Ordnung zur Sicherung und Nutzung der Archive der Katholischen Kirche in der Diözese...
(Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz, Nr. 21 vom 15. Dezember 1997, II. 3.)
Zur Regelung des kirchlichen Archivwesens in der (Erz)Diözese ... wird im Sinne der Bestimmungen des allgemeinen Kirchenrechts insbesondere c 491 CIC, für den staatlichen Bereich unter Bezugnahme auf Artikel 1 § 2 des Konkordats (5. 6. 1933 BGBI II Nr 2/1934) folgendes allgemeine Dekret erlassen:
§ 1 Grundsätzliches
- Die Katholische Kirche ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig. Sie regelt daher auch ihr Archivwesen eigenständig.
- Die Archive der Katholischen Kirche dokumentieren deren Wirken; sie dienen der Verwaltung der Kirche und der Erforschung ihrer Geschichte. Die kirchlichen Archive werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen für eine Nutzung geöffnet.
- Zwingende Bestimmungen des staatlichen Rechts, die auf kirchliche Archive und deren Inhalte anwendbar sind (insbesondere Personenstandsgesetz, Denkmalschutzgesetz, Datenschutzgesetz) bleiben durch dieses Dekret unberührt.
§ 2 Geltungsbereich
Die Bestimmungen dieser Verordnung gelten für das Diözesanarchiv, die Pfarrarchive und die sonstigen der Leitung oder Aufsicht des Diözesanbischofs unterstehenden Archive bzw. Registraturen.
§ 3 Verwaltung von Registratur- und Archivgut
- Amtliches Schrift- und Dokumentationsgut sind alle Unterlagen, die aus der Tätigkeit kirchlicher Stellen erwachsen. Hierzu gehören Urkunden, Akten, Amtsbücher, Einzelschriftstücke, Karteien, Dateien, Karten, Pläne, Zeichnungen, Plakate, Siegel, Druckerzeugnisse, Bild-, Film- und Tondokumente sowie automationsunterstützte und sonstige Informationsträger.
- Amtliches Schrift- und Dokumentationsgut ist mit größter Sorgfalt nach Maßgabe der folgenden Absätze zu verwalten und aufzubewahren. Diese Aufgabe obliegt allen aktenführenden kirchlichen Stellen, insbesondere den Registraturen und Archiven.
- Schrift- und Dokumentationsgut, das für die laufende Tätigkeit nicht mehr benötigt wird, ist dem zuständigen Archiv unaufgefordert zur Übernahme anzubieten, jedenfalls 30 Jahre nach Schließung der Akte bzw. Erledigung des Vorganges.
- Dürfen Unterlagen nach anderen Rechtsvorschriften vernichtet oder gelöscht werden, sind sie dessen ungeachtet dem zuständigen Archiv zur Übernahme anzubieten, wenn nicht rechtliche Verpflichtungen zur Vernichtung oder Unkenntlichmachung vorliegen. Art und Umfang der Unterlagen sind von der abgebenden Stelle im Einvernehmen mit dem zuständigen Archiv vorab im Grundsatz festzulegen. Für programmgesteuerte, mit Hilfe von Datenverarbeitungsanlagen geführte Datenbestände ist ferner festzulegen, in welcher Darstellung die zu archivierenden Daten bereitgestellt werden können. Hierbei sollte eine Darstellung in konventioneller Form angestrebt werden, die ein Lesen der Unterlagen ohne höheren technischen Aufwand ermöglicht.
- Das Archiv entscheidet nach Anhörung der abgebenden Stelle gemäß der Kassationsordnung über die Archivwürdigkeit des Schrift- und Dokumentationsgutes. Amtliches Schrift- und Dokumentationsgut wird mit der Übernahme ins Archiv zu Archivgut. Das Archiv sorgt für die Ordnung, Verzeichnung, Erhaltung und Erschließung des Archivguts zur Ermöglichung der Nutzung durch Verwaltung und Forschung.
- Das Archiv sammelt und bewahrt auch Schrift- und Dokumentationsgut anderer Provenienz, sofern es für die kirchengeschichtliche bzw. lokalgeschichtliche Forschung von Bedeutung ist. Dies gilt insbesondere für Sammlungen und Nachlässe.
- Das Diözesanarchiv verwahrt nach Maßgabe der Möglichkeiten auch das Schrift- und Dokumentationsgut solcher Provenienzen seines Sprengels, deren Stellen für eine dauerhafte Erhaltung ihres Schriftgutes keine Gewähr bieten.
- Über die Verwahrung fremden Archivgutes ist eine schriftliche Vereinbarung (samt angeschlossenem Inventar) abzuschließen.
- Das Archiv hat im Rahmen seiner Möglichkeiten die Aufgabe, das in seiner Obhut befindliche Archivgut selbst zu erforschen und zu veröffentlichen bzw. Forschungen anzuregen.
§ 4 Nutzung kirchlichen Archivguts durch abgebende Stellen
Abgebende Stellen haben das Recht, das bei ihnen entstandene Archivgut zu nutzen. Das gilt auch für deren Rechtsnachfolger.
