Julian Just steht mit verschränkten Armen

Julian Just ist als Postdoc am Institut für Management und Marketing der Universität Innsbruck tätig und erforscht, wie Künstliche Intelligenz in der frühen Phase des Innovationsprozesses eingesetzt werden kann.

Zukunfts­wei­sende Ideen durch KI

Innovative Ideen sind der Treibstoff für den Fortschritt in Unternehmen. Wie KI-Systeme sich auf die Entwicklung, Bewertung und Auswahl neuer Ideen auswirken, untersucht der Innovationsforscher Julian Just.

Sie übersetzt Fremdsprachen, fasst Bücher zusammen, zeichnet Bilder und liefert Inspirationen für die Urlaubsplanung – Künstliche Intelligenz (KI) zählt zu den transformativsten Technologien der letzten Jahre. Sie verändert grundlegend die Art und Weise, wie Menschen recherchieren, lernen, kommunizieren, mit Technologie interagieren und insbesondere wie sie arbeiten.

In immer mehr Unternehmen sind KI-Systeme in der Texterkennung und -verarbeitung, der Datenanalyse, der Prozessautomatisierung oder der Entscheidungshilfe im Einsatz. Sie können Prozesse erleichtern, Übersichtlichkeit schaffen, Zeit einsparen und überdies bei der Entwicklung neuer Ideen in Innovationsprozessen unterstützen – aber kann KI auch selbst innovativ sein oder uns zumindest dabei helfen? 

Im Front End von Innovationsprozessen

„Viele verstehen eine Innovation erst dann als solche, wenn sie auf dem Markt angekommen ist“ sagt Julian Just. „Im Innovationsmanagement hingegen betrachten wir den gesamten Prozess angefangen von der Identifikation relevanter Probleme oder Trends“. Just ist als Postdoc am Institut für Management und Marketing der Universität Innsbruck tätig und erforscht, wie Künstliche Intelligenz in der frühen Phase des Innovationsprozesses – dem sogenannten Front End – zum Problemverständnis, der Ideenfindung, -bewertung und -selektion in Unternehmen eingesetzt werden kann und diese Prozessschritte verändert.

Einen besonderen Fokus richtet Just auf die Nutzungsmöglichkeiten natürlicher Sprachverarbeitung (engl. Natural Language Processing, kurz NLP). NLP-Systeme, wie z.B. ChatGPT, werden durch Techniken des maschinellen Lernens trainiert, um menschliche Sprache zu verstehen (Natural Language Understanding) und zu erzeugen (Natural Language Generation). „In Texten steckt so viel Wissen. Und Innovation hat sehr viel mit Wissen zu tun – insbesondere damit wie man Wissen neu verstehen und kombinieren kann“, begründet Just seinen Forschungsschwerpunkt.

KI verschafft uns mehr Zeit 

Im Innovationsprozess von Unternehmen kommen NLP-Systeme in verschiedenen Phasen zum Einsatz. „Die Digitalisierung hat zu einer hohen Informationsdichte geführt. KI kann dabei unterstützen große Mengen an Wissen zu sammeln und zu strukturieren. Dieses Screening hilft Unternehmen bei der Identifikation von Innovationsfeldern“, weiß Just.

KI-Systeme können über Textgenerierungsmechanismen auch selbst Ideen formulieren und in ihren Bewertungs- und Auswahlprozess einbezogen werden. Allerdings arbeitet KI immer nur auf Grundlage des Wissens, das es schon gibt bzw. dem System gegeben wird. „KI kann im Gegensatz zum Menschen nicht in die Zukunft denken“, betont Just. Deswegen mangle es den KI-Ideen oft an Diversität hinsichtlich neuer Sichtweisen und Möglichkeiten der praktischen Umsetzung. „Was die KI aber kann, ist uns Arbeit abnehmen und zusätzliche Zeit verschaffen, um herauszufinden, welche Idee vielleicht die ist, die den Unterschied macht.“  

Effektive Anwendung in Unternehmen

Den Einfluss von KI im Innovationsprozess, erforscht Just praxisnah mit verschiedenen Unternehmen. Wie gut die Zusammenarbeit mit der KI tatsächlich funktioniert, hängt zunächst von der Problemstellung ab. „Wenn ein Problem oft vorkommt, ist wahrscheinlich viel Information dazu unterwegs. Dann kann z.B. ein klassisches GPT-Modell auf viel Information zurückgreifen. Wenn es sich um eine neue oder besonders komplexe Problemstellung handelt, kann die KI zwar unterstützen, weil sie in der Lage ist bestehendes Wissen zu kombinieren, aber es ist schwierig einzuschätzen, wie innovativ die KI wirklich sein kann“, sagt Julian Just. Auch das richtige Prompten – also die Anweisung, die an ein KI-System gerichtet wird, um den kreativen Prozess zu initiieren – spielt eine entscheidende Rolle in der Frage, ob es letztendlich zu Innovationsvorteilen kommen kann oder nicht.

Der richtige Eingabebefehl – aber auch die Fähigkeit generierte Vorschläge zu bewerten und auszuwählen – basiert auf der Expertise der Mitarbeiter:innen eines Unternehmens. „Ein:e Mitarbeiter:in mit hoher Expertise kann neben der Eingabe auch besser mit komplexen Ideen umgehen, weil er oder sie auf einen großen Wissensschatz zurückgreifen und besser einschätzen kann, welche Vorschläge von der KI relevant sind und welche nicht. Ein:e Mitarbeiter:in mit weniger Erfahrung hingegen, kann durch die Fülle der Vorschläge, die die KI liefert, überfordert sein und vielleicht schlechter entscheiden, welche Idee mehr Potenzial hat“, betont Just.

Ökologische Herausforderungen

Neben der effektiven Integration von KI-Technologien in den Innovationsprozess, beschäftigt sich Just auch mit den ökologischen Auswirkungen der KI-Anwendung. „Aspekte der Nachhaltigkeit werden viel zu selten berücksichtigt in dem Hype um die neuesten KI Modelle“, gibt er zu Bedenken. Die Anwendung von KI-Technologien, aber auch Rechenzentren sowie die Produktion und der Betrieb von Hardware, die die Infrastruktur der KI bilden, verbrauchen viel Energie und tragen erheblich zu globalen Treibhausgasemissionen bei. „Im Angesicht der ökologischen Herausforderungen unserer Zeit, muss in Zukunft sorgfältig abgewogen werden, in welchen Prozessen KI wirklich einen Mehrwert bieten kann, schließlich kann sie auch die Entwicklung innovativer Ideen im Bereich der Nachhaltigkeit unterstützen“, ergänzt Julian Just abschließend.

Zur Person 

Julian Just studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Graz und Strategisches Management an der Universität Innsbruck. Seit 2023 ist er PostDoc-Forscher im Team Innovation und Entrepreneurship am Institut für Management und Marketing der Universität Innsbruck und beschäftigt sich mit den Auswirkungen von AI-Technologien – insbesondere natürlicher Sprachverarbeitung – auf das Management von Innovationsprozessen. 

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 02/24 des Forschungsmagazins der Universität Innsbruck erschienen.

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