Zwischen Aphrodite-Tempel und spätarchaischem Haus I
Archäologische Untersuchungen zu Religion und Machtbildung auf dem Monte Iato im archaischen Westsizilien
FWF-Projekt (P 22642-G19)
2010-2013
Principal Investigator:
Dr. Erich Kistler
Address:
ATRIUM - Zentrum für Alte Kulturen - Langer Weg 11
University/Research Institution:
Institut für Archäologien
Fachbereich Klassische und Provinzialrömische Archäologie
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Approval date:
29.06.2010
Start:
01.12.2010
End:
30.11.2013
Scientific field(s):
6523 Archaeology (50,00%)
1911 Archaeometry (2931) (20,00%)
5434 Sociology of Religion (6427) (15,00%)
5929 Ethnology (15,00%)
Abstract
Kurz vor 500 v. Chr. wurde auf dem Monte Iato ein großes zweistöckiges Haus errichtet. Dieses ist auf eine auffällige Weise nach der sakralen Achse ausgerichtet, die um 550 v. Chr. mit dem Bau des sogenannten Aphrodite-Tempels begründet worden war. Im Obergeschoss dieses spätarchaischen Hauses waren prächtig hergerichtete Banketträume untergebracht, die auf der viel höher anstehenden Hangseite ebenerdig über einen vorgelagerten Festplatz zugänglich waren. Trotz dieser offensichtlichen Einbindung des Obergeschosses in den Kult- und Festbetrieb im Heiligtum um den Aphrodite-Tempel sind die Räume des Erdgeschosses dennoch dem Bereich des repräsentativen Wohnens zuzuordnen. Es war daher Residenz eines mächtigen Familienverbandes oder ‚Clubhaus' eines lokalen Elitezirkels. Diesem unterlag die Treuhänderschaft über die Banketträume im Obergeschoss sowie über die Opfer- und Festpolitik beim Aphrodite-Tempel.
Obwohl sich dieses Heiligtum auf dem Monte Iato inmitten des einheimischen Binnenlandes befindet, sind seine beiden wichtigsten architektonischen Anlagen, der Aphrodite-Tempel und das spätarchaische Haus, Manifestationen griechischen Bauhandwerks. Das kann nur über eine erfolgreiche Vernetzung mit Griechen erklärt werden.
Im archäologischen Befund "zwischen Aphrodite-Tempel und spätarchaischem Haus" spiegelt sich ein kausaler Zusammenhang zwischen Religion, Machtbildung und kolonialer Kontaktnahme. Dieser Kausalzusammenhang soll ausgehend von der Religions- und Gesellschaftstypologie von Robert N. Bellah archäologisch genauer untersucht werden.
Diese religionssoziologische Zielsetzung bestimmt auch die archäologische Methodenwahl und definiert die Bereiche, wo es noch zur genaueren Abklärung einzelner Sondagen bedarf. Unter Anwendung der Aktivitätszonen- und der Präsenz/Absenz-Analyse sowie mittels paläobotanischer und paläozoologischer Untersuchungen soll möglichst genau in Erfahrung gebracht werden, was wie und wo konsumiert worden war. Im Spiegel der Konsumptionsmuster von Importgeschirr, Opferfleisch und Wein, aber auch von lokalem Alltagsgeschirr und indigenem Getränk soll eine Sozialtopographie der Kult- und Festgemeinschaft im Heiligtum um den Aphrodite-Tempel archäologisch sichtbar gemacht werden.
Dies verspricht neue Einsichten in die Kult- und Festpolitik der lokalen Elite, die im Erdgeschoss des spätarchaischen Hauses residierte. Dabei spielte die Allianzbildung mit griechischen Partnern eine zentrale Rolle. Auf ihr beruhte letztlich der Führungsanspruch, der über die Installation eines echten Kultus im Heiligtum beim Aphrodite-Tempel als irdische Emanation einer kosmischen Ordnung ausgegeben wird.
