Finanzanlagen als Kooperation

(Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz, Nr. 74 vom 1. Jänner 2018, II. 3., S. 13–27)

Richtlinie Ethische Geldanlagen der Österreichischen Bischofskonferenz und der Ordensgemeinschaften Österreich (Kurzname FinAnKo) „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ (Mt 6,33)

1. Der Gerechtigkeit den Vorrang geben.
Theologisch-ethische Grundlegung

Die Kirche hat durch Jesus Christus eine Sendung empfangen, die zahllose Aufgaben umfasst. Diese ruhen auf einer materiellen Basis – sei es um den Betrieb und Erhalt der Einrichtungen und Werke zu garantieren, sei es um die Pensions- und Versorgungsverpflichtungen für Priester und Ordensleute sicherzustellen. Die Kirche braucht also Geld und muss dieses dauerhaft zur Verfügung stellen können. Daher muss sie Vermögen erwerben, besitzen, verwalten und veräußern können. Dieses Vermögen ist kein Selbstzweck. Es soll jenen Aufgaben dienen, die Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern aufgetragen hat. Daher hält die Kirche an Geld und Besitz nicht ängstlich fest und hortet sie nicht, sondern setzt ihr Vermögen in aller Freiheit ein, um ihre Aufgaben zu verwirklichen. Die Höhe der Rücklagen und Veranlagungen von Geldern muss sich folglich an den Verpflichtungen orientieren, die die Kirche eingegangen ist. Zugleich ist kirchliches Vermögen immer zweckgebunden. Bei einem Wechsel der Anlageform ist daher die ursprüngliche Zweckwidmung zu beachten.

Die Anlage von Geld ist nicht ethisch neutral. „Das Kaufen ist nicht nur ein wirtschaftlicher Akt, sondern immer auch eine moralische Handlung.“ (Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si Nr. 206, zitiert Papst Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate Nr. 66). Vermögen schafft nicht nur die ökonomische Grundlage für Institutionen und Menschen, sondern vermittelt auch Einfluss auf die Strukturen einer Gesellschaft. Weil man mit ihm etwas vermag, besteht die Verpflichtung, mit dieser Fähigkeit verantwortungsvoll umzugehen. Die Welt der Geldanlage gehorcht in hohem Maße dem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Wer investiert, schafft Nachfrage. Wer bestimmte Märkte und Anbieter ausschließt, entzieht diesen Segmenten Nachfrage. Das kann zu Änderungen des Systems führen.

Wo immer die Kirche Geld anlegt, unterstützt sie damit jene Institutionen, denen sie das Geld anvertraut. Sie arbeitet mit ihnen zusammen. Damit wird sie mitverantwortlich für das, was diese Institutionen tun. Das ist der Kern der fast 500 Jahre alten moraltheologischen Lehre von der „cooperatio ad malum“, der Mitwirkung zum Bösen. In der beginnenden Neuzeit und ihrer aufblühenden Wirtschaft versucht diese Lehre, Chancen und Grenzen der Kooperation aufzuzeigen und zu begründen. Ihre sehr lebensnahen Beispiele und die daraus entwickelten Kriterien sind bis heute ein hilfreicher Maßstab für die ethische Urteilsbildung. Während es im 16. und 17. Jahrhundert aber vorwiegend um die Kooperation zwischen einzelnen Menschen ging, steht heute vor allem die Frage nach der Kooperation von Institutionen im Raum: Wie weit kann und soll die Institution Kirche ihr Geld Staaten, Unternehmen und Projekten anvertrauen, wenn sie dies guten Gewissens tun will?

In der klassischen Lehre der Mitwirkung zum Bösen wird zunächst die formale Mitwirkung an einer bösen Handlung unter allen Umständen abgelehnt. Wenn die Mitwirkung eindeutig als Zustimmung zu einer ebenso eindeutig verwerflichen Handlung verstanden werden müsste, gibt es keinerlei Spielraum. Die Investition in Staatsanleihen eines diktatorisch geführten Staates, der foltert und hinrichtet, müsste ebenso als solche Zustimmung gedeutet werden wie die Investition in ein Unternehmen, das die Menschenrechte seiner MitarbeiterInnen offenkundig mit Füßen tritt. In vielen Fällen allerdings ist die Sachlage nicht so eindeutig. Ein Staat oder ein Unternehmen tut viel Gutes, aber auch manches, was schlecht ist. Dann kann man eine Mitwirkung nicht so klar und zweifelsfrei als Zustimmung zu dem abzulehnenden Handeln interpretieren. Solche Fälle nennt die klassische Moraltheologie materiale Mitwirkung. Für sie muss man drei Aspekte bewerten:

  • Wie nah steht die Mitwirkung räumlich und zeitlich der schlechten Handlung? In ein Unternehmen zu investieren, das gerade eben im Begriff steht, etwas sehr Schlechtes zu tun, ist zum Beispiel problematischer als wenn dieses Unternehmen die schlechte Handlung für die mittlere oder ferne Zukunft nicht ausschließt.
  • Wie unmittelbar ist die Mitwirkung mit der schlechten Handlung verbunden? In ein Unternehmen zu investieren, das selbst etwas Schlechtes tut, ist zum Beispiel problematischer als wenn dieses Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu einem anderen, von ihm unabhängigen Unternehmen hat, das diese Handlung setzt. Ist dieses zweite Unternehmen ein Zulieferbetrieb, ist das zu investierende Unternehmen unmittelbarer mit ihm verbunden als mit einer Firma, die seine Waren kauft.
  • Wie notwendig ist die Mitwirkung für die Realisierung der schlechten Handlung? Ein Staat zum Beispiel ist in der Regel unabhängiger als ein Unternehmen. Wenn sich eine öffentliche Bewegung entwickelt, die einen Investitionsboykott in ein Unternehmen propagiert, wird das Unternehmen schnell einknicken. Ein Staat hat meist einen längeren Atem. Unter diesem Gesichtspunkt (!) ist es also problematischer, in ein Unternehmen zu investieren, das Verwerfliches tut, als in einen Staat, der dasselbe tut. Im Zeitalter sozialer Medien sind aber auch Investitionsboykotte gegenüber Staaten zu einem wirksamen Hebel zivilgesellschaftlichen Engagements geworden.

Die drei Kriterien müssen immer gemeinsam angewandt werden. Die Regel lautet: Je näher, unmittelbarer und notwendiger eine in Frage stehende Beteiligung für ein schlechtes Tun des zu investierenden Unternehmens oder Staates ist, umso gewichtiger müssen die Gründe sein, um diese Investition zu rechtfertigen. Es ist leicht zu sehen, dass diese komplexe Regel viel Diskussionsbedarf auslöst. Einfache Lösungen sind selten. Gerade deswegen braucht es Hilfsmittel wie diese Richtlinie, um ohne übertriebenen Aufwand gute Entscheidungen treffen zu können.

