Richard Stöhr und Ludwig Hörbst

Foto: Richard Stöhr und Ludwig Hörbst (v.l.)

Lud­wig Hörbst und Richard Stöhr

An der medizinischen Fakultät Innsbruck wurden nach dem „Anschluss“ – neben den bereits porträtierten Professoren Gustav Bayer, Ernst Theodor Brücke und Wilhelm Bauer – weitere Angehörige des wissenschaftlichen und ärztlichen Personals aufgrund politischer Weisung entfernt.

So erklärte Ludwig Kofler, Pharmakognosieordinarius und Gaudozentenbundführer, Anfang Mai 1938 gegenüber Mediziner-Dekan Franz Josef Lang: „Ich ersuche folgenden Hilfsärzten mit Rücksicht auf ihre politische Einstellung zu kündigen: Dr. Anton Liener, Dr. Johann Guberth, Dr. Josef Bergmann, Dr. Josef Hackhofer.“

Über den Assistenten Ludwig Hörbst (1903-1981) wurde mit der Begründung „war in Schutzhaft und infolgedessen enthoben“ am 23. April 1938 die Entlassung ausgesprochen. Nach 1945 konnte Hörbst die vakante Lehrkanzel der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde übernehmen. Von 1953 bis 1955 war Hörbst Dekan der Medizinischen Fakultät, 1964/65 Rektor der Universität Innsbruck.

Auf  Druck der nationalsozialistischen Studentenvertreter wurde der Ordinarius der Medizinischen Chemie Martin Henze (1873-1956) im April 1938 „für den Rest des Sommer-Semesters als untragbar bezeichnet“. Henzes Assistent Richard Stöhr (1902-1991), der 1945 in die Professur seines Lehrers einrücken konnte, wurde verfolgt, da er mit einer „Halbjüdin“ verheiratet war. Rektor Harold Steinacker machte die ns-rassistischen Kategorien wie selbstverständlich zu universitätseigenen Denkbegriffen, wenn er am 6. Juni 1939 erklärte: „Der Privatdozent Dr. Richard Stöhr hat als solcher keinen Beamtencharakter. Er würde einen solchen erst durch Verleihung einer Dozentur der neuen Ordnung empfangen. Dies wird aber nicht wohl möglich sein, denn er ist mit einer Halbjüdin verheiratet. Er hat daher noch 1938 seine Assistentenstelle zurückgelegt.“

Dem vormaligen Innsbrucker Assistenten der Pathologischen Anatomie Leo Haslhofer (Jg. 1901), später Primarius am Krankenhaus der Stadt Wien-Lainz, wurde die Innsbrucker Lehrbefugnis im Zuge eines Umhabilitationsgesuchs an die Universität Wien Ende 1938 entzogen. Der Dekan der Medizinischen Fakultät Wien Eduard Pernkopf schrieb am 3. November 1938 an seinen Innsbrucker Amtskollegen:

„Der mit dem Titel eines außerordentlichen Professors bekleidete Privatdozent für pathologische Anatomie an der Universität Innsbruck, Dr. Leo Haslhofer, hat h.o. um die Verleihung der venia legendi für pathologische Anatomie als Privatdozent der Universität Wien angesucht. Der NSD Dozentenbund hat diese Habilitation aus politischen Gründen abgelehnt. Ich beehre mich die Anfrage zu richten, ob die Universität Innsbruck bzw. der dortige NSD Dozentenbund die venia legendi dem Dr. Haslhofer bezw. den Titel eines a.o. Professors beläßt oder zu entziehen beabsichtigt.“

Gaudozentenbundführer Ludwig Kofler ersuchte den Innsbrucker Dekan daraufhin am 19. November 1938: „Ich bitte, dem Dr. Haslhofer die venia legendi und den Titel eines a.o. Professor zu entziehen, da Dr. Haslhofer ein aktiver Vertreter der Systemregierung war.“

Rektor und Dekan stimmten zu.

