbeit abgeschlossen. In diesem Kurs wollte ich darüber hinausgehen und mit den Studierenden zusammen erkunden, was es braucht, um solche Ergebnisse einer Öffentlichkeit zu vermitteln beziehungsweise sie publizieren zu können“, erklärt Patrick Kupper. Zum gewählten Thema – der Geschichte des Naturschutzes – hat er selbst viele Jahre intensiv geforscht. „Da dieses Thema für Tirol und auch für Österreich bislang jedoch nur ansatzweise aufgearbeitet ist, war es uns möglich, auch in dem begrenzten Rahmen, den eine Lehrveranstaltung bieten kann, neue Erkenntnisse zu erzielen“, so Kupper.
Unterschied sich ein Teil der Lehrveranstaltung wenig von anderen Kursen – die Einarbeitung in die Thematik mithilfe von Sekundärliteratur und Erschließung der einschlägigen Archivbestände im Tiroler Landesarchiv, Festlegung von Arbeitsthemen und Ausarbeitung von Fragestellungen – so erhielten die Studierenden darüber hinaus Einblicke in das Publikationsformat des Blogs und beschäftigten sich damit, wie wissenschaftlich fundierte Inhalte verständlich und attraktiv dargestellt werden können.
Der 24-jährige Südtiroler Lukas Rieder absolviert seit 2023 das Masterstudium Geschichte an der Uni Innsbruck und schildert in seinem Beitrag die Entstehungsgeschichte des Tiroler Naturschutzgesetzes von 1924. Darin erklärt er, wer sich für den Naturschutz einbrachte und welche gegenläufigen Interessen es zu berücksichtigen galt. „Im Rahmen der Lehrveranstaltung fand ich die Einblicke in das Tiroler Landesarchiv und in die Archivarbeit besonders interessant. Zudem habe ich auch von der technischen Seite – der Einrichtung eines Blogs – profitiert“, so Rieder.
Datenbasierte Stadtplanung
Ein Praxisprojekt der ganz anderen Art haben zwei Studierende im Abschlussmodul des Wahlpakets Digital Science, das vom Digital Science Center (DiSC) der Uni Innsbruck angeboten wird, durchgeführt. „Die Lehrveranstaltung Data Analysis Lab dient dazu, dass Studierende die erlernten Methoden der Datenanalyse in Projekten direkt anwenden“, erklären die Lehrveranstaltungsleiter:innen Francesca Finotello und Adam Jatowt.
Die Studierenden Kilian Epple und Daniel Hillebrand kombinierten im Rahmen der Lehrveranstaltung ihre Fachkenntnisse, um die Frage zu beantworten, wo in Innsbruck Stadtrad-Stationen fehlen, damit Studierende sie effizient nutzen können. „Innsbruck ist eine Universitätsstadt – und das sieht man auch im Stadtbild: Studierende nutzen das Stadtrad, um schnell und flexibel von A nach B zu kommen. Doch nicht alle Wohnviertel sind gut an das Radnetz angeschlossen“, erläutern die beiden Studierenden die Ausgangsfragestellung für ihr Projekt.
Mithilfe datenbasierter Analyse haben sie Vorschläge für neue Stadtrad-Stationen erarbeitet. Dazu nutzten sie anonymisierte Wohnadressdaten der Universität Innsbruck, GPS-Standortdaten der bestehenden Stadtrad-Stationen und Google-Maps-Programmierschnittstellen, um Distanzen zwischen Wohnorten und der nächsten Radstation zu berechnen. „Wir haben analysiert, wo viele Studierende wohnen, die keinen einfachen Zugang zum Stadtrad haben“, erklärt Kilian Epple. Ziel war es, Standorte zu identifizieren, an denen neue Stationen den größten Mehrwert hätten.
Ihre Analyse zeigte, dass besonders in westlichen und zentralen Stadtteilen viele Studierende wohnen, die mehr als 300 Meter von der nächsten Station entfernt sind. Da viele Stadtrad-Fahrten unter 15 Minuten dauern, ist ein kurzer Fußweg zur nächsten Station entscheidend. „Wir haben fünf Gebiete identifiziert, in denen der Bedarf besonders hoch ist, und diese Vorschläge an die Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB) weitergeleitet, damit unsere Arbeit nicht nur Theorie bleibt“, so Daniel Hillebrand. Zwei der vorgeschlagenen Stationen wurden inzwischen von den IVB umgesetzt. „Es ist sehr motivierend, zu wissen, dass ein Uni-Projekt wie unseres reale Auswirkungen auf die Stadt hatte“, ergänzt Kilian Epple.
Für beide Studierenden war das Projekt mehr als eine akademische Übung. „Ich wusste schon bei der Studienwahl, dass mich Data Science interessiert. Das Projekt hat mir bestätigt, dass ich Spaß an datenbasierten Analysen habe“, erklärt Kilian Epple, der inzwischen genauso wie Daniel Hillebrand ein Master-Studium in Data Science begonnen hat.
Neben der praktischen Anwendung von Data Science war die interdisziplinäre Zusammenarbeit ebenfalls eine wertvolle Erfahrung für die beiden Studierenden. Daniel Hillebrand, der das Wahlpaket im Rahmen seines Mathematikstudiums absolviert hat, übernahm die mathematische Modellierung der Wohnverteilung, während sich Kilian Epple, der das Wahlpaket im Rahmen seines Psychologie-Studiums absolviert hat, vor allem mit dem Fahrverhalten der Studierenden beschäftigt hat. „Ich finde es spannend, wenn Theorie und Praxis in der Forschung verknüpft werden. Es freut mich, dass unser studentisches Projekt auch für die Stadtplanung und Verkehrsbetriebe nützlich ist", so Daniel Hillebrand abschließend.
