Das Monte Iato Projekt
Innsbrucker Forschungen auf dem Monte Iato
Mit dieser Homepage möchten wir es letztlich jedem Interessierten ermöglichen, sich über die Ergebnisse der Innsbrucker Forschungen am Monte Iato zu informieren. Darüber hinaus soll sie auch weitere, angegliederte Projekte der Innsbrucker Forschungen auf dem Monte Iato einer interessierten Leserschaft in ihren Fragestellungen und ersten Ergebnissen zugänglich machen. Die Texte der Homepage wurden hierbei aus den jeweiligen Projektanträgen gewonnen und beziehen sich stets auf die zur Zeit der Antragsstellung relevanten Personen und Daten.
Das Innsbrucker Iato Team
Der Monte Iato
Seit 2010 forscht das Institut für Archäologien der Universität Innsbruck unter der Leitung von Erich Kistler und Birgit Öhlinger und dem Patronat der Zürcher Ietas Grabung auf dem im Nordwesten Siziliens gelegenem Monte Iato. Der Berg mit seiner markanten Felsnase im Westen bildet den südlichsten Ausläufer der Palermitaner Berge und erhebt sich 852 m ü. M. über das obere Belice Tal. Circa dreißig Kilometer südwestlich von Palermo gelegen, befinden sich an dessen Fuß heute die modernen Ortschaften San Guiseppe Iato und San Cipirello. Die antike Siedlung befand sich auf dem flachen, nach Süden abfallenden, über 40 Hektar großem Hochplateau und war im Norden und Nordwesten durch steile Felswände begrenzt.
Im Zuge von Raubgrabungen in den 1960er Jahren, wurde die aus antiken Schriftquellen und über entsprechende Münzfunde bekannte Stadt IAITAS wiederentdeckt. Erste reguläre Grabungsarbeiten wurden 1971 durch das Archäologische Institut der Universität Zürich unter der Leitung von Prof. H. P. Isler und Prof. H. Bloesch aufgenommen und konnten bis heute ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Seit 2008 stehen die Zürcher Grabungen unter der Leitung von Prof. Christoph Reusser und der Mitleitung von Dr. Martin Mohr.
Die Siedlungsgeschichte der Stadt beginnt bereits im frühen 1. Jt. v. Chr., wie es durch einige Keramikfunde angezeigt wird. Ab dem 7. und spätestens seit dem 6. Jh. v. Chr. lässt sich auf dem Monte Iato ein rege Siedlungsaktivität nachweisen, die bisher punktuell ergraben werden konnte. Ab der ersten Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. lässt sich auf dem Hochplateau eine Siedlung nachweisen, die sich aus mehreren, in kleinen Weilern zusammengeschlossenen, Wohnbauten zusammensetzte, deren Bewohner gastfreundschaftliche Kontakte mit Phöniziern und Griechen pflegten. Im dritten Viertel des 6. Jh. v. Chr. kam es zur Errichtung eines für das sizilische Binnenland herausragenden Kultbaus: dem sogenannten Aphrodite-Tempel. Weitere Kultbauten aus der zweiten Hälfte des 6. Jh. v. Chr. bzw. dem frühen 5. Jh. v. Chr. konnten östlich davon lokalisiert werden. Zusammen mit dem Aphrodite-Tempel markieren sie einen großangelegten Kultplatz, in dessen Konzeption auch das westlich liegende spätarchaische Banketthaus, das kurz vor 500 v. Chr. errichtet wurde, eingegliedert war. Das Banketthaus wurde jedoch bereits gegen 460 v. Chr. wieder rituell zerstört, im Zuge dessen wohl auch der Aphrodite-Tempel aufgelassen worden war.
Über die klassische Phase der Siedlung ist noch relativ wenig bekannt. Fest steht, dass das spätarchaische Haus teilweise unmittelbar nach seiner rituellen Auflassung wieder benutzt und zu Beginn des 3. Jhs. v. Chr. zu einem Hofhaus umgebaut worden war. In dieser Zeit wurde die Stadt auch nach dem Vorbild einer griechischen Polis neu gegründet und mit Theater, Agora und Stoai im Zentrum sowie in den umliegenden Wohnvierteln mit teils prächtigen Peristylhäusern ausgestattet. Die ab dieser Phase einsetzende Münzprägung sowie Ziegelstempel überliefern den Namen der Stadt zu dieser Zeit: IAITAS. Unter römischer Herrschaft wurde die Stadt zu IETAS umbenannt und das Westquartier vollständig neu parzelliert und mit Läden, Werkstätten und einem Banketthaus westlich des Aphrodite-Tempels bebaut.
