Baumringe

Sai­sonale Dürren in Jahr­rin­gen fest­ge­schrie­ben

Analysen von bis zu 9000 Jahre alten Nadelhölzern belegen: Die jüngsten sommerlichen Trockenphasen im Alpenraum liegen im Bereich der holozänen Variabilität, die Ergebnisse zeigen zudem feuchtere Verhältnisse in den ersten Jahrtausenden an.  

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Die Alpenregion ist stark von den Folgen aktueller und zukünftiger Veränderungen im Wasseraushalt betroffen. Extreme Dürren wie beispielsweise in den Jahren 2003, 2015 und 2018 führen zu ökologischen Beeinträchtigungen und wirtschaftlichen Schäden. Um derartige Ereignisse im Kontext langfristiger Klimaveränderungen einzuordnen, ist es von zentraler Bedeutung, die hydroklimatischen Entwicklungen im Verlauf der vergangenen Jahrtausende zu betrachten.

Sauerstoffisotope in Hölzern als Feuchtigkeitsindikatoren

Eine neue Studie im Bereich der Jahrringanalyse bzw. Dendrochronologie rekonstruiert die sommerlichen Feuchte- bzw. Dürrebedingungen in den Alpen im Verlauf der letzten 9000 Jahre, basierend auf stabilen Sauerstoffisotopen (δ18O), erarbeitet an jahrgenau datierten Tothölzern und Proben lebender Bäume von insgesamt 192 Lärchen und Zirben aus dem Hochlagenbereich der Alpen.

Die bei der Holzbildung eingebauten Sauerstoffisotope zeigen empfindlich die Verdunstungsverhältnisse während des Wachstums an und sind daher Indikatoren für saisonale klimatische Bedingungen. Verdunstet in einem Sommer über die Blätter eines Baumes viel Wasser, lassen sich später im zeitgleich gebildeten Jahrring vorwiegend schwere Sauerstoffisotope finden. Aus diesem Grund brachten frühere Studien die δ18O- Werte mit den Temperaturverhältnissen in Zusammenhang.

Ein zentrales Ergebnis der nun vorliegenden Studie ist, dass die δ18O-Werte in den untersuchten Jahrringen nicht vorrangig Temperaturinformationen widerspiegeln, sondern vor allem die Feuchtigkeitswerte während der Sommermonate. Die Auswertung erbrachte einen mehrtausendjährigen Austrocknungstrend, der somit in erster Linie mit den Änderungen der Feuchtigkeitsverhältnisse zusammenhängt – und weniger mit den Temperaturentwicklungen.

 

Lebende Zirbe am Grimselsee

In der Studie wurden jahrgenau datierte Tothölzer und Proben lebender Bäume von insgesamt 192 Lärchen und Zirben analysiert.

In der Bildmitte eine lebende Zirbe, welche am Ufer des Grimselsees wächst.

Beprobter subfossiler Baumstamm

Die Holzproben wurden in den Ostalpen zwischen 1950 und 2300 Höhenmetern gesammelt.  

Subfossiler Baumstamm im seichten Gewässer am Ufer eines Sees, der zum Teil mit Schlamm bedeckt ist.

Dürren im Bereich der holozänen Variabilität

Die neue Rekonstruktion der saisonalen Feuchte- und Dürrebedingungen decken sich mit anderen paläoklimatischen Proxydaten auf Basis von etwa Eisbohrkernen, Seesedimenten und Pollenprofilen. Die Analyse der Informationen in den Jahrringen ermöglicht jedoch eine präzise chronologische Zuordnung.

„Die frühe bis mittlere Periode (ca. 9000 bis 5000 Jahre vor heute) unserer Nacheiszeit, des Holozäns, war geprägt von relativ feuchten Sommern. Seit 5000 bis 4500 Jahren zeichnet sich ein langfristiger Austrocknungstrend ab, überprägt charakterisiert von von mehreren markanten Feucht- und Trockenphasen, ab“, erklärt Kurt Nicolussi, Dendrochronologe am Institut für Geographie an der Universität Innsbruck und Mitautor des Papers.

