Personen sprechen auf einem Podium

Regina Polak, Helga Kohler-Spiegel, Ayşe Almıla Akca, Aslıgül Aysel, Mehmet H. Tuna im Gespräch (v.l.n.r.).

Tagung „Sinnfluencing“ im digi­ta­len Zeit­al­ter

TikTok, Instagram und andere digitale Technologien prägen die Lebenswelt junger Menschen und beeinflussen deren Sinnsuche und Weltdeutung in hohem Maße. Die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen für religiöse Bildung wurden am 27. Februar 2025 auf der 6. Tagung des Forums "Zukunftsfähiger Religionsunterricht" diskutiert.

Technologie, Digitalität und naturwissenschaftliche Leitbilder durchdringen die Alltags- und Bildungswelt. In signifikantem Maße haben sie auch Anteil an der Entwicklung von Weltdeutungen und Werten und sind somit Teil des wachsenden „Sinnfluencing“ im digitalen Zeitalter.

Religiös-theologische, spirituelle, philosophische oder alternativreligiöse Sinngebungen stehen dazu in Wechselwirkung, in Konkurrenz oder als Ergänzung. In der Interaktion mit digitalen Medien gestalten Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ihre sozialen Beziehungen und sinngebenden Lebensführungen. Aus einer interreligiösen Bildungsperspektive drängt sich die Frage auf, wie die Vielfalt an „Sinnfluencing“ in Schule, Gemeinde und im virtuellen Raum kritisch reflektiert und wie sie im Sinne des Bildungsauftrags von religiöser Bildung durchdrungen sein kann.

Die 6. Tagung des Forums „Zukunftsfähiger Religionsunterricht“ widmete sich Grundsatzfragen nach dem Mensch-Sein heute, nach dem Ort der Transzendenz und nach einer ethisch verantworteten Lebensgestaltung mit Blick auf sich wandelnde Sinnkulturen. Die Tagung wurde in Kooperation zwischen dem Zentrum für Interreligiöse Studien der Universität Innsbruck, dem Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik, der Fakultät für LehrerInnenbildung und dem Institut für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät veranstaltet.

Einblick in Glaubens- und Sinnkonzepte Jugendlicher

Die Religionssoziologin und Pastoraltheologin Regina Polak (Universität Wien) gab in ihrer Keynote auf Basis der aktuellen Studie „Was glaubt Österreich?“ einen Einblick in die Glaubens- und Sinnkonzepte Jugendlicher. 30% der befragten 14-25 Jährigen glauben an Gott oder eine göttliche Wirklichkeit und 30% an ein höheres Wesen, eine höhere Energie oder geistige Macht. Nur 19% lehnen den Glauben an eine transzendente Wirklichkeit vollkommen ab und 13% geben an, nicht zu wissen, was sie glauben sollen. Gleichzeitig haben junge Menschen weniger Berührungsängste mit Fragen nach Gott, Glaube und Religion. Der Abbruch traditioneller Formen religiöser Praxis führt, so Polak, zu einem „Anatheismus: believing in God after the death of God“.  Im Hinblick auf religiöse Pluralität zeigt sich insgesamt eine „indifferente Religionsfreundlichkeit“ der österreichischen Bevölkerung. Allerdings zeigen die Studienergebnisse, dass „die Muslimfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ ist.

Religiöse Deutungsvielfalt und die Rolle von Social Media

Ayşe Almıla Akca und Aslıgül Aysel, Post-Doc-Mitarbeiterinnen am Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik in Innsbruck, entführten die Teilnehmer:innen in die Welt der Influencer:innen und zeigten auf, wie die religiöse Deutungsvielfalt in sozialen Medien durch Algorithmen wieder verengt wird. Die kritische Auseinandersetzung mit religiösen Inhalten in sozialen Medien ist ein wesentliches Ziel religiöser Bildung an der Schule.

Psychische Gesundheit und religiöse Bildung als Ressource

Die Religionspädagogin und Psychotherapeutin Helga Kohler-Spiegel (PH Vorarlberg) stellte in ihrem Vortrag die Frage in den Mittelpunkt: „Wer nimmt dich in den Arm, wenn es dir schlecht geht und ein Like nicht hilft?“ Angesichts der Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen, gelte es, den ursächlichen Faktoren wie Reizüberflutung, Bewegungsmangel, Natur-Defizit-Syndrom, Einsamkeit etc. entgegenzuwirken. Religiöse Bildung kann zur Entwicklung von Selbstwirksamkeit und Resilienz einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie beziehungsstiftend wirkt, Räume eröffnet für Erfahrungen von Gemeinschaft und Partizipation und ganzheitliche Lernprozesse anstößt.

In Posterpräsentationen und Kurzvorträgen ermöglichten Forscher:innen aus dem Bereich der islamischen und katholischen Religionspädagogik aus Österreich und Deutschland einen facettenreichen Einblick in Chancen und Herausforderungen durch Social Media für den Religionsunterricht aber auch für die Lehrer:innenbildung. 

(Maria Juen und Antigona Shabani)

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