I Ausgangslage: Das archaische Sizilien als eine koloniale Kontaktzone
Durch seine günstige Lage im Mittelmeerbecken bildete Sizilien bereits einen zentralen Knotenpunkt in der Mittelmeerwelt des 8. bis 5. Jh. v. Chr. Aufgrund der Wind- und Strömungsverhältnisse sowie der Schifffahrtsbedingungen liefen insbesondere an der Westküste Siziliens die damaligen Hauptverkehrsachsen zusammen, welche die Levante mit Gibraltar und Nordafrika mit Mittelitalien verbanden. Das Mittelmeer war wieder als Basisressource für den küstenverbindenden Verkehr entdeckt worden. Die Folge war ein transmediterranes Bewegungs- und Interaktionsnetzwerk, entlang dessen Verbindungslinien Waren, Ideen und Technologien verhandelt, fremdpartnerschaftliche Beziehungen gepflegt sowie gemeinsame Werte geteilt wurden, deren Äquivalente von Gewichtssteinen bis zu sozialen Institutionen wie dem Gastrecht reichten.
Dieser vorglobal anmutende Verdichtungsprozess des Mittelmeerraumes zu einer gemeinsamen Transaktionswelt hatte auch auf dem Monte Iato im Binnenland Westsiziliens bleibende Spuren hinterlassen. Erste Kontakte dieser binnenländischen Siedlung zu den griechischen Küstenstädten Selinunt und Himera bezeugen frühkorinthische und korinthische Keramikimporte für das spätere 7. Jh. v. Chr. Diese Kontaktnahmen intensivieren sich ab der Mitte des 6. Jh. v. Chr., was in der Errichtung des megaronartigen Sakralbaus, dem sog. Aphrodite-Tempel, um 550 v. Chr. und dem westlich davon gelegenen zweistöckigen Haus kurz vor 500 v. Chr. durch griechische Bauhütten kulminierte. Dabei stellt das spätarchaische Haus mit seiner Ausdehnung von 18 x 20 m eines der Größten seiner Zeit dar. Sein Obergeschoß war zudem mit Banketträumen ausgestattet, die mit ihren farbig verputzten Wänden und eingefärbten Fussböden mit Klinenrandsockeln dem damals höchsten bauhandwerklichen Können entsprachen. Die reichen keramischen Funde aus dem Obergeschoss-Schutt von griechischem Symposionsgeschirr sowie indigenem Bankett- und Küchengeschirr belegen ein mischkulturelles Ambiente, wie es für koloniale Kontaktzonen im Hinter- und Binnenland typisch ist. Zugleich sind diese keramischen Fundensembles als bedeutsame Materialisierungen anzusprechen, die auf spezifische Formen der Kult- und Festpolitik der lokalen Elite zurückzuführen sind. Diese erlauben ihrerseits Rückschlüsse auf die Prozesse der Macht- und Elitenbildung in einheimischen Zentren, in denen traditionelle Verbindungen und Verpflichtungen zwischen binnenländischen Ahnen- und Abstammungsgemeinschaften genauso wie gastfreundschaftliche Allianzen mit neuen griechischen Partnern aus den Küstenstädten zum Tragen kamen.
II Fragestellung und Projektziel: Der kausale Zusammenhang von kolonialem Kontakt, lokalem Herrschaftsgewinn und religiöser Machtinstallation
Anhand sozialarchäologischer Untersuchungen soll erforscht werden, inwieweit auf dem Monte Iato der Übergang vom traditionellen Wohnen in Hütten- und Weilerverbänden zu einem proto-urbanen Siedeln griechischen Anstrichs um 550 v. Chr. mit der Erbauung des sog. Aphrodite-Tempels über den Resten einer ahnengemeinschaftlichen Kult- und Festhütte zusammengeht. Welche Rolle spielt bei diesem sozioreligiösen Transformationsprozess der rechteckige Altar unmittelbar östlich vor dem Aphrodite-Tempel? Weshalb kommt es nach knapp 50 Jahren zur Errichtung des spätarchaischen Hauses mit seinen Banketträumen im Obergeschoss, die über eine monumentale Rampe direkt mit dem Aphrodite-Tempel und seinem Brandopferaltar verbunden waren? Und inwiefern zieht dieser Monumentalisierungsprozess die Errichtung von drei weiteren Oikos-Bauten östlich des Altars nach sich?
III Umsetzung des Projektes
III.1 Feldarchäologische Abklärungen
III.1.1 Sondage I
Frühere Grabungen zwischen dem spätarchaischen Haus und dem Aphrodite-Tempel brachten die nördlichen Raumgruppen von mindestens zwei hellenistischen Gebäuden ans Tageslicht. Im Außenbereich nördlich dieser hellenistischen Bauten, wo Kulturschichten der archaischen Vorgängersiedlung teils noch in situ anstehen, soll mit der Sondage I (4 x 20m) abgeklärt werden, ob sich die kulttopographische Einbindung des spätarchaischen Hauses in den Kultbezirk um den Aphrodite-Tempel noch genauer definieren lässt.
