Ernst Theodor Brücke (1880–1941)

Foto: Ernst Theodor Brücke (1880-1941)

Ernst Theo­dor Brü­cke (1880–1941)

Ernst Theodor Brücke (1880-1941) lehrte von 1916 bis zur Entlassung durch das NS-Regime im April 1938 an der Universität Innsbruck. Er war ein Enkel von Ernst Wilhelm Brücke, dem Wiener Mitbegründer der modernen Physiologie.

Die Medizin verdankt Ernst Theodor Brücke, einem Schüler des Leipziger Experimentalpsychologen und Physiologen Ewald Hering, grundlegende Forschungen zur Nervenphysiologie, ein Verfahren der „schwebenden Reizung“, bei dem reflexerregende und reflexhemmende Nerven gleichzeitig aktiviert werden. Seine Beiträge zur physiologischen Optik sowie zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte zogen zahlreiche Forscher nach Innsbruck. Die Fakultät notierte 1916 bei Brückes Berufung von Leipzig an die Innsbrucker Universität:

Zusammenfassende Darstellungen lieferte v. Brücke in einer Antrittsvorlesung, in welcher er die Bedeutung Pawlows für die Gehirnphysiologie hervorhebt und zu zeigen versucht, daß sich neuere psychologische Forschungen für die Gehirnphysiologie verwerten lassen.“

Brücke gilt heute als einer der Pioniere der Neurobiologie. Brückes Institut wurde Anlaufstelle der internationalen Forschung. Seinen Innsbrucker Institutskollegen Ludwig Haberlandt (1885-1932) bezeichnete der „Vater der Antibabypille“, Carl Djerassi, als einen Pionier der Hormonforschung.

Brückes Assistentin Helene Wastl-Lippay, eine erste österreichische habilitierte Medizinerin, musste 1938 die Universität Wien verlassen und in die USA emigrieren. Die Innsbrucker Universität entzog ihr das medizinische Doktorat.

Brücke - 1926/27 Rektor der Universität Innsbruck - war bereits vor dem „Anschluss“ antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Für ihn erschütternd war, dass zwei seiner habilitierten Assistenten, Friedrich Plattner und Otto Reisch, an der „NS-Wissenschaftspolitik“ und „NS-Medizin“ beteiligt waren.

Am 14. April 1938 begründete das Rektorat der Universität Innsbruck Brückes Entlassung mit dem Druck der nazistischen Studentenschaft: Aufgrund seiner Abstammung „konnte [Brücke] den Amtseid nicht leisten“ undwar „vom NSStB [Nationalsozialistischer Studentenbund] für untragbar erklärt“ worden.

Schon Ende März 1938 hatte die damalige Universitätsleitung in einem rassistischen Ton ausgeführt: „Professor Dr. Ernst Brücke hat am 28.III. aus dem Grunde um vorläufige Beurlaubung gebeten, weil er noch nicht sicher weiß, ob er den erforderlichen Nachweis seiner arischen Abstammung wird erbringen können.“

Mit Glück konnte Brücke 1939 noch nach Amerika emigrieren, und mit Hilfe eines Stipendiums an der Harvard Medical School forschen. Zwei Wochen vor seinem Tod schrieb er am 31. Mai 1941 aus dem Bostoner Exil:

„Leider habe ich über die Verlängerung meines Stipendiums hier noch immer nichts gehört, ich werde schon sehr ungeduldig, und der Gedanke, was ich anfangen soll, wenn ich nicht hier weiterarbeiten kann, beschäftigt mich sehr.“

Literatur

Ernst August-Seyfarth: Ernst Theodor Brücke (1880-1941): „Was ich anfangen soll, wenn ich nicht hier weiter arbeiten kann, beschäftigt mich sehr.“, in: Neuroforum 1/97, 32f.

(Text: Universitätsarchiv)

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