Nahaufnahme der Blüte einer violetten Schwertlilie, im Hintergrund sind weitere Blüten unscharf zu sehen.

Schwertlilie (Iris): Aus der Iriswurzel gewonnen Irone sind hochwertige Naturstoffe: Die von Thomas Magauer und Kolleg:innen entwickelte NEMTC-Reaktion erlaubt erstmals direkte, nicht-enzymtische Umwandlung von unnatürlichen Substraten zu Methylzyklisierungsprodukten, aus welchen die wertvollen Irone hergestellt werden können.

Wert­volle Erwei­te­rung des syn­the­ti­schen Werk­zeug­kas­tens

Chemiker:innen rund um Thomas Magauer von der Uni Innsbruck haben eine Methyl-induzierte Ringschlussreaktion entwickelt, die ohne kompliziert herzustellende Enzyme auskommt. Dies erleichtert die Synthese von Naturstoffen und ermöglicht den Zugang zu komplexen Molekülstrukturen u.a. für die Wirkstoff-Forschung. Die sogenannte NEMTC-Reaktion wurde kürzlich im Journal Nature Chemistry beschrieben.

Neue Wirkstoffe und Wirkstoffdesigns werden häufig von in der Natur vorkommenden Reaktionsprozessen und den dabei gebildeten Naturstoffen abgeleitet. Diese in entsprechenden Mengen und in entsprechender Qualität zu gewinnen bzw. die Reaktionen im Labor zu reproduzieren, stellt die chemische Forschung vielfach vor große Herausforderungen. Ein bedeutender Fortschritt auf diesem Gebiet kommt aktuell von Univ.-Prof. Thomas Magauer und seinem Team am Institut für Organische Chemie der Universität Innsbruck. Den Chemiker:innen ist es gelungen, ein Labor-Verfahren zur Herstellung komplexer ringförmiger Methyl-substituierter Moleküle zu entwickeln, welches ohne die natürlichen Enzyme auskommt. „Unsere Methode erreicht nicht nur eine mit natürlichen Enzymen vergleichbare Selektivität, sondern umgeht auch deren Substratbeschränkungen. Sie bietet einen einfachen Zugang zu komplexen Molekülstrukturen, die bisher schwer oder gar nicht synthetisierbar waren“, ordnet Thomas Magauer die Bedeutung der neuen Methode ein. Der Reaktionsmechanismus konnte in Zusammenarbeit mit Ass. Prof. Maren Podewitz von der TU Wien aufgeklärt werden und die Methode wurde erfolgreich für die Herstellung von Ironen, bedeutenden Naturstoffen aus der Iris-Wurzel, angewendet.

Weltweit erste nicht-enzymatische Methode

Methylgruppen spielen sowohl in natürlichen biologischen Systemen als auch in chemischer, medizinaler Forschung eine wesentliche Rolle: An der richtigen Stelle können sie die Wirksamkeit von Wirkstoffen verbessern („Magic Methyl Effect“), indem sie die dreidimensionale Anordnung von Molekülen maßgeblich beeinflussen, Bioaktivitäten modulieren und molekulare Funktionen wie die Genexpression steuern. Aus chemischer Sicht besonders beeindruckend sind sogenannte S-Adenosylmethionin (SAM)-abhängige bifunktionelle Methyltransferase-Zyklase-Enzyme (bMTC), die in der Natur den selektiven Transfer einer Methylgruppe auf ein Alken mit nachfolgender Zyklisierung katalysieren, wodurch die molekulare Komplexität signifikant erhöht wird. Diese Enzyme spielen eine entscheidende Rolle bei der Biosynthese von Naturstoffen wie Teleocidin B, einem Aktivator der Proteinkinase C, und den aus der Iriswurzel gewonnen Ironen, die in hochwertigen Parfüms verwendet werden. Obwohl bMTC-Enzyme eine bemerkenswerte Reaktivität aufweisen, konnte ihre Funktion im Labor bisher nicht erfolgreich reproduziert werden. Erste Versuche in den 80er Jahren erforderten sehr harsche Reaktionsbedingungen und ergaben geringen Ausbeuten komplexer Produktgemische auf Basis von (mehrfachen) Methylübertragungen.