III.1.2 Sondage II
Mit der Sondage II soll das Außenniveau unmittelbar nördlich vor den Banketträumen des spätarchaischen Hauses in seiner Nord- und Ost-Erstreckung abgeklärt werden. Die bisherigen Untersuchungen zu diesem Außenniveau haben gezeigt, dass es sich bei ihm höchst wahrscheinlich um einen Festplatz im Freien handelt. Dieser wurde offenbar von Teilnehmern an den Opferfeiern beim Aphrodite-Tempel benutzt, die keinen Zugang zu den Banketträumen im Obergeschoss des Hauses hatten. Die erhoffte Verifizierung dieser Hypothese ist zentral für ein besseres Verständnis der Mechanismen der Kult- und Festpolitik im Heiligtum um den Aphrodite-Tempel zur Begründung von Macht und lokaler Führerschaft.
Dazu gilt es in einem ersten Schritt die Nord- und Ostbegrenzungen dieses Außenniveaus mit seinen möglichen Randbebauungen genauer zu definieren. In einem zweiten Schritt soll das freigelegte spätarchaische Außenniveau in seiner Funktion als Festplatz genauer untersucht und abgetragen werden. So kann schließlich in einem dritten Schritt unter dem abgetragenen Außenniveau die örtliche Siedlungsgeschichte vor der Errichtung des spätarchaischen Hauses genauer erforscht werden.
Insgesamt bietet dieser Bereich unter dem spätarchaischen Außenniveau die einmalige Chance, eine vertikale Abfolge der verschiedenen Wohn- und Subsistenzformen auf dem Iato erforschen zu können, bevor es zum Bau des spätarchaischen Hauses und zum Verdichtungsprozess der Kultaktivitäten um den älteren Aphrodite-Tempel gekommen ist. Damit würde ein örtliches Referenzschema geschaffen, in das sich auch die anderen älterarchaischen Siedlungsbefunde auf dem Monte Iato genauer einordnen ließen. Dies wiederum ist zentral, um die Entwicklungsphasen in der Wohn- und Lebensweise der lokalen Bevölkerung zeitlich mit den Phasen der Formation und Transformation des Kultplatzes beim Aphrodite-Tempel korrelieren zu können. Erst auf der Basis einer solchen Korrelation können auch die kausalen Zusammenhänge zwischen dem sich wandelnden Gesellschaftsgefüge und dem sich verändernden Religionssystem auf dem Monte Iato archäologisch sichtbar gemacht werden.
III.1.3 Sondage III
Als Events en public dienten Feste gerade in der formativen Phase der Archaik der praktischen Gestaltung von Politik. Diese wurde über kulinarische und tafelbezogene ‚registers of consumption‘ betrieben, die jeweils durch die örtlich dominierenden Sozialstrukturen und Machtbeziehungen vorgegeben waren. Die sich daraus ergebenden orts- und zeitspezifischen ‚consumptionscapes‘ haben sich nachhaltig auf die Festkultur lokaler Gruppen ausgewirkt und so dem keramischen Befund ihren konsumarchäologischen Fingerabdruck aufgesetzt. Dies gilt auch für das keramische Fundensemble aus der Zerstörungsschicht des Obergeschosses des spätarchaischen Hauses. Aus diesem Grund gilt es dessen erhaltene Überreste vollständig freizulegen und zu bergen, wozu die Sondage im Südteil des Raumes 3 dienen soll.
