Hans Briegel sitzend auf einer Fensterbank

Wittgenstein-Preisträger Hans Jürgen Briegel erhält den Erwin Schrödinger-Preis der ÖAW.

Schrö­din­ger-Preis für Hans Jür­gen Brie­gel

Der Quantenphysiker Hans Jürgen Briegel wird für seine herausragenden Forschungsleistungen in den Bereichen Quanteninformation und Quantencomputing, insbesondere zur Theorie und Anwendung messungsbasierter Quantencomputer sowie der Entwicklung physikalischer Modelle für autonome und lernfähige Agenten, heute in Wien mit dem Erwin Schrödinger-Preis ausgezeichnet.

Jedes Jahr vergibt die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ihre renommiertesten Auszeichnungen an herausragende Forschende. Mit einem Preisgeld von je 15.000 Euro gehören der Wilhelm Hartel-Preis, der Erwin Schrödinger-Preis und der Elisabeth Lutz-Preis zu den höchsten wissenschaftlichen Ehrungen des Landes. Die feierliche Verleihung findet heute, 12. März 2025, im Festsaal der Akademie in Wien statt. Dort wird dem Innsbrucker Quantenphysiker Hans Jürgen Briegel vom Institut für Theoretische Physik der Erwin Schrödinger-Preis verliehen.

Messungsbasiertes Quantenrechnen

Die Frage, was ein Quantencomputer eigentlich ist, was er kann und welche quantenmechanischen Eigenschaften für ihn zentral sind, treibt Hans Briegel seit langem um. Unsere Vorstellung von Informationsverarbeitung, wie wir sie von Rechenprozessen in Computern, in der Kommunikation, oder im Bereich des maschinellen Lernens haben, wird durch die Erkenntnisse der Quantenphysik fundamental herausgefordert und auf eine neue Grundlage gestellt.

Eine der seltsamsten und zentralen Eigenschaften der Quantenwelt, die bereits Erwin Schrödinger hervorgehoben hat, ist die quantenmechanische Verschränkung, die es in der klassischen Physik nicht gibt. Die Verschränkung von zwei Teilchen wird zum Beispiel in der Quantenteleportation genutzt. Eine weitere zentrale Eigenschaft ist der quantenmechanische Indeterminismus und der Zufall bei der Messung an Quantensystemen. Beide Aspekte der Quantenphysik spielen in Briegels Forschung eine wichtige Rolle.

Im Konzept des Einweg-Quantencomputers, das Hans Briegel 2001 zusammen mit Robert Raussendorf einführte, lässt sich eine Quantenrechnung allein durch Einteilchen-Messungen an einem speziellen, hochverschränkten Zustand vieler Teilchen ausführen. Der hochverschränkte, sogenannte Clusterzustand spielt dabei eine ähnliche Rolle wie ein verschränktes Teilchenpaar bei der Quantenteleportation, nur dass man mit dem Clusterzustand sozusagen “alles” machen kann: die Ressource ist universell. Die Forschung im Bereich des messungsbasierten Quantenrechnens hat das Verständnis von Verschränkung als Ressource auf eine neue Ebene gehoben. Sie etablierte damit zugleich eines der inzwischen einflussreichsten theoretischen Modelle eines Quantencomputers.

KI in der Grundlagenforschung

Im Bereich der Quantenkommunikation entwickelte Hans Briegel 1998, zusammen mit Kollegen an der Universität Innsbruck, das Konzept des Quantenrepeaters, das ebenfalls verschränkte Zustände als Ressourcen verwendet. Das theoretische Konzept des Quantenrepeaters löst die Probleme des Rauschens und der Dekokärenz bei Quantenkommunikation über große Entfernungen. Der Quantenrepeater ist deshalb zentral für die Entwicklung weitverzweigter Quantenkommunikationsnetzwerke, an denen heute weltweit im Rahmen zahlreicher Forschungsinitiativen gearbeitet wird.

Hans Briegel leistete darüber hinaus entscheidende Beiträge auf dem Gebiet des quanten-maschinellen Lernens. Dazu gehören die physikalische Modellierung von lernfähigen Agenten und die Anwendung künstlicher Intelligenz in der Quantenphysik. Das Lernmodell der Projektiven Simulation, das Briegel im Jahr 2012 vorstellte, war der erste Vorschlag eines lernfähigen Agenten, für den Quantenverbesserungen gezeigt werden konnten.

Briegels derzeitige Forschung konzentriert sich auf das Zusammenspiel von KI und Quantentechnologien. Angesichts der rasanten Entwicklung beider Gebiete bringt ihre Kombination neue technologische Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen mit sich. Im Rahmen seines ERC Advanced Grant (2022) erforschen Briegel und sein Team dieses Zusammenspiel und untersuchen dabei auch Fragen nach der Erklärbarkeit von KI in der Grundlagenforschung. Die Erklärbarkeit und Vertrauenswürdigkeit von Methoden der künstlichen Intelligenz sind in jüngerer Zeit zu einem zentralen Thema geworden. Bestehende Bedenken sind vor allem auf die mangelnde Transparenz von Methoden zurückzuführen, die allein auf tiefen neuronalen Netzen basieren. Die Entwicklung lernfähiger Agenten im Kontext der Quantenphysik bietet hier neue Lösungsansätze. Briegel ist einer der ersten Forscher, die sich mit diesem wichtigen Thema befassen.

Der Preisträger

Hans Jürgen Briegel ist seit 2003 Universitätsprofessor für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck. Er promovierte 1994 bei Berthold-Georg Englert in Theoretischer Physik an der LMU München und habilitierte sich 2002 an derselben Institution. Seine akademische Laufbahn führte ihn an die Harvard University, die Texas A&M University und die Universität Innsbruck. Darüber hinaus leitete er von 2003 bis 2014 als einer der Gründungsdirektoren eine Forschungsgruppe am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Er wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter dem Wittgenstein-Preis (2023), einem ERC Advanced Grant (2022) und der Wahl zum Fellow der European Laboratory for Learning and Intelligent Systems Society (2020). Seit 2013 ist er korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Darüber hinaus hat er mehr als 40 Nachwuchsforscher:innen betreut.

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