Han Hong (um die Mitte des 8. Jhdts.)

Im Felsenstadtgebirge übernachtend

Übersetzung: Frank Kraushaar

宿石邑山中

浮雲不共此山齊,

山靄蒼蒼望轉迷.

曉月暫飛高樹里,

秋河隔在數峰西.

Im Felsenstadtgebirge übernachtend

Wolkentrift – nicht gleich mit dem Gebirg auf einer Höhe;

Berges Dunst, dämmerndes Dunkel, wo ich kaum noch sehe.

Morgenmond, flüchtig im Flug durch hoher Bäume Wipfel –

Herbstes Strom, fernab, wo ich bei Gipfeln westwärts stehe.

Kommentar der Übersetzung

Der Ortsname Felsenstadtgebirge bezieht sich vermutlich auf die Taihangberge, eine Gebirgskette westlich der heutigen Bezirksstadt Huailuzhen in Hebei, die ursprünglich (seit der Zeit der Streitenden Reiche) einmal Shiyizhen (Felsenstadtgarnison) geheißen hatte. Östlich liegt heute die Großstadtmetropole Shijiazhuang, an der der Hutuostrom vorbeizieht. Dieser muß die breite Wasserstraße sein, die an dem Morgen in den das Gedicht sich wendet, am Horizont erblickt wird.

Die Worte dämmerndes Dunkel (cang-cang 蒼蒼) im ersten und Morgenmond  (xiaoyue 曉月) im zweiten Verspaar machen unmißverständlich klar, daß der Bewußtseinsstrom, der das Gedicht trägt, zeitlich unterbrochen ist: Die erste Texthälfte spricht vom Erreichen einer Passhöhe in den Taihangbergen während der späten Abenddämmerung, die zweite Texthälfte spricht vom Aufbruch bei der Passherberge am nächsten Morgen. Dazwischen liegt das Vergessen des Unterwegsseins, das Sich-Lösen aus der gestreckten Welt während der Nacht.

Und so ermißt sich die Landschaft, die diese Verse zeichnen, anhand der Wechsel zwischen Abend- und Morgendämmerung, Bewußtsein bei Tag und Bewußtlosigkeit während der Nachtruhe, Wipfeln über denen der Mond der Nacht folgt und Gipfeln unter denen sich der Strom Richtung mehr wälzt.

Das Gedicht ist in einem stenographischen Stil verfaßt und somit typisch für den Stil der Gattung, umso mehr als diese in ihren nachgeordneten Kategorien an formaler Präzision verlangt.

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