Die bisherigen Ausführungen könnten den Eindruck erwecken, es ginge der Lehre von der Mitwirkung zum Bösen vorwiegend um die Verhinderung von wirtschaftlichen Kooperationen. Das Gegenteil ist der Fall. Denn schon im 16. Jahrhundert sah man sehr klar, dass kein ökonomisches Handeln eine blütenweiße Weste ermöglicht. Irgendwo sind immer negative Nebenfolgen abzusehen. Es gilt, diese zu minimieren, sie lassen sich aber nie völlig ausschließen. Außerdem erkannte man, dass Kooperationen in der Mehrzahl der Fälle sogar „Kooperationen zum Guten“ sind und wünschenswerte Wirkungen zeitigen. Deswegen hat die Entwicklung ethischer Geldanlagen in den letzten Jahrzehnten neben negativen Ausschlusskriterien auch positive Ansätze wie „Best-in-Class“ und „Engagement“ etabliert: Wer Geld anlegt, kann und soll Entwicklungen zum Guten initiieren und fördern. „Das Geld muss dienen und nicht regieren!“ (Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium Nr. 58). Die hier vorgelegte Richtlinie bewegt sich ganz in der Linie der moraltheologischen Tradition, wenn sie eine Verbindung von Positiv- und Negativstrategien herstellt. Damit folgt sie der Einladung von Papst Franziskus, „nach einem anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu suchen“ (Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si Nr. 16).

2. Die Wirtschaftlichkeit sichern. Ökonomische Grundlegung

Produktion, Handel und Dienstleistung erfordern den Einsatz von Arbeit (Know-how) und Kapital. Wer den Produktionsfaktor Kapital zur Verfügung stellt, ermöglicht die entsprechende Leistung und erhält idealerweise einen angemessenen Anteil an ihrem Nutzen. Kapital kann in verschiedenen Formen zur Verfügung gestellt werden, die sich grob in Eigenkapital und Fremdkapital trennen lassen.

Über prinzipiell auf unbegrenzte Zeit zur Verfügung gestelltes Eigenkapital erhalten die AnlegerInnen Eigentum am Anlageobjekt, das sie u.a. zur Mitbestimmung, zur Teilhabe am Gewinn und zum Anteil an der Substanz berechtigt. Wirtschaftlicher Misserfolg kann jedoch auch zum Substanzverlust bis zum Totalverlust führen. Das bedeutendste Instrument für Eigenkapitalinvestitionen stellt an Finanzmärkten die Aktie dar.

Fremdkapital wird üblicherweise auf begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt und berechtigt dazu, das eingesetzte Kapital zurückzuerhalten. Zinserträge als Abgeltung der Geldentwertung und des Risikos honorieren den Geldeinsatz. Das Risiko besteht darin, dass die EntleiherInnen wirtschaftlich nicht oder nur teilweise in der Lage sein können, ihre Schuld zu begleichen. Übertragbare und rechtlich normierte Schuldinstrumente sind vorwiegend Anleihen und Einlagen.

Das Risiko der Geldanlage ist mit dem Scheitern einzelner Wirtschaftssubjekte oder den negativen Entwicklungen volkswirtschaftlicher Systeme verbunden. Zu einem guten Teil können sich die GeldanlegerInnen durch fachgerechte Risikostreuung schützen. In der Praxis hat sich an den Finanzmärkten für die professionell verwaltete und gut gestreute Geldanlage das Instrument des Fonds etabliert.

Stellen verantwortungsbewusste InvestorInnen ihr Kapital zur Verfügung, sind sie am langfristigen Gedeihen ihres Anlageobjektes und dessen Leistungen für die Gesellschaft interessiert. Zum Unterschied davon zielen „SpekulantInnen“ auf unverhältnismäßige und kurzfristige Gewinne. Dieser Profit kann mit „Elementen des Glückspiels“, der Ausnutzung von Zwangslagen Anderer, der Ausnutzung von Informationsvorsprüngen oder ungleicher Rahmenbedingungen einhergehen. Ethisch vertretbarer Kapitaleinsatz zielt nicht auf Spekulationsgewinne ab und darf daher jene Anlageinstrumente nicht nutzen, die bedeutende spekulative Elemente enthalten.

In den meisten Fällen ist nicht das Veranlagungsinstrument per se ethisch vertretbar oder nicht, sondern es kommt darauf an, wofür es eingesetzt wird. Daher ist zuerst auf die ethische Qualifikation der Anlageobjekte abzustellen (vgl. Kap. 5-6). Es gibt jedoch auch Veranlagungsinstrumente und Ausprägungen, die aufgrund ihrer eigenen Charakteristik ungeeignet sind, den Kapitaleinsatz mit der Förderung des Gemeinwohls zu verbinden – selbst wenn Vorteile von Produkten (wie z.B. die Diversifikation) für die AnlegerInnen verloren gehen. Spezielle Fragestellungen verbinden sich mit folgenden Produkten und Ausprägungen:

2.1 Fonds

Um die Vorteile der Risikostreuung zu erlangen, delegieren FondsinvestorInnen die einzelne Anlageentscheidung an das Fondsmanagement. Dadurch reduziert sich die Transparenz, wofür das Geld der AnlegerInnen konkret eingesetzt wird. Um dennoch Gewissheit zu haben, dass beim Investmentprozess des Fonds auf die gewünschten ethischen Kriterien geachtet wird, sind Bedingungen der Transparenz und Regel-Verbindlichkeit einzuhalten.

Vertretbar sind demnach nur Investitionen in Fonds, die in rechtlich verbindlichen Dokumenten (Fondsbestimmungen, Prospekt, wichtige Anlegerinformationen etc.) klare ethische Kriterien zusichern und deren Einhaltung nachvollziehbar machen. Aussagen, die lediglich werblicher oder unverbindlicher Natur sind, können nicht berücksichtigt werden. Fonds, die ein Gütesiegel tragen, haben sich zwar einem bestimmten Zertifizierungsprozess unterworfen, der aber nicht zwangsläufig all jene Kriterien erfüllt, die für die österreichische Kirche wesentlich sind.

Fonds werden nach unterschiedlichen Anlagestilen verwaltet. Ethisch bedenklich sind jene, bei denen der kurzfristige und spekulative Charakter der Veranlagung wesentlich ist. Dazu zählen zum Beispiel Anlagestile, die hochfrequent oder ausschließlich nach mathematisch-statistischen Methoden investieren. Fonds, deren Geschäftsmodell auf Leerverkäufen aufbaut, sind ebenso zu meiden, wie Hedgefonds, deren Geschäftsmodell die systematische Zerschlagung von funktionierenden Unternehmen ist. Wenn keine Information über die Veranlagungsmethodik veröffentlicht wird, ist ein Investment ebenso abzulehnen wie bei Modellen, deren steuerliche Transparenz nicht klar gegeben ist.

