Ein Testfeld für die Gletscherforschung am Stubaier Gletscher. Mehrere rechteckige Flächen des Gletschers sind mit weißen Planen abgedeckt. Nach sechs Wochen Auslegung lässt sich der schützende Effekt der Planen bereits deutlich feststellen.

Bestehende Maßnahmen zum Erhalt der Eismassen werden im Rahmen des GSP weiterentwickelt.

Start­schuss für inter­na­ti­o­na­les Glet­scher­schutz-Pro­jekt

Die Universität Innsbruck ist federführend am Glacier Stewardship Program beteiligt, einem internationalen Projekt, dessen Ziel es ist, die noch bestehenden Gletscher zu schützen, die ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen ihres Abschmelzens zu mildern und die mikrobielle Vielfalt zu erhalten. Die Initiative wurde von Birgit Sattler, Limnologin am Institut für Ökologie der Uni Innsbruck, in Zusammenarbeit mit zwei führenden Universitäten in der Schweiz (ETH Zürich und EPF Lausanne) ins Leben gerufen. Mehr als 20 weitere Universitäten und Forschungseinrichtungen weltweit sind Teil des Projektes.

Die Alpengletscher schmelzen, doch nicht nur die heimischen Eismassen stehen unter Druck, rund um den Globus stehen vergletscherte Gebirgsregionen vor ähnlichen Herausforderungen. Auch bei dem ambitioniertesten Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, werden bis zum Ende des Jahrhunderts weltweit bis zur Hälfte der Gletscher verschwinden. Klimamodelle prognostizieren für die aktuellen Emissionsszenarien einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von 2,7°C bis 2100. Dies würde fast vollständige Entgletscherung ganzer Regionen in Mitteleuropa, Westkanada, USA und Neuseeland bedeuten.

 

Eine weiß-graue, zerklüftete Gletscherlandschaft im Hochgebirge.

Der Gaisbergferner in den Ötztaler Alpen wird unter einer globalen Erwärmung von 2,7°C vorraussichtlich bis 2039 fast verschwunden sein. 

Eine weiß-graue, zerklüftete Gletscherlandschaft im Hochgebirge.

Der Verlust der Eismassen hat weitreichende Folgen: Gletscher speichern rund 70 Prozent des Süßwassers der Erde und versorgen 22 Prozent der Weltbevölkerung mit Trinkwasser. Somit sind sie für die Wasser- und Ernährungssicherheit von Milliarden von Menschen von entscheidender Bedeutung – mit direkten Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und das Wirtschaftswachstum. Das Abschmelzen der Gletscher führt zu einer Destabilisierung der Gebirgsregionen: Felsstürze, Eislawinen und Gletscherseeausbrüche stellen eine direkte Bedrohung für die lokale Bevölkerung in den betroffenen Gebieten dar. Nicht zuletzt beherbergt Gletschereis ein erstaunlich vielfältiges Mikrobiom, welches eine entscheidende Rolle für Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe spielt.

Internationale Expertise für lokale Maßnahmen

Das Glacier Stewardship Programm ist die erste Initiative ihrer Art, die innovative, wissenschaftlich fundierte Strategien entwickelt, um die Gletscherschmelze lokal zu verlangsamen, gletscherbedingte Gefahren zu mindern und die im Gletschereis eingeschlossene mikrobielle Artenvielfalt zu erhalten. „Um all diese Facetten zu erfassen, braucht es eine interdisziplinäre Forschung, die unterschiedliche Perspektiven vereint“, erklärt die Gletscherforscherin Birgit Sattler von der Universität Innsbruck den Hintergrund der Initiative.

 

Portraitfoto von Birgit Sattler

Gemeinsam mit Kolleg:innen initiierte Birgit Sattler das Glacier Stewardship Programm.  

Ein Portraitbild von der Wissenschaftlerin Birgit Sattler, sie trägt eine blaue Daunenjacke, ihre blonden Haare sind zusammengebunden, eine Strähne fällt ihr ins Gesicht. Im Hintergrund eine schneebedeckte Wiese im Sonnenschein.

„Es ist ein unkonventionelles Projekt in herausfordernden Zeiten. Durch transparente Kommunikation sowie die Einbindung von Stakeholdern und der lokalen Bevölkerung hoffen wir, die notwendige Akzeptanz zu schaffen. Dabei ist es essenziell, ökologische und ethische Standards konsequent einzuhalten. Unser Ziel ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung der Gletscher und die Folgen ihres Verschwindens zu schärfen – und gemeinsam lösungsorientierte Ansätze zur Erhaltung von Eis und dessen Biodiversität zu entwickeln. Gleichzeitig bleibt jedoch klar: Die Dekarbonisierung hat oberste Priorität“, so Sattler.

Das Glacier Stewardship Program wird von 37 Wissenschaftler:innen aus Österreich, der Tschechischen Republik, China, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Indien, Italien, Norwegen, dem Vereinigten Königreich, Slowenien und der Schweiz unterstützt.

Drei Bereiche im Fokus der Forschenden

Das internationale Team hat drei Bereiche herausgearbeitet, um die Herausforderungen und Folgen des Gletscherschwundes zu bewältigen:

  • Verlangsamung der Gletscherschmelze: Das Team wird in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung und Interessensverteter:innen neuartige technologische Ansätze zur Verlangsamung des Eisverlusts auf lokaler Ebene entwickeln. Ziel ist es, das Reflexionsvermögen des Gletschereises zu erhöhen und die Schneeakkumulation zu fördern. Im Vordergrund steht dabei die ökologische Nachhaltigkeit, die Skalierbarkeit und Reversibilität sowie die gesellschaftliche Akzeptanz.
  • Gletscherbedingte Gefahren: Die beteiligten Akteur:innen initiieren ein globales Netz von Beobachtungsstellen für Gletschergefahren, um Risiken wie Gletscherseeausbrüche und Eislawinen zu verfolgen und vorherzusagen. Zudem werden neuartige Sensoren entwickelt, KI-gestützte Überwachungssysteme eingesetzt und Satellitentechnologien genutzt, um Frühwarnsysteme zu etablieren.
  • Biodiversität im Eis: Das Glacier Stewardship Program wird eine internationale Mikrobiom-Biobank in der Schweiz einrichten, um Gletschermikroorganismen für künftige Generationen zu sichern, bevor es zu spät ist. Dabei wird das genetische Potenzial der Gletschermikroorganismen entschlüsselt und für die Biotechnologie und Biomedizin erschlossen. Möglicherweise ergeben sich in diesem Bereich neue Wege zur Nutzung der Folgen des Klimawandels.

Das Projekt steht im Einklang mit der Ausrufung des Jahres 2025 zum Internationalen Jahr der Erhaltung der Gletscher durch die Vereinten Nationen und läuft parallel zur UN-Dekade für die Kryosphärenforschung (2025-2034).

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