Dieses keramische Fundensemble soll in Kooperation mit der Zürcher Ietas-Grabung systematisch mit jenem aus dem Schutt von Agora-Haus I verglichen werden, das nach seiner Reorganisation um 500 v. Chr. in den Kult- und Festbetrieb um den Oikos-Bau am Südrand der späteren Agora integriert worden war. Insofern sind die beiden keramischen Befundbilder, die sich in ihrem Zerstörungshorizont konserviert haben, gewissermaßen Schaufenster auf außeralltägliche Fest- und Konsumgewohnheiten auf dem spätarchaischen Monte Iato. Auf diese Weise sollen zwischen den beiden Kultplätzen konsumhabituelle Konvergenzen als Ausdruck einer gemeinsamen kulturellen Matrix der Indigenen genauso aufgedeckt werden wie die Abweichungen davon, die sich ab dem 6. Jahrhundert aus den zunehmenden Kontakten mit der neu begründeten Welt der kolonialen Griechen und Phönizier an den Küsten Westsiziliens ergaben. Auf diesem Weg soll sichtbar gemacht werden, dass die Kultstätte an der Agora die Welt des Lokalen repräsentiert, wohingegen der Kultkomplex beim Aphrodite-Tempel viel eher an ein protoglobales interelitäres Begegnungs- und Interaktionsforum erinnert, wie es auch für die Emporía in Küstennähe überliefert wird.
III.2 Materialbearbeitung
III.2.1 Der Baubefund: die älterarchaischen Häuser, das spätarchaische Haus und seine bauliche Verbindung zum Aphrodite-Tempel (Erich Kistler, Innsbruck)
Kurz vor 500 v. Chr. wurde auf dem Monte Iato ein großes zweistöckiges Haus errichtet. Dieses ist auf eine auffällige Weise nach der sakralen Achse ausgerichtet, die um 550 v. Chr. mit dem Bau des sogenannten Aphrodite-Tempels begründet worden war. Im Obergeschoss dieses spätarchaischen Hauses waren prächtig hergerichtete Banketträume untergebracht, die auf der viel höher anstehenden Hangseite ebenerdig über einen vorgelagerten Festplatz zugänglich waren. Trotz dieser offensichtlichen Einbindung des Obergeschosses in den Kult- und Festbetrieb im Heiligtum um den Aphrodite-Tempel sind die Räume des Erdgeschosses dennoch dem Bereich des repräsentativen Wohnens zuzuordnen.
Wie die Autopsie verschiedener indigener und griechischer Heiligtümer auf Sizilien ergab, sind solche Banketthäuser in unmittelbarer Nähe zu siedlungsinternen Tempeln auch aus anderen archaischen sizilischen Siedlungen bekannt – und zwar aus Griechischen wie Nichtgriechischen (Caltabellotta, Entella, Sabucina, Morgantina, Palike, Selinunt und Megara Hyblaia). Aber einzig im Fall des spätarchaischen Hauses auf dem Monte Iato ist darüber hinaus noch eine bauliche Verzahnung eines solchen Banketthauses mit einem reich ausgestatteten Wohnhaustrakt im Erdgeschoss gegeben. Damit stellt das zweistöckige Großhaus eine regelrechte Sonderlösung dar, die weder durch eine hybride griechisch-indigene Bautypologie noch durch eine spezifisch einheimische Kultpraxis zu erklären ist. Folglich muss diese Sonderlösung aus einem spezifischen Bedürfnis seiner Auftraggeber erwachsen sein, das sich wohl aus deren Installation als Kultherren resultierte.
Erstaunlicherweise besitzt nun dieser obergeschossige Banketthaus‐Trakt auf dem Iato seine engsten architekturtypologischen Parallelen in den Gräbern im sogenannten Dreizellen‐Typus in den Nekropolen der Etruskerstadt Caere (Prayon 1975, 70‐74). Dabei erschöpft sich die Parallelität keineswegs allein in der übereinstimmenden Grundriss‐Typologie, die durch den korridorartigen Querraum zur Erschließung der drei dahinterliegenden Räume definiert wird.
Es ist vor allem auch die darüberhinausgehende Nutzung aller Räume – einschließlich des korridorartigen Querraums – als Banketträume, welche die Dreizellen‐Gräber in Caere zum Banketthaus‐Trakt auf dem Monte Iato nächst verwandt macht. Für den Querraum des iatinischen Obergeschosses bezeugen dies Reste des roteingefärbten Fussbodens im Korridor des Erdgeschosses, die jeweils eine unterschiedliche Dicke von entweder 6 oder 10 Zentimeter besitzen sowie einzelne wulstartige Übergangsstücke, die es offenbar als Abschlussfragmente eines Klinensockelrandes anzusprechen gilt. Im Fall der caeretanischen Dreizellen‐Gräber im Typus D sind es primär die Nachgestaltung von Klinen und Klinenbändern, die dort eine symposiale Verwendung des korridorartigen Querraumes indizieren.