2.2 Derivative Instrumente

Derivate beziehen sich auf Wertpapiere des Eigen-oder Fremdkapitals oder andere Basiswerte wie Rohstoffe, Währungen, Indices, Zinssätze und Differenzen. Ihr Anwendungsbereich ist sehr weitreichend und oftmals mit einer weiten Distanz zum eigentlichen realwirtschaftlichen Investitionsobjekt verbunden. Je größer diese Distanz und je unübersichtlicher das erworbene oder gewährte Recht ist, desto schwieriger ist das Risikomanagement und desto geringer die Gewähr, dass letztlich mit dem Produkt nur ethisch erwünschte Effekte ausgelöst werden.

Darum ist der Einsatz von Derivaten generell mit einem deutlich höheren Maß an Zurückhaltung und Vorsicht zu verbinden. Dies wird durch die Tendenz verstärkt, dass derivative Instrumente häufig für die Umsetzung kurzfristiger Überlegungen genutzt werden und schon allein dadurch in die Nähe spekulativen Handelns rücken. Das gilt auch dann, wenn der Einsatz von Derivaten durch Finanzfachleute im Rahmen einer Vermögensverwaltung oder von Fonds erfolgt. Gleichermaßen zurückhaltend sind sogenannte „strukturierte Produkte“ zu bewerten, die üblicherweise eine fixe Kombination von Anleihe- und Derivat-Komponenten darstellen.

Ein wesentliches Anwendungsgebiet von Derivaten besteht in ethisch durchaus vertretbaren „Hedges“, also Absicherungen von Risiken, die im Wertpapierportfolio oder in der Vermögensbilanz der AnlegerInnen bestehen. Finanzfachleute, die solche prinzipiell zulässigen Absicherungsoperationen vornehmen, müssen sich aber bewusst sein, dass es im Einzelfall ethisch bedenkliche Nebenwirkungen geben kann, die das Geschäft als Ganzes verbieten. Ausschließungsgründe sind etwa:

  • Absicherungen in spekulativer Absicht zu öffnen und zu schließen,
  • durch das Sicherungsgeschäft Leerverkäufe vorzunehmen,
  • durch Sicherungsgeschäfte zur Volatilität von Preisen beizutragen, die sich auf Lebensmittel, Wohnimmobilien oder andere lebenswichtige Produkte beziehen.

2.3 Indexprodukte

Der passive Investmentstil zielt darauf ab, breit gestreute standardisierte Portfolios („Baskets“ oder Indices) anstelle von bewusst („aktiv“) zusammengestellten Portfolios zu kaufen. Wie bei Fonds dient diese Strategie der Risikostreuung. Gängige Erscheinungsformen sind börsengehandelte Fonds, Zertifikate oder Strukturierte Produkte.

Die Gewichtung von Indices kann üblicherweise nicht vom einzelnen Investor beeinflusst werden. Daher ist darauf zu achten, dass im Index zumindest alle Ausschlusskriterien der Ethikrichtlinie umgesetzt sind. Andere Techniken, die den Gemeinnutzen einer Geldanlage steigern sollen (Best-in-Class; Engagement), sind bei Indexprodukten nur eingeschränkt anwendbar. Indexprodukte zur Absicherung können nach den Grundsätzen unter Kap. 2.2 angewendet werden.

2.4 Rohstoffe

Rohstoffe werden üblicherweise in die Kategorien Energie, Edelmetalle, nicht edle Industrierohstoffe und landwirtschaftliche Rohstoffe eingeteilt. Der direkte Konnex zur Ernährung der Menschen schließt Derivate auf landwirtschaftliche Rohstoffe von Investitionen aus. Generell gilt bei allen Rohstoffen, dass mit der Investition eine Leistung und ein Nutzen geschaffen werden müssen, die den erwarteten Gewinnen angemessen sind und eine scharfe Abgrenzung zur Spekulation ermöglichen.

Einen besonderen Platz als Geldanlage nehmen seit jeher die Edelmetalle ein, namentlich Gold. Der Nutzen für die Allgemeinheit wird vielfach nur indirekt gegeben sein. So kann sich durch eine geringe Beimischung von Gold die Stabilität von Anlageportfolios verbessern. Die besondere Wertstabilität über sehr lange Zeiträume und in Zeiten der Geldentwertung oder politischer Krisen wird ebenso als Stabilitätsfaktor geschätzt wie die Transportierbarkeit in Krisensituationen. Gleichzeitig unterliegt der Goldpreis kurz- und mittelfristig beträchtlichen Schwankungen.

Die Gewinnung neuen Goldes ist oft mit Schäden für die Umwelt sowie ausbeuterischen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen verbunden. Daher bürdet die Anlage in Gold den AnlegerInnen besondere Verantwortung auf: Bei Anschaffungen ist auf die ökosoziale Zertifizierung des Materials (z.B. Fair Gold) zu achten.  Die Ausnutzung kurzfristiger Kursschwankungen in spekulativer Art (auch durch Absicherungen) ist abzulehnen. Als volatile Anlageklasse ist Gold sehr sorgfältig und professionell in den Portfoliozusammenhang einzubetten. Die gleichen Grundsätze gelten auch für indirekte Investitionen in Gold über Zertifikate oder Fonds.

2.5 Andere Investitionen in Eigenkapital

Neben der Beteiligung am Eigenkapital durch Aktien können für Finanzinvestitionen auch andere Rechtsformen in Frage kommen. Für sie sind die unter 2.1 beschriebenen Kriterien anzuwenden. Das gilt z.B. für offene und geschlossene Immobilienfonds. Transparenz ist Voraussetzung dafür, dass die AnlegerInnen zu beurteilen vermögen, ob die Nutzung der Immobilien ohne ethische Probleme erfolgt (keine nach Kap. 5-6 ausgeschlossene Nutzung) und keine spekulativen Methoden vorherrschen. Die Grundsätze müssen rechtlich verbindlich dokumentiert und ihre Umsetzung nachvollziehbar sein.

Familien und Institutionen veranlagen große Vermögen in zunehmendem Maße in „Private Equity“. Diese Anlageklasse wird direkt oder als Fonds angeboten. Dabei handelt es sich um Portfolios von Unternehmensbeteiligungen. Anders als bei Aktien nimmt der Fondsmanager bei Private Equity durch namhafte Beteiligungsanteile direkt Einfluss auf Finanzierung, Management und Strategie von Unternehmen. Ziel ist es, den Wert des Unternehmens in einem Zeitraum von üblicherweise 10 Jahren substantiell zu steigern und dieses abschließend zu veräußern.

