Student Paper Series #1/2025
This article is part of the Student Paper Series.
Von David Niedertscheider-Plotegher
In Österreich drängt sich schon seit längerer Zeit die Vermutung auf, dass die Bevölkerung je nach Höhe des Einkommens stark unterschiedlich wählt. Wahltagsbefragungen zeigen erhöhte Popularitätswerte für die Grünen bei Menschen mit höherer Bildung und niedrige Popularitätswerte unter Menschen mit niedrigerem Bildungsabschluss. Bei der FPÖ verhält es sich vice versa. Unter der Berücksichtigung, dass das Einkommen mit dem Bildungsgrad steigt, lassen sich die Parteienpräferenzen auch auf Einkommensgruppen übertragen: Je ärmer, desto eher wählt man FPÖ. Je reicher, desto wahrscheinlicher landet das Kreuz bei den Grünen.
Dem entgegen steht die politikwissenschaftliche Theorie des pocket-book economic voting (PBEV). Diese geht davon aus, dass Menschen so wählen, wie es ihre persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse nahelegen. Sie wählen jene Partei(en), die ihren geldwerten Nutzen maximieren. Demnach sollten also ärmere Menschen Parteien mit ökonomisch linken Positionen (z.B: Vermögensbesteuerung, Ausbau Sozialleistungen, Umverteilung,...) bevorzugen, während reichere wirtschaftlich rechte Parteien (Positionen z.B: keine neuen Steuern, begrenzter Sozialstaat, geringe Umverteilung,...) wählen sollten. Um diese Theorie für Österreich zu untersuchen, analysierte ich zunächst die Wahlprogramme der Parteien zur Nationalratswahl 2019, wobei ich bei der Links-Rechts-Einordnung lediglich Programmpunkte ökonomischer Natur (Steuern, Umverteilung, Sozialversicherung, Arbeitsbedingungen, usw.) erfasste und ausdrücklich keine gesellschaftspolitischen Punkte, da diese keinen direkten geldwerten Nutzen stiften. Spielt die PBEV-Theorie demnach keine Rolle in Österreich? Die Ergebnisse zeigten folgendes:
Angepasst an die Länge der Wahlprogramme ergaben sich folgende Überhänge („rechte Punkte“ minus „linke Punkte“ pro Seite):
Den linken Parteien (SPÖ, Grüne) stehen rechte bis moderate (NEOS, FPÖ, ÖVP) gegenüber. Diese Einteilung in zwei Kategorien ist aufgrund der Zahlenabstände und auch aufgrund des bisherigen Wissens über die Parteipositionen vertretbar. Die Theorie erwartet somit, dass ein niedrigeres Einkommen zu einer höheren Popularität der linken Parteien führt. Beim höheren Einkommen sollte es sich umgekehrt verhalten. Eine Reihung der einzelnen Parteien innerhalb der linken bzw. rechten bis moderaten Parteien (z.B. NEOS deutlich rechter als FPÖ und daher „rationaler“ für Besserverdienenden) halte ich aufgrund der einmaligen Analyse für nicht zielführend.
Untersucht man den Einfluss von Medianeinkommen auf Gemeindeebene auf die zugehörigen Nationalratswahlergebnisse, so zeigt sich bei allen untersuchten Nationalratswahlen (2017, 2019, 2024), dass die Erwartungen der PBEV-Theorie nicht zutreffen und dass es sich genau so verhält, wie im vorherigen Absatz geschildert: Mit steigendem Medianeinkommen wählen Gemeinden verstärkt linke Parteien während Gemeinden bei abnehmendem Einkommen verstärkt rechte bis moderate Parteien – außer den NEOS – wählen. Die NEOS sind die einzige Partei, die aus der Reihe tanzt und tatsächlich verstärkt von jenen Menschen gewählt wird, für deren unmittelbare und persönliche wirtschaftliche Interessen sie eintritt. In einer Grafik veranschaulicht, erwartet die Analyse je nach Median-Jahreseinkommen (in Tsd. €) und Urbanisierung der Gemeinde folgende Wahlergebnisse für den Stimmanteil der rechten bis moderaten Parteien (aufsummiert) bei der Wahl 2024 in Prozent:
Man kann erkennen, dass die Aussichten für die rechten bis moderaten Parteien insgesamt besser sind, je ländlicher die Gemeinde und je geringer das Einkommen (Ausnahme: NEOS).
Insgesamt muss man daher – aus Sicht des ökonomischen, nur an persönlich-wirtschaftlichen Gesichtspunkten interessierten Wählers – das Wahlverhalten der Österreicherinnen und Österreicher als nicht von persönlichen wirtschaftlichen Interessen geprägt bezeichnen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass für Wahlentscheidungen in Österreich gesellschaftlich-kulturelle Themen für die Menschen vergleichsweise eine weitaus wichtigere Rolle spielen.
Über den Autor
David Niedertscheider-Plotegher ist Studierender der Politikwissenschaft und der Wirtschaftswissenschaften sowie als studentischer Mitarbeiter in Forschung und Verwaltung an beiden Instituten beschäftigt. Sein besonderes Forschungsinteresse gilt neben den Internationalen Beziehungen der Schnittmenge aus Politikwissenschaft mit den Wirtschaftswissenschaften (z.B. Ökonomische Wahltheorien, Unternehmensstrategien in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten etc.).
Zitieren
Niedertscheider-Plotegher, David (2025): Die Bedeutungslosigkeit des Einkommens für die Wahlentscheidung in Österreich, Powi Blog, Institut für Politikwissenschaft, Universität Innsbruck, https://www.uibk.ac.at/de/politikwissenschaft/kommunikation/powi-blog/niedertscheider-wahlen/.
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