Diese symposiale Innenraumausstattung aller Räume unterscheidet diese Bankettgebäude in wohnsoziologischer Hinsicht grundlegend von den Wohnhäusern, die in archaischer Zeit in demselben Grundrisstypus errichtet worden waren. Das bisher älteste freistehende Banketthaus im Dreizellen-Typus, das noch ins 6. Jh. v. Chr. datiert, scheinen nun die jüngsten Grabungen in Gabii, der latinischen Stadt in unmittelbarer Nähe zu Rom, ans Tageslicht befördert zu haben.
III.2.2 Der keramische Befund
III.2.2.1 Keramik mit Ritz- und Stempeldekor, ceramica incisa (Simon Kössler/Matthias Hoernes, Innsbrucker Diplomarbeit)
Für die auf dem Monte Iato quantitativ spärlich vertretene Gattung der Keramik mit Ritz- und Stempeldekor soll im Laufe des Projektes primär eine genauere Formentypologie erarbeitet werden. Des Weiteren sollen die Funktion, und die Rolle dieser speziellen Keramikgattung im kolonialen Kontakt untersucht werden. Die Frage nach der Provenienz spielt eine ebenso wichtige Rolle und es soll versucht werden, anhand des Dekors und mit Hilfe archäometrischer Beprobungen lokale und regionale Produktionsorten zu erschließen. Über diese geographische Zuordnung könnten sich mögliche Rückschlüsse über die Machtstellung verschiedener Regionen auf dem Iato und deren Wichtigkeit in der Festpolitik zwischen Aphrodite-Tempel und spätarchaischem Haus ziehen lassen.
III.2.2.2 Die ceramica dipinta (Matthias Hoernes, Innsbrucker Diplomarbeit)
Ein Großteil der im Zerstörungsschutt des spätarchaischen Hauses gefundenen Keramik entfällt auf matt bemalte Feinkeramik lokal-regionaler Produktion. Diese Keramikgattung begegnet an zahlreichen Fundorten des westsizilischen Binnenlandes und firmiert unter der Bezeichnung ceramica dipinta. Neben ihrer rein quantitativen Bedeutung zeichnet sie sich durch ein breites Formen- und Dekorspektrum, einen harten Brand, eine in der Regel beige Engobe sowie eine matte Bemalung in braunen, roten und schwarzen Farbschattierungen aus. In der Heterogenität ihrer Formen sowie der Syntax ihrer Dekorelemente spiegelt die ceramica dipinta aus dem spätarchaischen Haus die keramische Vielfalt anderer westsizilischer Siedlungen wider, in deren Fundmaterial sie trotz lokaler Spezifika enge Parallelen findet, und dokumentiert so den über das Belice-Tal hinausreichenden Warenaustausch. Neben Exemplaren solcher überregional agierender Werkstätten dürfte der Befund des Monte Iato auch Stücke einer lokalen Produktion umfassen, die plausibel angenommen, bislang jedoch noch nicht belegt werden kann.
III.2.2.3 Die monochrome Fein- und Grobkeramik, Gebrauchskeramik (Stephan Ludwig, Innsbrucker Masterarbeit)
Die Gattung der Gebrauchskeramik vom Monte Iato soll im Laufe des Projekts eine feinere formentypologische Differenzierung erfahren. Dazu wird dem Grundsatz „form follows function“ gefolgt, weshalb die Gebrauchskeramik neu in „Aufbewahrungskeramik“, „Zubereitungskeramik“ und „Darreichungskeramik“ unterteilt wird. Gebrauchsspuren wie etwa Rußspuren, die auf eine Verwendung bei der Nahrungszubereitung hinweisen, sollen die jeweilige Zuordnung zu einem dieser drei Formen- und Funktionenspektren zusätzlich verdichten helfen. Gaschromatographische und massenspektrometrische Inhaltsanalysen der Neufunde sollen dieses keramologische Spiegelbild der Konsumgewohnheiten auf dem spätarchaischen Monte Iato noch zusätzlich erhärten und ergänzen.