Wenn dieser direkte Einfluss nach verbindlich dokumentierten ethisch erwünschten Grundsätzen erfolgt, kann Private Equity dem Gemeinwohl direkter nützen als der Erwerb von Aktien. Während börsennotierte Unternehmen und Fonds im Quartalsrhythmus berichten und mit manchmal sehr kurzfristigen Erfolgsmaßstäben gemessen werden, sollen sich hier Leistung und Wert eines Unternehmens in angemessenen Zeithorizonten entwickeln können. Der Umgang mit Private Equity verlangt von den AnlegerInnen jedoch zusätzliche Qualifikation, um Risiko, Ertrag und ethische Bewertung professionell einschätzen zu können.

3. Wirtschaft, die Mensch und Schöpfung dient.
Zur Verbindung von Ökonomie und Ethik

Um Geld für ihre vielfältigen Aufgaben bereitzustellen, hat die Kirche eine moralische Verpflichtung, mit Geldanlagen eine angemessene Rendite zu erzielen. Die Finanzverantwortlichen stehen vor der Herausforderung, die ethischen Werte der Kirche mit den wirtschaftlichen Anforderungen ihrer materiellen Absicherung zu vereinen. Für den Finanzbereich bedeutet dies, das anerkannte „Dreieck der Kapitalanlage“ mit den Anlagezielen Liquidität, Sicherheit und Rendite in eine ethisch-nachhaltige Wertorientierung einzubetten. Diese Verantwortung besteht nicht nur gegenüber den EigentümerInnen der Finanzmittel, was einen effizienten Einsatz und ein angemessenes Risikomanagement verlangt, sondern auch gegenüber der Gesellschaft, die durch finanzielle Entscheidungen gestaltet wird.

Als verantwortlich Investierende priorisiert die Kirche die christlichen Wertmaßstäbe und ist im Konfliktfall bereit, auf einen finanziellen Vorteil zu verzichten, wenn dies aus moralischer Sicht geboten ist. Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass in vielen Bereichen eine Veranlagung nach ethischen Kriterien längerfristig keinen Performanceverlust im Vergleich zu herkömmlichen Veranlagungen bedeuten muss. Zudem gibt es innerhalb des nach ethischen Kriterien festgelegten Anlageuniversums genügend Gestaltungsspielraum, um die ökonomisch notwendigen Ziele sicherzustellen.

4. Geschlossen auftreten.
Zu Motivation und Verbindlichkeit dieser Richtlinie

Die vorliegende Richtlinie sieht sich in Kontinuität mit der Tradition katholischer Ordensgemeinschaften, die seit den 1970er Jahren für ethische Geldanlagen eintreten und wesentlich zum Entstehen dieses Formats beigetragen haben, und in Weiterentwicklung folgender Richtlinien bzw. Orientierungshilfen:

  • der „Principles for Investments“ und „Investment Policies“ der US-amerikanischen Bischofskonferenz (USCCB) vom 12.11.2003,
  • der „Ethik-Richtlinien (Ziel-, Kriterienkatalog)“ der Österreichischen Bischofskonferenz von 2006,
  • des „Leitfadens für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ der Evangelischen Kirche in Deutschland in der 3., aktualisierten Auflage vom September 2016 (1. Auflage vom September 2011) und
  • der Orientierungshilfe für Finanzverantwortliche katholischer Einrichtungen in Deutschland „Ethisch-nachhaltig investieren“ des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) von 2015.

Die hier vorgelegte Richtlinie bezieht sich nur auf Finanzinvestitionen, nicht auf strategische Beteiligungen an Unternehmen oder den direkten Besitz von Immobilien oder Produktionsmitteln. Sie ist überall dort rechtlich bindend, wo sie von den jeweils zuständigen EntscheidungsträgerInnen in Kraft gesetzt worden ist. Dabei zielt sie auf eine flächendeckende Verbindlichkeit für alle Diözesen, Ordensgemeinschaften, Pfarren, kirchlichen Einrichtungen und sonstigen kirchlichen RechtsträgerInnen in Österreich.

Die einheitliche Umsetzung dieser Richtlinie in der gesamten katholischen Kirche in Österreich

  • setzt das Wort Jesu um: „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazu gegeben.“ (Mt 6,33)
  • bringt die Ernsthaftigkeit zum Ausdruck, mit der sich die Kirche dieser Thematik stellt
  • ist eine unerlässliche Bedingung für die Glaubwürdigkeit der Kirche auf dem Feld wirtschaftlicher Aktivitäten
  • kann auf andere institutionelle und private AnlegerInnen vorbildhaft wirken
  • wird zur Meinungsbildung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beitragen
  • ermöglicht ein klareres Auftreten der Kirche gegenüber InvestmentanbieterInnen und ein effektiveres Engagement gegenüber Unternehmen
  • kann auf Grund der großen Zahl kirchlicher AnlegerInnen und der von ihnen veranlagten Vermögensmasse das Ziel menschen- und umweltgerechten Wirtschaftens leichter und rascher erreichen.

Daher appelliert diese Richtlinie an alle kirchlichen RechtsträgerInnen, sich uneingeschränkt dem hier vorgezeichneten Reglement anzuschließen.

5. Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Handlungsfelder für ethisches Investieren

Ausdifferenzierung und Spezialisierung, wirtschaftliche Liberalisierung und Globalisierung haben wesentlich zum Wohlergehen vieler Menschen, Familien und Gesellschaften beigetragen. Sie haben aber auch viele gesellschaftliche Gruppen, manche Weltregionen sowie künftige Generationen benachteiligt und Raubbau an der Schöpfung gefördert. Die Handlungsfelder für ethische Investments lassen sich daher am besten mit den drei Leitworten des ökumenischen konziliaren Prozesses beschreiben, der 1983 auf der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver begann: Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung.

Zwischenmenschliche Gerechtigkeit ist in der biblischen Tradition jene Gestaltung der Gesellschaft, in der es auch den am schlechtesten Gestellten gut geht. Witwen und Waisen, Arme und AusländerInnen, Frauen und Kinder zählt die Bibel ausdrücklich zu denen, auf die besonders geachtet werden muss. Die Menschenrechte der Moderne entfalten diesen Gedanken und geben ihm eine juristisch fassbare Gestalt. Damit sie verwirklicht werden können, braucht es gute „Governance“ sowohl des Staates als auch der gesellschaftlichen Institutionen. Diesem Aspekt widmen die Richtlinien hohe Aufmerksamkeit.

Auch wenn der II. Weltkrieg über 70 Jahre zurückliegt, ist die Welt voll regionaler Konflikte. An vielen von ihnen sind die Industrieländer und ihre Unternehmen beteiligt. Frieden ist daher ein zweites zentrales Handlungsfeld ethischer Investments. Biblisch ist Friede dann verwirklicht, wenn alle Völker und Religionen ihre Waffen in zivile Geräte umschmieden, einem gemeinsamen Wallfahrtsziel zupilgern und miteinander auf das Rechte hören. Sie respektieren einander in der Vielfalt der Kulturen und Religionen, haben aber eine gemeinsame Ethik (Jes 2; Mi 4). Den Fragen von Rüstungsproduktion und Waffenhandel sowie dem Besitz von international geächteten Waffengattungen kommt daher für ethische Investments hohe Bedeutung zu.