Grafik, die die Herstellung von Ironen aus der Schwertlilienwurzel zeigt:

In einem langwierigen industriellen Prozess werden Irone aus Iriswurzeln gewonnen. In der Biosynthese werden analoge bifunktionelle Methyltransferasen–Zyklasen wie TleD aus der Teleocidin B Biosynthese vermutet. Die entwickelte NEMTC-Reaktion erlaubt erstmals direkte, nicht-enzymatische Umwandlung von unnatürlichen Substraten zu Methylzyklisierungsprodukten, aus welchen die wertvollen Irone hergestellt werden können.

Im Rahmen des ERC Consolidator Projektes CRAFTMOL „From Simplicity to Complexity: Crafting Molecular Architectures via Cascade Polyene Cyclizations“ konnte ein exzellentes Team (Immanuel Plangger, Elias Schmidhammer, Sebastian Schaar) unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Thomas Magauer die weltweit erste nicht-enzymatische Methode zur Methyl-initiierten Zyklisierung (NEMTC-Reaktion) unter milden Bedingungen entwickeln. 
Die Methode basiert auf einfachen, kommerziell erhältlichen Reagenzien, läuft bei Raumtemperatur ab und toleriert eine Vielzahl von Substraten, einschließlich (Hetero)arene als terminierende Einheiten. Die Reagenzkombination zeigt eine hohe Toleranz gegenüber funktionellen Gruppen, einschließlich Sauerstoff-, Stickstoff- und Schwefel-basierter Funktionalitäten, und erzeugt einzigartige Strukturen mit mehrfach substituierten Kohlenstoffzentren in guten bis exzellenten Ausbeuten. Im Gegensatz zu enzymatischen Verfahren ist diese Methode nicht durch Substratspezifität eingeschränkt und erweitert den Zugang zu bisher unerforschten molekularen Strukturen erheblich, da sie sich von den natürlichen C5-Isoprenbausteinen abhebt. Die Nützlichkeit dieser Methode wurde durch ihre Anwendung zur Herstellung von Ironen demonstriert, wobei die selektive Aktivierung einer einzelnen Alkeneinheit innerhalb einer Polyalken-Kette erreicht wurde (siehe Abbildung 1).
Der Reaktionsmechanismus, der in detaillierten theoretischen Studien und in Kollaboration mit Ass. Prof. Maren Podewitz (TU Wien) untersucht wurde, umfasst einen zweistufigen kationischen Prozess: eine geschwindigkeitsbestimmende Silber(I)-vermittelte Methylübertragung, gefolgt von einer Gegenionen-abhängigen Deprotonierung, die für die bemerkenswerte Selektivität entscheidend ist. Die entwickelte Methodik stellt eine wertvolle Erweiterung des synthetischen Werkzeugkastens dar.

Gruppenfoto im Freien, das die vier Wissenschaftler zeigt.

Von links: Elias Schmidhammer, Immanuel Plangger, Sebastian Schaar und Thomas Magauer

Von links: Elias Schmidhammer, Immanuel Plangger, Sebastian Schaar und Thomas Magauer auf einer Grünfläche auf dem Unigelände. Im Hintergrund die Nordkette und weitere Uni-Gebäude.

Das Projekt wurde vom Europäischen Forschungsrat im Rahmen des Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramms der Europäischen Union, dem Centrum für Molekulare Biowissenschaften (CMBI) und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unterstützt.

(Magauer/red)

PublikationNon-enzymatic methylcyclization of alkenes. Immanuel Plangger, Elias Schmidhammer, Sebastian Schaar, Klaus Wurst, Maren Podewitz and Thomas Magauer. Nature Chemistry March 7, 2025
DOI: 10.1038/s41557-025-01774-3

Nach oben scrollen