Gelebte Inklusion
Vielfalt und Praxisnähe standen im Zentrum der Lehrveranstaltung von Petra Flieger am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung. Im Mittelpunkt ihres Proseminars Pädagogisches Handeln zur Unterstützung der kognitiven Entwicklung stand der Tutor Elias Steger, der als außerordentlicher Student mit Behinderung Geschichte studiert und in die Lehre eingebunden ist.
„Die Idee zur partizipativen Lehre entstand 2022 im Rahmen der Woche der Vielfalt. Seither ist es gelungen, Elias sowohl im Sommersemester 2023 als auch im Sommersemester 2024 als Tutor zu beschäftigen“, erklärt Petra Flieger. „Seine Einbindung in die Lehrveranstaltung bringt neue Perspektiven. Unterstützt wurde Elias Steger dabei von einer Persönlichen Assistenz, die ihn in Mobilität und Kommunikation begleitet hat.“
Elias Steger teilte in der Lehrveranstaltung seine eigenen Schulerfahrungen aus der Integration sowie der Sonderschule und trat mit den Studierenden aktiv in den Austausch. „Dies geschah insbesondere durch Diskussionen und Gruppenarbeiten, bei denen er gezielt Fragen stellte.“ Einblicke, die für angehende Lehrerinnen und Lehrer besonders wichtig sind. „Ich konnte viel über Erfahrungen lernen, die unsere Schüler:innen im inklusiven Setting auch machen werden“, berichtet Lena Gleirscher, Lehramtsstudentin mit den Fächern Mathematik und Inklusive Pädagogik.
Auch die strukturellen Herausforderungen für eine inklusivere Universität wurden thematisiert. Die Studierenden entwickelten zahlreiche Ideen, wie Barrieren abgebaut werden können. „Ein Vorschlag war, Universitätsmitarbeiter:innen besser für die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen zu schulen. Lehrende müssen lernen, flexibel und bedarfsgerecht auf die Lernbedingungen und -bedürfnisse aller Studierenden einzugehen, so ein Fazit der Studierenden“, berichtet Petra Flieger.
Weitere Anregungen aus der Lehrveranstaltung umfassen den Ausbau von Buddy-Systemen, eine bessere Orientierung an der Universität sowie verstärkte Öffentlichkeitsarbeit für junge Menschen mit Behinderung. Petra Flieger sieht großes Potenzial in diesem Ansatz, mahnt jedoch an, dass die Verantwortung nicht bei Einzelpersonen liegen sollte: „Wichtig wäre es, mehrere (junge) Menschen mit Behinderungen, die sonst keinen Zugang zur Universität haben, für die Mitarbeit in der Lehre zu qualifizieren und ihnen langfristig auch reguläre Arbeitsplätze an der Universität anzubieten. Elias Steger selbst konnte nur als Tutor arbeiten, weil er ao. Student ist – für viele andere wäre dies aktuell nicht möglich.“
Einblicke ins Theater
Durch einen kürzlich geschlossenen Kooperationsvertrag zwischen dem Tiroler Landestheater und der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Innsbruck eröffnen sich für Studierende dieser Fakultät neue Lern- und Praktikumsmöglichkeiten. Diese Zusammenarbeit bringt nicht nur Wissenschaft und Öffentlichkeit näher zusammen, sondern ermöglicht auch wertvolle Praxiserfahrungen.
So konnten Studierende des Proseminars Literatur im Transfer: Theater im vergangenen Semester Einblicke in die Theaterwelt sammeln. Die Studierenden hatten die Möglichkeit, an einer Theaterführung sowie an mehreren Proben für die Produktion „Die Konferenz der Tiere“ teilzunehmen.
„Dieser Einblick in die Stückentwicklung von der Konzeptionsprobe bis hin zur fertigen Aufführung gab den Studierenden eine Idee von Dramaturgie als Theaterberuf und der Dramatisierung von Erzählprosa. Letzteres ist besonders für Lehramtsstudierende im Fach Deutsch von Bedeutung, da die Dramatisierung von erzählenden Texten eine beliebte Methode der Literaturdidaktik ist“, erklärt die Lehrveranstaltungsleiterin Bernadette Rieder vom Institut für Germanistik der Uni Innsbruck.
Im Gegenzug für diese Erfahrungen entwickelten die Studierenden ein interaktives Quiz, das auf der Webseite des Tiroler Landestheaters veröffentlicht wurde. „Für das Quiz mussten wir sinnvolle und zielgruppenangemessene Fragen entwickeln und geeignete Aufgabenformate mit H5P finden“, erklärt Bernadette Rieder. H5P ist eine offene Software zur Erstellung interaktiver Aufgaben, die als HTML in digitale Oberflächen integriert werden können. „Diese Arbeit ermöglichte es den Studierenden, ihr literaturdidaktisches Wissen praxisnah einzusetzen und digitale Lehrkompetenzen zu entwickeln.“
Von der Erstellung dieses Quiz hat Anna Netzer, eine der Lehrveranstaltungsteilnehmerinnen, aus ihrer Sicht am meisten profitiert. „Das Erstellen von interaktiven Online-Übungen, v.a. von solchen, bei denen es nicht eine einzige richtige Musterlösung gibt, ist sehr schwierig und zeitaufwändig. Man wird plötzlich mit Fragen konfrontiert, die man im Vorfeld vielleicht nicht erwartet hat, wie z. B.: Wie stelle ich eine Frage bzw. wie gestalte ich eine Aufgabe so, dass es durchwegs nur eine einzige korrekte und klare Antwort gibt?“, beschreibt sie die Herausforderung.
Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins wissenswert erschienen. Eine digitale Ausgabe finden Sie hier.