Spieleforschung

Das alte Rollenspiel erlebt in der neuen Onlinewelt einen Boom

Seit den 1980ern sind Rollenspiele wie „Dungeons and Dragons“ und „Das Schwarze Auge“ beliebt. Im digitalen Zeitalter verändert sich das Genre der Brettspiele, z. B. kann man online Würfel werfen.

In vielen Videospielen kommen Pen-and-Paper-Rollenspiele als Ausstattung vor. Hier ein Bild aus dem Adventure-Spiel „Life is Strange".
In vielen Videospielen kommen Pen-and-Paper-Rollenspiele als Ausstattung vor. Hier ein Bild aus dem Adventure-Spiel „Life is Strange".Screenshot

Was ist langweiliger als Angeln, fragt in einem alten Witz ein Passant am Flussufer den Fischer. Sagt der drauf: „Beim Angeln zuschauen.“ Ähnlich wie der Fischersport seine Reize nur denen entblößt, die es selbst machen, sind auch Rollenspiele ein eigenes Genre für Menschen, die damit sozialisiert wurden. Im digitalen Zeitalter hat sich aber die „Actual Play“-Form entwickelt: Dabei filmen sich Leute beim Rollenspiel mit Papier und Stift am Tisch. Die Videos („Beim Rollenspiel zuschauen“) auf YouTube und Co. gelangen zu großer Beliebtheit und sind für die Userinnen und User gar nicht fad.

Das ist eine der Verwebungen von analogem Spiel und digitaler Welt. Sogar online gespielte Role Playing Games (RPG) – die sich durch Papier, Stift und oft Spielbrett und -figuren von anderen Rollen- oder Verkleidungsspielen unterscheiden – werden als Actual-Play-Videos in das Internet gestellt.

Den anderen zuschauen

Die Forscher Lukas Daniel Klausner (FH St. Pölten, Informatik) und Tobias Unterhuber (Uni Innsbruck, Germanistik) sind seit ihrer Jugend an Rollenspielen wie „Dungeons and Dragons“ und „Das Schwarze Auge“ interessiert. Mit ihrer deutschen Kollegin Franziska Ascher (Uni Wuppertal, Germanistik) haben sie eine Sonderausgabe der wissenschaftlichen Fachzeitschrift für Computerspielforschung, „Paidia“, editiert.

»Damals hat das Handbuch das geleistet, was die Spielegrafik nicht schaffen konnte.«

Lukas Daniel Klausner,

FH St. Pölten, IT-Forschung

Der Actual-Play-Trend, bei dem man anderen zusieht (oder in Podcasts zuhört), wie die über ein, zwei Stunden eine Session machen, wird darin in vielen Artikeln behandelt. Katrin Rauch (Literaturwissenschaft, Uni Innsbruck) untersucht, wie sich Identitätsschichten (Spielende und Figuren) im Actual Play überlagern und wie sich das Spiel durch die Anwesenheit eines Publikums verändert. Die englischen Medienwissenschaftler Matt Denny und Nick Webber analysieren in Videos und Podcasts Normen, Erwartungen und Erlebnisse der Spielenden. Und die deutsche Theaterwissenschaftlerin Ria Sommer beschreibt die Ästhetik und sprachliche Erzählung der beliebten Freizeitbeschäftigung.

Auch bei Videogames gibt es den Trend, dass man anderen zuschaut (Let’s-Play-Videos). Die Rollenspiel-Actual-Play-Streams tragen dazu bei, dass die ursprünglichen Brett- bzw. Pen-and-Paper-Spiele eine Renaissance erleben. Die Forschung beobachtet hierbei die Wechselwirkungen von analogen und digitalen Mechanismen. Querverweise oder Erwähnungen von RPG in der Populärkultur (in Computerspielen, Filmen, Serien und Büchern) spiegeln den gesellschaftlichen Status wider.

Noch mehr online Hilfsmittel

„Uns fiel als Forscher und als User auf, dass die Covid-Pandemie die Nutzung digitaler Hilfsmittel beschleunigt hat“, erzählt Tobias Unterhuber. Aus seinem früher monatlichen Rollenspieltreffen in München wurde ab 2020 ein wöchentliches digitales Meeting, an dem die Freunde aus unterschiedlichen Städten teilnehmen. „Hybride Medialität“ heißt dies fachlich, wenn das auf dem Tisch aufgebaute Game über das Internet gespielt wird. Heute gibt es Online-Werkzeuge, die digitales Würfeln ermöglichen und Karten für alle am Bildschirm sichtbar machen. Früher waren noch ein Kopierer und Drucker für einen Rollenspielabend notwendig, damit die Beschreibungen der Charaktere und Abläufe verbreitet werden konnten.

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