Die kleine Eiszeit zwischen ca. 1260 und 1860 n. Chr. wird meist als kühl und feucht beschrieben. Daten aus der vorliegenden Studie dokumentieren jedoch ausgeprägte Trockenphasen innerhalb dieses Zeitraumes.

Ordnet man die jüngsten Dürren (seit 1850) in die Zeitreihe des Holozäns ein, zeigt sich ein bemerkenswertes Ergebnis: „Aktuelle Dürreperioden mögen in ihrer Intensität zwar außergewöhnlich erscheinen, sind aber im Kontext der holozänen Variabilität nicht einzigartig“, heißt es in der Studie.

Jahrelange Forschungsarbeit

Die Holzproben, an welchen die Isotopenmessungen durchgeführt wurden, stammen aus einem Archiv der Universität Innsbruck. Seit Jahrzehnten baut das Team rund um Kurt Nicolussi eine durchgängige Jahrringchronologie für den Alpenraum auf. Für die aktuelle Forschungsarbeit wurden bis zu 9000 Jahre alte Holzproben von 192 Lärchen und Zirben in Abschnitte von jeweils fünf Jahresringen zerlegt.

 

Kurt Nicolussi im Büro mit einer Baumprobe

Die Holzproben für die Studie stammen aus der Jahrringchronologie, die Kurt Nicolussi und mit seinem Team an der Uni Innsbruck aufgebaut hat.

Der Wissenschaftler Kurt Nicolussi hält einen Querschnitt eines Baumstammes in der Hand, auf dem man die Jahrringe sieht. Er steht in seinem Büro vor einem Regal mit blauen Ordnern.

„Um die Isotope in Jahrringen zu analysieren, schnitten wir das Holz entlang der Jahrringe und extrahierten in mehreren Schritten die Zellulose – den Hauptbestandteil der Zellwände der Jahrringe“, erklärt der Hauptautor der Studie, Paläoklimatologe Tito Arosio. Anschließend wird mittels Massenspektronomie ermittelt, wie viel von jeder Isotopenform vorhanden ist. „Das ist ein langsamer und sehr aufwändiger Prozess. Allein das an der Universität Bern durchgeführte Messen der letztlich rund 7500 Isotopenwerte, die wir für diese 9000 Jahre abdeckende Paläoklima-Rekonstruktion verwendet haben, hat acht Jahre gedauert“, so Arosio.

Die Forschungsarbeit ist damit noch nicht abgeschlossen, in weiterer Folge werden auch die in den Jahrringen enthaltenen Wasserstoff- und Kohlenstoffisotope analysiert. Ein Manuskript, dass sich zudem auf den Zellulosegehalt der Hölzer konzentriert, wurde von den Wissenschaftler:innen kürzlich eingereicht.

Die Kombination der dendrochronologischen Isotopendaten mit anderen Proxy-Daten und Klimamodellen bietet großes Potenzial für zukünftige Arbeiten zur Dynamik des mitteleuropäischen Wasserhaushalts.

Publikation: Arosio, T., et al. "Tree-ring stable isotopes from the European Alps reveal long-term summer drying over the Holocene", Science Advances 11, eadr4161 (2025)  doi: 10.1126/sciadv.adr4161

PEAK – Klima, Biodiversität und Nachhaltigkeit im Fokus

Die menschengemachte Klimakrise hat bereits heute massive Auswirkungen, die sich künftig weiter verstärken werden. Der Weltklimarat zeigt klare Folgen und mögliche Maßnahmen auf. An der Universität Innsbruck forschen zahlreiche Expert:innen zu Klima und Nachhaltigkeit.

Mit dem Projekt PEAK (Perspectives on Engagement, Accountability and Knowledge) bündelt das Kommunikationsteam der Universität Innsbruck diese Expertise und präsentiert die Köpfe hinter der Forschung.

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