Als dritte große Herausforderung hat sich in den 1970er Jahren die Bewahrung der Schöpfung herausgestellt. Schon die Bibel nahm wahr, dass der Mensch kein treuer Verwalter des Gartens ist, in den Gott ihn hineingesetzt hat (Gen 1-9). Umso mehr sehnt sie sich danach, dass der Mensch mit allen Geschöpfen in Eintracht zusammenlebt (Jes 11). Im 21. Jahrhundert stehen zwei globale ökologische Herausforderungen im Mittelpunkt: Der Schutz des Klimas und der Erhalt der Biodiversität (vgl. die beiden Konventionen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro sowie die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus 2015). Beide sind unabdingbar, beide bedeuten erhebliche Anstrengungen. Ethische Investments können ein wichtiges Instrument sein, um die nötigen wirtschaftlichen Transformationsprozesse in Gang zu setzen.

Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung sind drei Handlungsfelder mit vielfältigen Querverbindungen. Kriege sind eine der wichtigsten Ursachen der Umweltzerstörung. Diese ist ihrerseits eine Ungerechtigkeit – gegenüber Menschen, die in ökologisch verletzlichen Weltregionen leben, und gegenüber künftigen Generationen. Schließlich sind ungerechte Verhältnisse das wichtigste Treibmittel für kriegerische Konflikte. In der Verbindung der drei Felder entsteht also ein stimmiges Gesamtbild der großen ethischen Probleme der Menschheit.

6. Verhindern – Fördern – Verändern.
Prinzipien ethischer Investments

Im Laufe ihrer Entwicklung haben sich drei Grundprinzipien ethischer Investments herausgebildet: Ausschlusskriterien sollen verhindern, dass eine Investition zu nah, zu unmittelbar oder zu notwendig an einem abzulehnenden Handeln mitwirkt. Der Best-in-Class-Ansatz will gezielt jene Staaten, Unternehmen und Projekte fördern, die ethisch als überdurchschnittlich wertvoll betrachtet werden können. Und durch Engagement nehmen InvestorInnen aktiv auf jene Institutionen Einfluss, in die sie Geld investieren.

MehrheitseigentümerInnen haben eine nicht delegierbare Verantwortung für das Tun ihrer Unternehmen. Daher gelten die folgenden Negativ- wie Positivprinzipien für sie analog – auch wenn die MehrheitseigentümerInnen Staaten sind. Für abhängige Subunternehmen und für Zulieferer relevanter Produktkomponenten wird dem Mutter- bzw. Hauptunternehmen eine große Verantwortung zugerechnet.

Die folgenden Textabschnitte erläutern die langfristigen

Grundsätze ethischer Investments. Konkrete Schwellenwerte sind in der anhängenden Tabelle festgehalten. Sie müssen im Einzelfall auch kürzerfristig angepasst werden, ohne die hier dargelegten Grundsätze außer Kraft zu setzen. Einige Kriterien in der Tabelle sind derzeit noch nicht überprüfbar und werden deshalb mit einem Stern * gekennzeichnet. Sobald diese Überprüfbarkeit gegeben ist, werden sie für die kirchlichen Veranlagungen angewandt. Wiederum andere Kriterien in der Tabelle treffen derzeit auf kein Land oder investierbare Einrichtung/Unternehmen zu, diese sind mit zwei Sternen ** gekennzeichnet.

6.1 Verhindern: Ausschlusskriterien

In einem ersten Schritt sollen Ausschlusskriterien verhindern, dass eine Investition zu stark an einem abzulehnenden oder zumindest zweideutigem Handeln von Unternehmen oder Staaten mitwirkt. Sie signalisieren, dass die Kirche aus dem betreffenden Handeln keinen Profit ziehen will. Wenn Ausschlusskriterien zutreffen, sind sie in jedem Fall einzuhalten und können durch eine insgesamt hervorragende ethische Performance nicht ausgeglichen werden. Ausschlusskriterien können absolut sein und gelten dann in jedem Fall. In weniger eindeutigen Fällen können sie relativ gesetzt werden und gelten dann nur unter bestimmten zusätzlichen Bedingungen, die eigens benannt werden.

Gerechtigkeit

Governance: Demokratie versus Autoritäre Regime – Menschenrechte – Rechtssystem/Rechtsordnung – Korruption – Geldwäsche undTerrorismusfinanzierung – Kontroversielle Geschäftspraktiken

Governance bezeichnet die Regierungs-, Amts- oder Unternehmensführung im Sinn von Strukturen. Governance misst sich also an einem funktionierenden Steuerungs- und Regelungssystem der betreffenden Institution im Dienst an Menschenwürde und Menschenrechten. Für die Beurteilung von Ländern, die weitestgehend demokratisch strukturiert sind, wird die Positivliste von Freedom House herangezogen. Diese dient zugleich zur Einstufung von Ländern, die dort als „nicht frei“ bewertet werden, als nicht investierbar. Weiterhin gelten Länder als nicht investierbar, in denen schwere, dauerhafte und systematische Einschränkungen der Menschenrechte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen bekannt sind.

Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Transparency International veröffentlicht jährlich einen Index, der das Ausmaß an Korruption im öffentlichen Sektor eines Landes wiedergibt, wie es von Geschäftsleuten und ExpertInnen wahrgenommen wird (Corruption Perception Index). Länder, die in diesem Index einen Wert von weniger als 50 von 100 aufweisen, sind nicht investierbar. Ein in der Finanzwelt immer größeres Problem stellt die Geldwäsche und die Finanzierung des internationalen Terrorismus dar. Ein Staat, der die einschlägigen Standards der Financial Action Task Force (FATF) nicht in seine Gesetzgebung übernommen hat, und ein Unternehmen, das gravierend gegen diese Standards verstößt, sind daher nicht investierbar. Ebenso gelten Unternehmen als nicht investierbar, wenn sie der Korruption, der Daten- oder Bilanzfälschung oder des Betrugs überführt wurden – bis von unabhängigen Stellen ein Ende dieser Praxis bestätigt wird.

Globale Gerechtigkeit und Welternährung: Land-Grabbing – Lebensmittelspekulation – Müllexporte – Muttermilchersatzstoffe und Vermarktung von Pharmaprodukten

Vielfach hat die Globalisierung zu wachsendem Wohlstand geführt. Doch gerade für die am wenigsten begünstigten Länder und Personen bringt sie auch schwere Nachteile mit sich – vor allem weil das internationale Regelwerk zu schwach ist und viele ethisch verwerfliche Praktiken nicht verbietet. Die schlimmsten dieser Praktiken führen daher zur Nichtinvestierbarkeit von Staaten und Unternehmen.