Materiell nur sehr spärlich belegbar ist die Siedlungsphase in der byzantinischen Epoche sowie zur Zeit der arabischen Invasion und der Normanneneinfälle. Erst unter den Staufern erlangte die Siedlung auf dem Monte Iato wieder eine herausragende Stellung, indem sie Muhammed ibn-Abbad zum Hauptsitz des westsizilischen Emirats erkoren hatte, das sich ab 1220 unter der arabisch-islamischen Bevölkerung Siziliens gebildet hatte, die vor dem staufischen Kaiser Friedrich II. in die Berge Westsiziliens geflüchtet waren. Nach mehr als 10jähriger Belagerung mussten jedoch die letzten Sarazenen Siziliens den Monte Iato 1246 n. Chr. aufgeben. Die Stadt wurde geschleift und ein Großteil der muslimischen Rebellen nach Lucera in Apulien deportiert. Nur wenige Bewohner siedelten nach der Schleifung noch auf dem Iato, bevor auch sie infolge wirtschaftlicher Regression und politischer Isolation spätestens um 1270 n. Chr. den Berg für immer verlassen hatten.
Der Monte Iato bildet mittlerweile mit seiner beinahe durchgängigen, über mehrere Jahrhunderte angewachsenen Stratigraphie einen festen Eckpfeiler der archäologischen Erforschung Siziliens. Dies gilt insbesondere auch für seine Frühzeit, in der seine indigenen Bewohner im Verlauf des 7. bis frühen 5. Jhs. v. Chr. immer stärker in Kontakt mit Phöniziern und Griechen getreten waren. Genau diese Zeit der fremdkulturellen Begegnungen und Transfers stehen auch im Fokus der Forschungen der Universität Innsbruck: Wie wurden etwa diese Kontakte und Transfers auf dem Monte Iato genutzt, um lokal oder gar regional Macht aufzubauen? Welche Rolle spielte dabei die Religion?
Das adäquate Untersuchungsfeld hierzu bildet das Areal zwischen dem Aphrodite-Tempel und dem Spätarchaischem Haus im späteren Westquartier der hellenistisch-römischen Stadt. Dort haben nämlich die Formen der Macht- und Elitebildung im Wechselspiel mit der sog. Großen Griechischen Kolonisation zu bedeutsamen Materialisierungen im archäologischen Befund geführt. Um diese zu aussagekräftigen Datensamples aufzuarbeiten, gilt es spezifische Herangehensweisen einer konsumorientierten Sozialarchäologie zu erarbeiten. Über Fundassemblagen und den Gebrauch einzelner Objekte soll so mehr über damalige Aktivitätszonen und die kausalen Zusammenhänge zwischen Lokalem und ‚Kolonialem‘ sowie zwischen Religion, Umverteilung und Machtbildung in Erfahrung gebracht werden. Vor allem neue Ansätze in den Material Culture Studies sind hierbei wegweisend. Denn materielle Kultur formt das Leben der Menschen, vermittelt zwischen ihnen und der Umwelt, habitualisiert Handlungs- und Wahrnehmungsmuster, vergegenständlicht also kognitive Prozesse. Infolgedessen sind Dinge keine passiven, zeitlosen Container spezifischer Kulturen oder vergangener Zeiten, sondern neben ihrer alltagspraktischen Funktion immer auch Werte- und Identitätsträger, die bei einer Veränderung ihres Benutzerumfeldes zumeist auch ihre Bedeutungen wechseln. Ihr alltäglicher genauso wie ihr außeralltäglicher Konsum führt deshalb zu bedeutsamen Materialisierungsformen menschlichen Zusammenlebens. Und genau diese gilt es in den frühen Schichten auf dem Monte Iato freizulegen. Denn sie ermöglichen Rückschlüsse auf örtlich und zeitlich vorherrschende „Register des Konsums“, die Konsumlandschaften („consumptionscapes“) präfigurierten und so Einblicke auf situative Werte- und Machtdiskurse „Zwischen Aphrodite-Tempel und spätarchaischen Haus“ gewähren.
Zur archäologischen Erforschung dieser „Consumptionscapes“, braucht es eine regelrechte „Archaeology of Consumption“. Diese umfasst sämtliche wissenschaftlichen Zugangsweisen, die notwendig sind, um den Konsumhergang rekonstruieren zu können, der zu einem spezifischen Befundbild als materiellem Niederschlag einer consumptionscape geführt hat. Neben den mittlerweile standardisierten Methoden archäologischer Feldforschung gehören dazu archäometrische Provenienz- und Umweltbestimmungen genauso wie Archäobotanik, Archäozoologie und chemische Laboranalytik organischer Überreste. Von höchster Priorität ist dabei die Strategie der Spurensicherung direkt auf dem ‚Feld‘, damit die Störfaktoren (biases) bei der Spurenanalyse in ihrer Größenordnung bestimmt und einkalkuliert werden können. Die feldarchäologische Untersuchung gilt es daher nicht nur nach stratigraphischen und baulichen Gesichtspunkten auszurichten. Im Vordergrund muss genauso die Frage nach möglichen Fundvergesellschaftungen mit organischen Rückständen stehen, die keramologische Analytik mit chemischen Materialanalysen kombinierbar macht.
Forschungsprojekte
Kontakt
MMag.a Dr.in Birgit Öhlinger,
Projektmitleiterin
Birgit.Oehlinger@uibk.ac.at +43 512 507 37572
Dr. phil. Thomas Dauth BA MA,
Webauftritt und Datenbankverwaltung