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Heil in Bewegung: Die Bedeutung von Jesus als Sündenbock für Migranten und Migrantinnen in Indien

Das Studium der Christologie überrascht jede:n mit seinem unerschöpflichen Reichtum und der Erkenntnis der unergründlichen göttlich-menschlichen Natur Jesu Christi. Bereichert durch philosophische Grundlagen wird die Christologie zum Zentrum des christlichen Glaubens und durchdringt das gesamte menschliche Leben, indem sie die Fülle des Lebens verspricht. In der Analyse der Dramatischen Theologie wird Jesus zum ultimativen Sündenbock, um die Menschen verführende Haltung der Lüge und Gewalt aufzudecken, die aus der Selbsttäuschung und Selbstverteidigung gegen die verheißene Fülle des Lebens entsteht. Unsere Zeit ist da keine Ausnahme. Heute entladen sich mimetische Gewalt und Lügen auf Migranten und Migrantinnen in unserer Nähe und machen sie zu Sündenbocken. Ich möchte zeigen, dass Jesus Christus, der die Gewalt überwunden und in gewissem Sinne das Ende der Sündenbockjagd markiert hat, von hoher Relevanz ist, um den Vorurteilen, der Gewalt und der Viktimisierung, die den Migrierenden zugefügt werden, entgegenzuwirken.

Forschungsinteresse

1. Es soll gezeigt werden, wie Migrierende an ihren Zielorten zu Sündenbocken gemacht werden. Die grenzenlosen und überzogenen Vorurteile fördern die Sündenbock-Haltung gegenüber den Migranten und Migrantinnen und rechtfertigen gewalttätige und ungerechte Handlungen gegen sie als gut und als Akte der Selbstverteidigung. Die mimetische Theorie von René Girard würde uns helfen, die Haltungen der Aufnahmestaaten zu untersuchen und Kriterien für ihre Angemessenheit zu entwickeln.

2. Es soll dargestellt werden, wie die Dramatische Theologie herausarbeitet, dass Jesus von verschiedenen Akteuren zum Sündenbock gemacht worden ist für seine Ankündigung des Reiches Gottes und die Ansage des Gerichts. Jesus nahm die Rolle des Sündenbocks um seiner Botschaft willen an, um dem Sündenbock-Dasein ein Ende zu bereiten, indem er den Selbstbetrug und die Selbstgerechtigkeit derjenigen aufdeckte, die seinen Tod verursacht hatten. Auf diese Weise durchbrach er den Kreislauf der mimetischen Gewalt, indem er über seine Feinde nicht mit Gewalt triumphierte, sondern durch seine Feindesliebe und seine Bereitschaft, mit seinen Verfolgern Frieden zu schließen. Indem wir analysieren, wie Jesus dadurch, dass er zum ultimativen Sündenbock wurde, auch zum Retter der Welt wurde, beabsichtigen wir, die Grundlage für den dritten Schritt zu legen.

3. Sündenbockjagden geschehen weiterhin. Sie laufen bequem versteckt hinter den Masken von Regionalismus, Nationalismus und Fundamentalismus ab. Es sollte geklärt werden, inwiefern der dem entgegenwirkende Ansatz Jesu bei der Sammlung des neuen Gottesvolkes auch für die Behandlung von Migrationsfragen in unseren Tagen relevant ist. Da sich die vorliegende Forschung auf die Situation von Migrierenden in Indien konzentriert, erscheint es angebracht, mit dem Vater des unabhängigen Indiens, Mahathma Gandhi, in Dialog zu treten, umso mehr als dessen Konzept der Gewaltlosigkeit von der Gestalt Jesu von Nazareth inspiriert wurde. Gandhis Entwicklung der Philosophie der Gewaltlosigkeit soll mit Girards und Schwagers Analysen der Gewalt und ihrem Ansatz der Gewaltlosigkeit mit in Verbindung gebracht werden. Der Beitrag Gandhis würde somit sowohl die kontextuellen als auch die theologischen Überlegungen bereichern.

Forschungsfragen

1. Kann die Situation der indischen Arbeitsmigration als Sündenbocksituation im Sinne von René Girard beschrieben werden?

2. Wie stellen Girard und Schwager Jesus als den ultimativen Sündenbock dar und welche Bedeutung hat das für die Friedensstiftung unter Menschen und ihre Erlösung?

3. Inwiefern können diese Erkenntnisse die Emanzipation und das Heil der Migrierenden fördern?

Forschungsmethoden

Als Forschungsmethoden werden wir die hermeneutischen Werkzeuge, welche die mimetische Theorie und die dramatischen Theologie entwickelt haben, für das vorliegende Problem nutzen. Diese beiden Ansätze haben eine Hermeneutik entwickelt sowohl für Situationen gewalttätigen menschlichen Verhaltens als auch für biblische Texte, die dieses Verhalten erhellen. Indem wir diese Hermeneutik auf die Situation der Migrierenden in Indien und auf das neutestamentliche Drama der Mission Jesu, das Reich Gottes zu errichten, anwenden, hoffen wir eine Erklärung für die Situation der Migrierenden zu finden sowie Hinweise, wie ihr Los zu lindern ist und dem Sündenbockdenken entgegengewirkt werden kann.

Literatur

Schwager, Raymund. Jesus in the Drama of Salvation: Toward a Biblical Doctrine of Redemption. Translated by James G. Williams and Paul Haddon. New York: The Crossroad Publishing Company, 1999.
Schwager, Raymund. Must There be Scapegoats?: Violence and Redemption in the Bible. Translated by Maria L. Assad. San Francisco: Harper & Row Publishers, 1987.
Girard, René. The Scapegoat. Translated by Yvonne Freccero. Baltimore: The Johns Hopkins University Press, 1986.
Palaver, Wolfgang. Rene Girard’s Mimetic Theory. Translated by Gabriel Borrud. Michigan: Michigan State University Press, 2013. 

Betreuer
Assoz.-Prof. Mag. Dr. Nikolaus Wandinger
Institut für Systematische Theologie

Doktorand
Sebastian Crossian SJ
Sebastian.Crossian(at)student.uibk.ac.at

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