Han Yu

Auf den Granatapfelbaum vor dem Gästehaus von Herrn Zhang, dem elften seines Geschlechts

Übersetzung: 

題張十一旅舍三詠:榴花  韓愈

五月榴花照眼明,

枝間時見子初成。


可憐此地無車馬,

顛倒青苔落絳英。

Granatapfelblüten im fünften Mond:

   ein leuchtender Blütenreigen,

die ersten Früchte erkennt man da schon

   nach und nach an den Zweigen.

Wie schade ist nur, dass diesen Ort

   nicht Pferd noch Wagen erreichen,

wirr über das grüne Moos verstreut

   die roten Blüten verbleichen.

Kommentar

Während in Du Mus Gedicht auf die Granatapfelblüten die Schönheit der Frauen gefeiert wird, lässt Han Yu seine roten Blüten verbleichen. Wieder einmal ist der besungene Ge­genstand nur ein Mittel, um das eigene Schicksal zu beklagen. Wer viel chinesische Lyrik liest, wird dieses Themas irgendwann einmal überdrüssig sein. Die Verse, ver­mutlich auf die Wand des Hauses aufgetragen, in dem Han Yu als Gast untergebracht war, gehören zu einer Serie von drei Gedichten, die dem Genre yongwu 詠物 zuzuordnen sind, also be­stimmte „Dinge besingen“. Die Themen des zweiten und dritten Ge­dichts sind Brunnen und Traube. Beim Gastgeber handelt es sich um Zhang Shu 張署, einen Freund des Dichters, der in den Jahren 804-806 mit ihm das Schicksal der Verbannung teilte. Der ent­legene Ort und die achtlos dahinwelkenden Blüten beklagen demnach die schwierigen Lebensumstände, in denen sich der Dichter und sein Gastgeber befinden. Jan Ulenbrook überschreibt seine fragwürdige Übersetzung übrigens mit „Kirschblüte“ (1987, 82).

Copyright: Volker Klöpsch

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