Als „Land Grabbing“ wird der Erwerb großer Ländereien durch große Unternehmen oder fremde Staaten bezeichnet. Ziel ist entweder das Erreichen einer marktbeherrschenden Stellung oder die Spekulation mit dem Boden. Meist wird die eigene Größe als Machtfaktor ausgenutzt und kleinen LandwirtInnen der Zugang zu Ackerland verunmöglicht. In armen Ländern hat das Hunger und Verelendung zur Folge, in reichen Ländern ein beschleunigtes Sterben kleiner landwirtschaftlicher Betriebe. Lebensmittelspekulation meint den Handel mit Derivaten auf Lebensmittel ohne die Absicht, diese Lebensmittel zu verarbeiten oder im realen Handel zu verkaufen. Eine solche Spekulation kann die Preise für Lebensmittel in Höhen treiben, die in ärmeren Ländern unerschwinglich sind, oder in Tiefen, die kleinbäuerliche Betriebe in den Ruin treiben. Ausgeschlossen werden daher auch Rohstoffzertifikate und Fonds, die solche Lebensmittelderivate im Korb enthalten.

Nicht zu unterschätzen ist die Problematik der Müllexporte. Wenn Müll aus reichen in arme Länder exportiert wird, wird er dort fast mit Sicherheit ohne Gesundheits- und Umweltauflagen entsorgt. Daher werden Unternehmen als nicht investierbar betrachtet, denen Verstöße gegen das Basler Übereinkommen „Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ von 1989 nachgewiesen werden. Ein „trojanisches Pferd“ großer Konzerne waren lange Zeit Muttermilchersatzstoffe. Ihre Verwendung zur Ernährung von Säuglingen führte in armen Ländern dazu, dass Mütter nicht mehr stillten und von den großen Konzernen abhängig wurden. Außerdem mischten sie das Milchpulver häufig mit verunreinigtem Wasser und gefährdeten so die Gesundheit ihrer Kinder. Analoge Verstöße gibt es auch im Bereich der Verbreitung pharmazeutischer Produkte. Aus dem Universum ausgeschlossen sind daher Unternehmen, die gegen die internationalen Vereinbarungen zur Vermarktung von Muttermilchersatzstoffen oder den Code of Practice der International Federation of Pharmaceutical Manufacturers & Associations (IFPMA) verstoßen.

Arbeit: Arbeitsrechte – Arbeitsbedingungen – Kinderarbeit

Arbeit ist Ausdruck menschlicher Würde. Ziel muss es daher sein, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sich die menschliche Persönlichkeit entfalten kann. Staaten, in denen die Arbeitsgesetzgebung gravierende Mängel aufweist, sind daher nicht investierbar. Gleiches gilt für Unternehmen, die die vier Grundprinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation ILO massiv verletzen oder akzeptieren, dass ihre Zulieferbetriebe das tun. Die vier Prinzipien lauten:

  • Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit,
  • Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit,
  • wirksame Abschaffung der Kinderarbeit,
  • wirksame Beseitigung der Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Die ILO selbst gibt keine Definitionen für diese Kernbegriffe. Es wird also in der Verantwortung der ethischen Beratungsorganisationen stehen, hier sinnvolle Maßstäbe anzulegen.

Lebensschutz: Embryonale Stammzellenforschung – Abtreibung – Sterbehilfe – Todesstrafe

Das menschliche Leben genießt in unserer Werteordnung einen besonders hohen Schutz, weil es die Möglichkeitsbedingung jedes Menschen zum Erlangen höherer Güter ist und weil seine Missachtung zu gravierenden gesellschaftlichen Verwerfungen führen würde. Der starke, fast ausnahmslose Schutz menschlichen Lebens beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle als dem einzigen Zeitpunkt, der nicht auf einer willkürlichen Grenzziehung beruht, und endet erst mit dem Tod.

Das Prinzip des Lebensschutzes verbietet es, dass menschliche Embryonen zerstört und ihre Stammzellen zu Forschungs- oder Herstellungszwecken verwertet werden. Es verbietet ebenso Abtreibung (einschließlich der Herstellung und Verbreitung von Mitteln mit abtreibender Wirkung) und aktive Sterbehilfe sowie Beihilfe zum Suizid. Auch die Todesstrafe ist als Sanktionsmittel des modernen Staates abzulehnen. Alle Unternehmen, die eine oder mehrere dieser Praktiken vollziehen, und alle Staaten, die eine oder mehrere dieser Praktiken nicht nur für straffrei, sondern für rechtmäßig erklären oder selbst praktizieren, sind daher nicht investierbar.

Sexualethik und Fortpflanzungsmedizin: Reproduktionsmedizin – Verhütungsmittel – Pornografie

Im Handlungsbereich Sexualität und Fortpflanzung gibt es ebenfalls eine Reihe von Praktiken, die die Kirche missbilligt. Sie stellen zwar keine Tötung von Menschen dar, weisen aber gravierende Gerechtigkeitsdefizite auf. Für Unternehmen, die diese Praktiken vollziehen, gibt es daher bei den meisten Kriterien keinen absoluten Ausschluss aus dem investierbaren Universum, wohl aber einen relativen, wenn der Umsatz mit diesen Praktiken eine niedrige, klar definierte Schwelle übersteigt.

In der Reproduktionsmedizin betrifft dies erstens

Methoden, bei denen sogenannte „überzählige Embryonen“ anfallen, die man später sterben lässt. Zweitens die sogenannte heterologe Befruchtung, bei der Samen- oder Eizelle nicht von dem Paar stammen, das sich ein Kind wünscht, was für die so gezeugten Kinder eine schwere psychische Belastung bei der Suche nach ihrer Identität bedeuten kann. Und drittens die sogenannte Leihmutterschaft, bei der eine andere Frau das Kind austrägt als jene, deren Kind es nach der Geburt sein soll. In diesem letzten Fall kommen zur massiv erschwerten Identitätssuche des Kindes die Ausbeutung des Körpers der Leihmutter und die hoch problematische Trennung von Mutter und Kind direkt nach der Geburt, obwohl während der neun Monate der Schwangerschaft zwischen den beiden eine innige Beziehung gewachsen ist.

Pornografie ist ebenfalls eine Ausbeutung des

Körpers von Menschen sowie deren Verdinglichung durch ProduzentInnen wie KonsumentInnen.

Förderung von Suchtverhalten: Alkohol – Tabak – Glücksspiel

Sucht ist die Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten. Der oder die Betroffene hat über sich selbst keine Kontrolle mehr. Die gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Folgen sind oft dramatisch. Höherprozentige alkoholische Getränke, Tabak und Glücksspiel müssen nicht notwendig in eine Sucht führen. Ohne wirksame Präventivmaßnahmen ist dies aber oft der Fall. Deswegen sind bestimmte Unternehmen, die Suchtmittel anbieten, gar nicht, manche oberhalb eines niedrigen Schwellenwerts des Umsatzanteils nicht investierbar.