III.2.2.4 Die attische Importkeramik (Evi Trenkwalder, Innsbrucker Diplomarbeit)
Ab dem zweiten Viertel des 6. Jh. v. Chr. taucht auf dem Monte Iato die erste attische Importkeramik auf. Diese ist daher ein wesentlicher Indikator kultureller Begegnungs- und Austauschprozesse, die ab den 550er Jahren bei der iaitinischen Töpferproduktion zur Adaption griechischer Gefäßformen, Töpfertechnologie und Dekor-Elemente führten. Bei den attischen Importstücken, die aus dem spätarchaischen Haus stammen, handelt es sich schließlich überwiegend um Trinkgefäße, etwa kylikes oder skyphoi. Einzelne von ihnen waren, wie die Reparaturlöcher zeigen, mit antiken Klammern geflickt, und schon mehr als 40 Jahre alt, als sie im Schutt des Obergeschoss des spätarchaischen Hauses zersplittert waren. Diese attischen, insbesondere schwarzfigurigen Importe haben offenbar eine weiterreichende Objektbiographie im Kreislauf gastfreundschaftlicher und ritueller Gabenpolitik durchlaufen. Überhaupt findet sich die qualitätsvollere, figürlich verzierte Keramik aus Athen fast ausschließlich nur im Kultkomplex um den Aphrodite-Tempel. Und ausnahmslos nur im Schutt aus den Banketträumen des spätarchaischen Hauses kam die frühe attisch-rotfigurige Keramik (510-470/60 v. Chr.) zutage. Damit wird die Präsenz des Attisch-Figürlichen zu einem Hauptmerkmal des keramischen Fundensembles aus dem spätarchaischen Haus, das in dieser Prominenz nur an wenigen binnenländischen Kult- und Siedlungsplätzen vorkommt. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die Konsumption und Zirkulation höchststehender attischer Importe an die zentralen Begegnungsstätten der west- und mittelsizilischen Eliten gekoppelt sind und deshalb ein interelitäres, gastfreundschaftliches Beziehungsnetzwerk indizieren.
III.2.2.5 Die übrige griechische Importkeramik (Sonja Rainer, Innsbrucker Diplomarbeit)
Die außerattische Importkeramik soll anhand vorhandener Standardwerke in ihren unterschiedlichen Gattungen und Provenienzen genauer bestimmt, typologisiert und datiert werden. Bezüglich der Gefäßformen fällt auch bei der außerattischen Firniskeramik auf, dass über die Hälfte der Fragmente von Schalen und Skyphoi stammen, wohingegen Kratere, Oinochoen, Salznäpfe u.a. nur sporadisch vertreten sind. In Hinblick auf die Fundvergesellschaftung zeigt sich für ganz West- und Mittelsizilien, dass die griechische Importkeramik in aller Regel zusammen mit Scherben von Schalen des Typs „Iato K 480“ zutage tritt. Schalen dieses Typs, der sich durch seine tropfenförmigen Firniskleckse auf dem tongrundigen Streifen zwischen den Henkeln leicht zu erkennen gibt, waren in den Jahrzehnten vor und nach 500 v. Chr. in West- und Mittelsizilien äußerst beliebt. Dank Archäometrie gelang es ihren Produktionsort in Töpfereien der griechischen Apoikie Himera zu lokalisieren. Die Fundorte der „Iato K 480“ entlang der Küsten und im Binnenland Siziliens geben auf diese Weise direkte oder indirekte Transaktionen mit Himera zu erkennen. Es gilt also danach zu forschen, inwieweit entlang der Verteilungslinien und in Fundvergesellschaftung mit den „Iato K 480“-Schalen auch die übrige griechische Firniskeramik als koloniale Belohnungsware ins Hinter- und Binnenland der indigenen Kontaktpartner gelangte.
III.2.2.6 Die Ziegel (Linda Burtscher, Innsbrucker Diplomarbeit)
Die Ziegel der vergangenen und aktuellen Grabungen vom spätarchaischen Haus wurden auf Anpassungen hin untersucht und teilweise neu inventarisiert, sowie zeichnerisch und photographisch dokumentiert. Die verschiedenen Ziegelarten wurden dabei genau bestimmt und in einer Datenbank aufgenommen. Besonderes Augenmerk wurde auf Ziegel mit Gebrauchsspuren und Stempel gelegt, die Aufschluss über die Produktion und Verteilung innerhalb Siziliens liefern können. Durch einen typologischen Vergleich sollen Handelskontakte und interregionale Beziehungen sichtbar gemacht werden. Die Arbeit widmet sich ebenfalls der differenzierten Analyse der Forschungsgeschichte archaischer Tonziegel, um die sizilischen Typen in einen Gesamtkontext einbinden zu können.