§ 5 Nutzung kirchlichen Archivguts durch Privatpersonen
- Jedermann, der sein rechtliches Interesse glaubhaft macht, hat das Recht, zur Führung von Standesnachweisen authentische Abschriften nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erhalten.
- Diesem Personenkreis kann auf Antrag eine Nutzung nicht gesperrten kirchlichen Archivguts gewahrt werden soweit es Angaben zu seiner Person enthält. Dies gilt nicht, wenn einer Nutzung überwiegende berechtigte Interessen des Archivalieneigners, des Archivalienabgebers oder eines Dritten entgegenstehen.
§ 6 Sonstige Nutzung kirchlichen Archivguts
- Bei Vorliegen berechtigten Interesses kann auf Antrag an das zuständige Archiv eine Nutzung kirchlichen Archivguts erlaubt werden, soweit die in § 7 aufgeführten Nutzungsvoraussetzungen erfüllt sind und das Archivgut keinen Sperrfristen gemäß § 8 unterliegt. Ein berechtigtes Interesse liegt u. a. vor, wenn mit der Nutzung amtliche, historisch-wissenschaftliche oder pädagogische Zwecke verfolgt werden.
- Die Benützung des Archivgutes erfolgt ausschließlich unter Aufsicht im Archiv. Ein Anspruch auf Abschriften oder Kopien besteht nicht.
- Editionen und Reproduktionen von Archivgut bedürfen einer eigenen Genehmigung durch das zuständige Archiv.
- Bei Verwertung von Archivgut hat der Benutzer berechtigte Interessen und die Persönlichkeitsrechte anderer Personen sowie die Vorschriften des Urheberrechtes zu beachten. Zuwiderhandlungen hat er selbst zu vertreten.
- Weitere Einzelheiten der Nutzung werden durch entsprechende Ordnungen der Archive geregelt.
§ 7 Nutzungsvoraussetzungen
Voraussetzung für die sonstige Nutzung von Archivgut ist, dass
A | B |
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a) | der betreffende Bestand geordnet ist, |
b) | das Archivgut nicht schadhaft ist oder durch eine Benützung keinen Schaden nimmt, |
c) | der Antragsteller in der Lage ist, das Archivgut unabhängig von Hilfeleistungen durch das Archivpersonal zu benutzen, |
d) | das Nutzungsanliegen des Antragstellers in einem angemessenen Verhältnis zum Arbeitsaufwand des Archivpersonals steht. |
§ 8 Sperrfristen
- Grundsätzlich ist Archivgut, dessen Schlussdatum weniger als 50 Jahre zurückliegt, von einer Nutzung durch Dritte ausgeschlossen.
- Einzelne Aktengruppen und Aktenstücke können von der Benutzung durch Dritte ausgenommen werden.
- Besondere Sperrfristen gelten für:
Personalakten und personenbezogenes Archivgut: 50 Jahre nach Tod der betroffenen Person und für Archivgut, für das der Abgeber spezielle Regelungen angeordnet hat.
- Eine Verlängerung der Sperrfrist ist aus wichtigem Grunde möglich. Dies gilt insbesondere für Archivgut, durch dessen Nutzung das Wohl der Kirche, schutzwürdige Belange Dritter oder Interessen Betroffener gefährdet oder Persönlichkeitsrechte, Regelungen des staatlichen oder kirchlichen Datenschutzes oder das Steuergeheimnis verletzt würden. Falls der Zweck dieser Vorschriften auch durch Auflagen für die Nutzung und Verwertung (etwa durch Anonymisierung) erreicht wird, kann dieses Archivgut zur wissenschaftlichen Benutzung freigegeben werden.
§ 9 Sondergenehmigungen
- Für wissenschaftliche Forschung kann in begründeten Ausnahmefällen eine Sondergenehmigung zur Nutzung von Archivgut erteilt werden, das noch einer Sperre unterliegt.
- Für eine Sondergenehmigung ist ein schriftliches Gesuch über das zuständige kirchliche Archiv an den Ordinariatskanzler zu richten. Der Leiter des Diözesanarchivs übernimmt die Vorprüfung des Gesuches.
- Nach Abschluss der Vorprüfung fällt der Ordinariatskanzler die Entscheidung über das Gesuch. Das Ergebnis wird dem Gesuchsteller durch das Archiv mitgeteilt.
§ 10 Verfahren
- Bei Versagung der Nutzung durch das Archiv oder gegen eine Verlängerung der Sperrfrist gemäß § 8 (4) ist die Anrufung des Ordinariatskanzlers zulässig.
- Dieser entscheidet durch Verwaltungsdekret; ein Rekurs an den Diözesanbischof ist zulässig.
§ 11 Inkrafttreten und Änderung
- Diese Ordnung tritt als allgemeines Dekret mit der Veröffentlichung im diözesanen Verordnungsblatt am ... in Kraft.
- Änderungen bedürfen der Veröffentlichung im Diözesanblatt und treten, wenn nichts anderes angeordnet ist, einen Monat nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Diese Verordnung wurde von der ÖBK am 6. November 1997 beschlossen und tritt mit der Verlautbarung in den einzelnen Diözesen in Kraft.