Frieden

Krieg und Rüstung: Rüstungsbudget – Waffen – Rüstungsgüter

Auch demokratische Staaten brauchen Mittel zur eigenen Verteidigung. Weisen sie jedoch ein relativ hohes Rüstungsbudget auf, dann wird das jedenfalls bei wohlhabenden Ländern als Drohpotenzial verstanden werden, das andere Länder zum Aufrüsten animiert. Deswegen wird nur in Staaten investiert, deren Verteidigungsbudget unterhalb eines bestimmten Anteils am Bruttoinlandsprodukt liegt.

Unternehmen, die international geächtete (d. h. in Übereinkommen als verboten definierte) Waffen herstellen oder vertreiben, und Staaten, die solche Waffen besitzen, sind nicht investierbar. Dazu zählen atomare, biologische und chemische Waffen, aber auch Antipersonenminen und Streumunition. Unternehmen, die andere Waffen oder Rüstungsgüter herstellen oder vertreiben, sind oberhalb einer niedrigen Schwelle des Anteils solcher Güter am Gesamtumsatz nicht investierbar. Rüstungsgüter sind jene Güter, die vorrangig oder ausschließlich einer militärischen Verwendung dienen. Das sind weit mehr Güter als nur Waffen.

Individuelle Gewalt: Gewaltverherrlichende Medien

Real oder virtuell wirklichkeitsnah dargestellte Tötungshandlungen oder Grausamkeiten gehen oft damit einher, die dargestellte Gewalt zu verherrlichen oder zu verharmlosen. Außerdem wird oft die Würde der dargestellten Personen verletzt. Viele dieser Darstellungen unterliegen dem Jugendschutz, in manchen Ländern sind sie strafbar. Unternehmen, die derartige Videofilme, Computerspiele oder andere damit vergleichbare Medien produzieren, sind in jedem Fall nicht investierbar, Händler ab einer bestimmten Schwelle des Umsatzes.

Bewahrung der Schöpfung

Die wichtigsten globalen Ziele: Biodiversität – Klimaschutz

Seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro hat sich die Völkergemeinschaft darauf verständigt, den Erhalt der Biodiversität und Klimaschutz als zwei gleichrangige, absolut prioritäre Ziele politischen Handelns anzuerkennen. Nicht investierbar sind daher Staaten, die die einschlägigen Folgeabkommen nicht ratifiziert haben. Für den Klimaschutz ist dies gegenwärtig das Paris-Protokoll der 21. Vertragsstaatenkonferenz 2015, für den Schutz der Biodiversität sind es das Cartagena-Protokoll der 1. Außerordentlichen Vertragsstaatenkonferenz 2003 und das Nagoya-Protokoll der 10. Vertragsstaatenkonferenz 2010. Eine schlechte Umsetzung der Abkommen führt zur Herabstufung im Best-in-Class-Ansatz.

Ein bedeutender Faktor des globalen Treibhauseffekts liegt in der Förderung und Verbrennung fossiler Energierohstoffe. Noch können wir nicht ganz auf sie verzichten. Doch sollen Schritte zu ihrer Reduktion, zur sogenannten „Dekarbonisierung“ unterstützt, und Schritte zu ihrer weiteren Verlängerung nicht unterstützt werden. Daher sind Unternehmen, die Erdgas durch Fracking oder Erdöl durch Fracking oder aus Teersand oder Kohle fördern, nicht investierbar. Unternehmen, die Erdöl fördern oder Kohle zur Stromerzeugung nutzen, sind nicht investierbar, wenn die Umsatzerlöse aus diesen Aktivitäten einen bestimmten Anteil am Gesamtumsatz überschreiten.

Landwirtschaft: Biozide – Grüne Gentechnik

Die industrialisierte Landwirtschaft bringt Praktiken mit sich, die für die Umweltmedien Boden, Wasser und Luft, für die Ökosysteme und mitunter sogar für die Gesundheit der Nutztiere und des Menschen eine große Gefährdung darstellen. Das betrifft einerseits die Biozide, andererseits gentechnisch veränderte Organismen. Unternehmen, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „extrem oder hoch gefährlich“ eingestufte Biozide herstellen oder vertreiben, sind nicht investierbar, wenn die Umsatzerlöse aus diesen Aktivitäten einen bestimmten Anteil am Gesamtumsatz überschreiten. Das Gleiche gilt für Unternehmen, die gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere für die landwirtschaftliche Nutzung herstellen, und für Unternehmen, die Lebens- und Futtermittel (und Rohstoffe dafür) aus gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren verarbeiten oder vertreiben.

Ökologische Einzelprobleme: Chemische Stoffe – Atomenergie – Kontroversielles Umweltverhalten

Bestimmte chemische Stoffe bedeuten eine große Gefährdung für Mensch und Umwelt. Unternehmen, die von der Europäischen Union verbotene chemische Stoffe herstellen oder vertreiben, sind nicht investierbar, wenn die Umsatzerlöse aus diesen Aktivitäten einen bestimmten Anteil am Gesamtumsatz überschreiten. Die zivile Nutzung der Kernkraft ist nach den Ereignissen von Fukushima nicht mehr verantwortbar. Zu groß sind die Risiken eines größten anzunehmenden Unfalls (GAU) während des Betriebs der Kraftwerke. Außerdem bürdet die Endlagerung des atomaren Mülls künftigen Generationen eine Last auf, deren Tragweite nicht einmal im Ansatz abzuschätzen ist. Unternehmen, die Kernkraftwerke betreiben oder durch Produkte und Serviceleistungen für und von Atomkraftwerke/n Umsätze erzielen, sind nicht investierbar, wenn die Umsatzerlöse aus diesen Aktivitäten einen bestimmten Anteil am Gesamtumsatz überschreiten. Staaten und Unternehmen, die Umweltgesetze oder allgemein anerkannte ökologische Mindeststandards bzw. Verhaltensregeln massiv missachten oder die Großprojekte (z.B. Pipelines, Minen, Staudämme) betreiben, die eine besonders schädliche Wirkung auf die Ökosysteme in der Region haben, sind nicht investierbar. Banken, die solche Großprojekte zu mindestens 20 % mitfinanzieren, sind nicht investierbar.

Tiere: Tierhaltung – Tierversuche

Tiere sind Mitgeschöpfe des Menschen und verdienen eine gerechte Behandlung. Wenn der Mensch sie nutzt, übernimmt er eine besondere Verantwortung für ihr Wohlergehen. Intensivtierhaltung oder Massentierhaltung bezeichnet eine stark technisierte Form der Tierhaltung, in der viele Tiere auf engem Raum gehalten werden und deren Zahl nicht an die Größe der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen angepasst ist. Massentierhaltung schadet den Tieren, aber auch dem Ökosystem und dem Klima. Unternehmen, die Massentierhaltung bzw. -transporte oder Pelztierhaltung betreiben (inkl. Zuchtbetriebe), sind daher nicht investierbar.