III.2.3 Der Befund der Lampen (MMag. Verena Schumacher, Innsbruck)
Funde von Öllampen in indigenen nichtgriechischen Siedlungen werden als ein Indikator für die Übernahme griechischer Kultur angesehen. Da vorwiegend Olivenöl als Brennmaterial diente und dieses in manchen Gegenden zu den kostbaren Rohstoffen zählte, können die Lampen auch als ein Zeichen für Luxus gelten. Die Bearbeitung dieser Fundgattung aus dem spätarchaischen Haus kann aufgrund vorhandener Typologien und Chronologien anderer Fundorte wichtige Feindatierungen des Befundes erbringen. Im Zuge dessen können Importstücke identifiziert und gegebenenfalls deren Produktionsorte ermittelt werden, wodurch die Vernetzungen mit der griechischen Welt archaischer Zeit deutlich wird. Daneben bietet die Untersuchung von sekundären Brandspuren, der genauen Fundlage und des Fragmentierungsgrades die Möglichkeit Aufschlüsse über die Funktion und die Verwendung der Lampen in den einzelnen Räumen sowie Hinweise auf die Auflassung des Hauses zu gewinnen. Angeschlossen wird eine Aufnahme der übrigen bisher ausgegrabenen spätarchaischen Lampen am Monte Iato, um die Funde im spätarchaischen Haus in Relation zu setzen und eventuell die besondere Stellung des Gebäudes zu verdeutlichen.
III.2.4 Der Befund der figürlichen Terrakotten (MMag. Verena Schumacher, Innsbruck)
Die indigene Siedlung am Monte Iato hebt sich von den übrigen einheimischen Fundplätzen Westsiziliens wie bei anderen Fundgattungen auch durch ihre Terrakotten erheblich ab. Im untersuchten Hauskomplex ist die Variationsbreite der spätarchaischen Tonplastiken stilistisch sowie inhaltlich sehr groß. Die Ermittlung ihrer Funktion, also beispielsweise ihres Votiv- oder Repräsentationscharakters und ihrer Herkunft würden aufschlussreiche Erkenntnisse über den Befund bringen. Bemerkenswert ist, dass im danebenliegenden sogenannten Aphroditetempel nur drei wahrscheinlich etwas später datierende Terrakottastatuetten gefunden wurden, was vielleicht Rückschlüsse auf die Bedeutung der Fundstücke im spätarchaischen Haus zulässt. In hellenistischer Zeit gab es eine eigene Ietinische Terrakottaproduktion, doch gibt es für die Zeit davor bisher keinerlei dahingehenden Hinweise, womit die Figuren eher als Importe anzusehen sind. Neben diesen Aspekten werden die Fundlage sowie der Erhaltungszustand der Objekte untersucht, um ihre Rolle zum Zeitpunkt der Hausauflassung zu klären.
III.2.5 Der Befund der Metalle (Dr. Holger Baitinger, Mainz, DFG-Kooperationspartner)
Die Herkunftsgebiete der Metallobjekte vom Monte Iato sind überaus weit gestreut und decken einen Raum ab, der von Süd- und Zentralfrankreich im Westen bis in den Kaukasus und nach Zypern im Osten reicht; Stücke aus dem griechischen Mutterland spielen hingegen nur eine sehr geringe Rolle. Besonders stark vertreten ist neben indigen-sizilischem Material auch solches aus dem Gebiet des heutigen Frankreich, doch sind auch Etrurien, der mittelitalisch-adriatische Raum und Kleinasien mit charakteristischen Objekten vertreten. Dies belegt eine weiträumige Vernetzung des Kultbezirkes um den Aphrodite-Tempel vom Monte Iato im westlichen Mittelmeerraum, die sich in anderen Fundgattungen – etwa der Importkeramik – widerspiegelt.