Gegen Franz Schmuttermayer, Assistent an der psychiatrisch-neurologischen Klinik, wurde am 18. November 1938 die „sofortige fristlose Entlassung“ ausgesprochen und ein Verfahren beim „Untersuchungsausschuß beim Reichsstatthalter“ beantragt, da ihm die NS-Behörden vorwarfen, schon 1935 den Salzburger Erzbischof und das austrofaschistische Unterrichtsministerium über zunehmende illegale NS-Aktivitäten von Innsbrucker Klinikärzten und Dozenten (vor allem jene des Psychiaters Otto Reisch) informiert zu haben.  Der Medizinerdekan Lang erklärte im November 1938 gegenüber Schmuttermayer: „Über Einschreiten des NSD-Dozentenbundes sehe ich mich veranlaßt, Sie mit sofortiger Wirkung von ihrem Dienst zu entheben.“ Nur Tage zuvor hatte der ehemalige Innsbrucker Physiologiedozent und nunmehrige nationalsozialistische Staatskommissär für Erziehung, Kultus und Volksbildung Friedrich Plattner von Rektor Harold Steinacker die Entlassung Schmuttermayers gefordert:

„In der Anlage übersende ich Ihnen Photokopie eines Schreibens, das Dr. Franz Schmuttermayer im Jahre 1935 an den Erzbischof von Salzburg gerichtet hat. Aus diesem Schreiben geht wohl eindeutig hervor, daß Schmuttermayer dem Erzbischof mehrfach über Kollegen Bericht erstattet hat. Daß diese Berichte vom System verwertet wurden, geht daraus hervor, daß dieser Brief in der Spezialkorrespondenz [Unterrichtsminister Hans] Pernters hier aufgefunden wurde. Ich erachte es für unerläßlich, daß gegen Schmuttermayer auf Grund dieses Tatbestandes mit Entlassung vorgegangen wird.“

Leo Kumer (1886-1951), 1928 ernannter Vorstand der dermatologischen Klinik, wurde im März 1938 wegen angeblicher „Führer“-Schmähung und wegen fehlender Distanz zur „Vaterländischen Front“ „auf Veranlassung der Ärzteschaft für einige Stunden in Schutzhaft genommen und enthoben“. Rektor Steinacker wollte aber Kumers Meriten um die deutschnationale Sache nicht vergessen. Kumer, der 1939 Primar am Wiener Wilhelminenspital werden sollte, gab folgende „Mitgliedschaft[en] in nationalen Verbänden“ an: „Wiener akad. Burschenschaft Silesia, Alldeutscher Verband, Verein deutscher Ärzte, Verband alter Burschenschafter, Schulverein Südmark, - Politische Betätigung: Großdeutsche Volkspartei“. In seiner Eingabe zugunsten Kumers gebärdete sich Steinacker am 16. Dezember 1938 als akademischer Antisemit:

„Die schwerwiegendste der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen hat sich nach den Rektoratsakten und den vom Dozentenbund durchgeführten Erhebungen als unzutreffend erwiesen. Es scheinen von seiner Seite wohl Ungeschicklichkeiten und ein gewisser Mangel an Widerstandskraft gegen den Druck des Systems vorzuliegen. Das Alles geht aber kaum über das Maß dessen hinaus, was vielleicht auch bei anderen im Amte belassenen Persönlichkeiten vorliegt und scheint mit dem Verlust des akademischen Lehramtes hart genug abgegolten. Jedenfalls wäre es nach meiner Meinung nicht gerechtfertigt Professor Kumer zu verwehren, seine Arbeitskraft und sein reiches ärztliches Wissen auf einem neuen Posten der Volksgesundheit zu widmen, besonders da die Dermatologie in der Ostmark ein besonders stark verjudetes und in der Ära Arzt-Kerl auch sonst mit politisch unzuverlässigen Elementen durchsetztes Fach ist. Unter diesen Umständen läßt es sich wohl schwer verantworten, einen hervorragenden arischen Fachmann auszuschalten.“

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ 1938 war der erst wenige Wochen zuvor ernannte Professor der Psychiatrie und Neurologie Hubert Urban (1904-1997) entlassen worden, da er „gegen den ausdrücklichen Willen der Fakultät allein wegen seiner politischen Einstellung“ auf Grund eines Sondervotums  der „Dienststelle der Vaterländischen Front an der Universität Innsbruck“ ernannt worden sei. Urban wurde 1945 neuerlich in seine Professur eingesetzt.

(Universitätsarchiv)

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