Zur Prüfung der gesundheitlichen Verträglichkeit von chemischen Stoffen und Medikamenten sind Tierversuche trotz begrenzter Aussagekraft häufig die bestmögliche Methode. Da die Wissenschaft derzeit noch keine ausreichenden Alternativmethoden gefunden hat, wird sie in mittlerer Sicht auf Tierversuche angewiesen bleiben. Weil diese den Tieren aber meistens einen Schaden zufügen, müssen sie auf das absolut notwendige Mindestmaß begrenzt werden. Unternehmen, die Produkte herstellen, für die gesetzlich nicht vorgeschriebene Tests an Tieren durchgeführt wurden, sind daher nicht investierbar.

6.2 Fördern: Best in Class als „Kooperation zum Guten“

Neben den negativen Ausschlusskriterien, die eine Mitwirkung an ethisch klar abzulehnenden Verhaltensweisen verhindern, kommt als positive Einflussnahme der Best-in-Class-Ansatz zum Tragen. Er stellt eine Verfeinerung der Emittentenauswahl dar. Jene Titel, die nicht von einem Ausschlusskriterium betroffen sind, werden mit Positiv- und Negativpunkten bewertet. Damit ergibt sich eine Reihung, die unter den Aspekten „fördern“ und „vermeiden“ eine konkrete Auswahl ermöglicht. Diese erfolgt über die Festlegung einer bestimmten Mindestpunktzahl als absoluter Grenze oder eines bestimmten Anteils an der Gesamtzahl von Titeln als relativer Grenze, z.B. „nur oberstes Drittel“.

Die Themenfelder der Bewertung ergeben sich aus der angefügten Kriterienliste, ihre Gewichtung bleibt den InvestorInnen überlassen. Insbesondere in kritischen Branchen wie zum Beispiel Bergbau, Automobilindustrie, Energiegewinnung usw. sollen nur die „nachhaltigsten“ der Klasse investierbar sein. Dies soll zu einer Vorbildwirkung beitragen, sodass sich die ethischen Standards in den Branchen insgesamt verbessern. Auf diese Weise werden positive Anreize gesetzt, ohne durch einen generellen Ausschluss das Risikoprofil der eigenen Anlagen zu verschlechtern. Für die Bewertung muss auf spezialisierte Researchagenturen zurückgegriffen werden. Diese müssen bestimmten Qualitätskriterien (z.B. CSRR quality standard) entsprechen bzw. Zertifizierungen (z.B. Arista) vorweisen können. Innerhalb des von ihnen eingegrenzten Anlageuniversums können die VermögensverwalterInnen oder FondsmanagerInnen ihre Auswahl nach ökonomischen Gesichtspunkten treffen.

6.3 Verändern: Engagement

Bereits durch Nichtnachfrage (Ausschlusskriterien) und Nachfrage (Best-in-Class-Ansatz) sowie die Transparenz und Konstanz der dafür verwendeten Kriterien entsteht ein steuernder Einfluss auf die Finanzmärkte. Durch aktive vertrauliche oder öffentliche Kommunikation zwischen AnlegerInnen(gruppen) und EmittentInnen kann diese Wirkung verstärkt werden. Insbesondere können Bedingungen genannt werden, unter denen mit Investitionen ethisch orientierter AnlegerInnen(-gruppen) gerechnet werden kann. Solche Kommunikationsprozesse nennt man Engagement. Beim Engagement können verschiedene Strategien eingesetzt werden:

  • Vote-Strategie: Aktionäre nehmen ihr Rede- und Stimmrecht auf der Hauptversammlung wahr. Stimmrechte können auch gebündelt bzw. übertragen werden, um damit größeres Gewicht zu erlangen. Bei großen Publikumsgesellschaften oder Gesellschaften mit dominierenden Kernaktionären mögen die Stimmrechte für Mehrheitsbeschlüsse unmaßgeblich sein, doch können in der Hauptversammlung Argumente vorgebracht werden und Veränderungen bewirken – selbst wenn es dem Management nur um die Vermeidung von Imageverlusten gehen mag.
  • Voice-Strategie: Im direkten Dialog mit einem Unternehmen werden ethische Themen angesprochen. Dies kann die Kritik an Missständen ebenso umfassen wie die Ermutigung zu weiteren ethischen Verbesserungen.
  • Entrance-Strategie: Führt die Voice-Strategie dazu, dass bislang nicht investierte Unternehmen ihre ethische Performance so verbessern, dass sie im Best-in-Class-Ranking weit genug nach oben rücken oder dass ein bisher einschlägiges Ausschlusskriterium nicht mehr auf sie zutrifft, kann man bewusst in dieses Unternehmen investieren, um die Verbesserungen zu honorieren.
  • Exit-Strategie: Bei längerfristig erfolglosen Abstimmungs- und Dialogstrategien sind Entscheidungen zum Ausstieg (Desinvestition) zu treffen.
  • Impact Investment: Hier bietet eine Institution Anlagemöglichkeiten für eine bestimmte, ethisch erwünschte Aufgabe. Zum Unterschied von spendenfinanzierten Projekten verbinden Impact Investments die Aufgabenerfüllung mit kaufmännisch lohnenden Investitionen. Die Erfahrung lehrt, dass die Verbindung dieser beiden Ziele herausfordernd sein kann und nicht immer gelingt. Dem erhöhten Risiko ist Aufmerksamkeit zu widmen. Es ist vorsichtig abzuwägen, ob der Schutz des eigentlichen Ziels der Anlagemittel (Pensionen, Werke,...) dem einzugehenden Risiko entgegensteht.

Je klarer und einheitlicher die Position der kirchlichen InvestorInnen eingenommen wird, umso eher wird eine Wirkung erzielt. Die katholische Kirche in Österreich bekennt sich zu einer aktiven Rolle in der Gestaltung der Gesellschaft und damit zum Einsatz von Engagement-Prozessen.

7. Schlussbestimmungen

Zur Umsetzung dieser Richtlinie gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Deshalb werden kleine InvestorInnen eindeutige Veranlagungen wählen oder Finanzprodukte verwenden, deren ManagerInnen sich verbindlich zur Einhaltung dieser Richtlinie verpflichten. Große InvestorInnen werden unter Einhaltung dieser Richtlinie eigenständiger und aktiver vorgehen.

Bischöfe und OrdensoberInnen implementieren für Ihren Zuständigkeitsbereich effektive Kontrollmechanismen zur Überprüfung und Einhaltung der Richtlinie.

Es ist von besonderem Wert, dass die katholische Kirche in Österreich mit einer Stimme spricht.

 

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