III.2.6 Der Befund der Textilproduktion (Dr. Hedvig Landenius Enegren, Kopenhagen, Marie Curie Fellowship)
Utensilien zur Herstellung von Textilien geben nicht nur Einblick in die technologische Konditionierung lokaler Bevölkerungsgruppen bei fremdkultureller Kontaktnahme. Über den „Stoff der Gaben“ operiert genauso die lokale Kultur und überregionale Politik des Schenkens und gegenseitigen Verpflichtens in formativen Gesellschaften, wofür die Dichtung Homers archetypisch steht. Wie die votivartige Niederlegung von Webgewichten im Obergeschoss des spätarchaischen Hauses auf dem Monte Iato anzeigt, wurden einzelne Webgewichte als Pars-Pro-Toto-Symbole für die eminent wichtige Bedeutung des Webens stofflicher Gaben und gesellschaftlicher Banden eingesetzt. Im Rahmen ihres Forschungsprojektes „West and East: Textile technologies and identities in the 1st millenium B.C. South Italy and Cyprus“ am Centre für Textile Research in Copenhagen wird Hedvig Landenius Enegren diesen ‚Fäden‘ sozialer Vernetzung in den archaischen Schichten der Kultstätte um den Aphrodite-Tempel nachforschen.
III.2.7 Der archäozoologische und archäobotanische Befund (Prof. Gerhard Forstenpointner, Prof. Ursula Thanheiser und Prof. Gerald Weissengruber, Wien)
Auf Basis der Analyse der entnommen Proben sollen Rückschlüsse über die Umweltbedingungen sowie über die Nahrungs- und Rohstoffbeschaffung möglich werden. Gleichzeitig soll der Fokus auf organische Reste gerichtet sein, die in Kombination mit den keramischen und metallenen Funde vermehrt Auskunft über die Riten, also die demonstrative Konsumption von Nahrung, Getränken und Gütern im archaischen Heiligtum geben können. Desweiteren werden neben den archäobotanischen insbesondere die archäozoologischen Auswertungen wichtige Daten für die Analyse der Konsumptionsgewohnheiten in den Räumen des obergeschossigen Banketthaus-Komplexes im Unterschied zu jenen auf dem davor gelegenen Festplatz liefern.
IV MitarbeiterInnen
Projektleiter/Principal Investigator
Prof. Dr. E. Kistler: Erich.Kistler@uibk.ac.at
Projektassistentin/Projectassistant
Mag.a Dr.in B. Öhlinger: Birgit.Oehlinger@uibk.ac.at
Dissertationsprojekt von B. Öhlinger im Rahmen des FWF-Projekts:
Formation und Transformation von Kultbauten und Kultplätze im Binnenland Siziliens in archaischer Zeit
ProjektmitarbeiterInnen/Project-cooperators
Dr. D. Feil (Numismatik; Institut für Archäologien, Universität Innsbruck):
Dietrich.Feil@uibk.ac.at
L. Burtscher (Ziegel; Institut für Archäologien, Universität Innsbruck):
Linda.Burtscher@student.uibk.ac.at
M. Hoernes (ceramica dipinta/ceramica incisa; Institut für Archäologien, Universität Innsbruck):
Matthias.Hoernes@student.uibk.ac.at
S. Kössler (ceramica incisa; Institut für Archäologien, Universität Innsbruck):
Simon.Koessler@student.uibk.ac.at
S. Ludwig (Gebrauchskeramik; Institut für Archäologien, Universität Innsbruck):
Stephan.Ludwig@student.uibk.ac.at
S. Rainer (Übrige griechische Importkeramik; Institut für Archäologien, Universität Innsbruck):
Sonja.Rainer@student.uibk.ac.at
E. Trenkwalder (Attische Keramik; Institut für Archäologien, Universität Innsbruck):
Evi.Trenkwalder@student.uibk.ac.at
MMag. Verena Schumacher (Lampen/Terrakotten; Institut für Archäologien, Universität Innsbruck):
Verena.Schumacher@student.uibk.ac.at
Dr. Hedvig M C D Landenius Enegren (Webgewichte; University of Copenhagen, Centre for Textile Research (CTR)): hedvigenegren@gmail.com
Dr. Holger Baitinger (Bronzen; RGZM):
baitinger@rgzm.de
Ao.Univ.-Prof. Dr. Ursula Thanheiser (Archäobotanik; VIAS - Vienna Institute for Archaeological Science, Universität Wien): Ursula.Thanheiser@univie.ac.at
Ao.Univ.-Prof. Dr.med.vet. Gerhard Forstenpointner (Archäozoologie; Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie, Universität Wien): Gerhard.Forstenpointner@vetmeduni.ac.at
Ao.Univ.-Prof. Dr.med.vet. Gerald Weissengruber (Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie, Universität Wien_Archäozoologie): Gerald.Weissengruber@vetmeduni.ac.at