WissenAmFreitag #11
Hallo,
mitten im Sommerloch sorgte der Tourismusverband Linz Anfang August mit der Kampagne „Linz ist Linz“ für mediales Aufsehen. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie sollte das Image der Industriestadt aufpoliert werden. Eine halbe Million Aufrufe und überwiegend positive Bewertungen ließen das Video zur Kampagne viral gehen. Die Stadtoberen waren freilich wenig begeistert von der bunten Bilderwelt und Slogans wie „Linz ist eintönig“ oder „Linz ist grauslich“. Und während der Linzer Vizebürgermeister in der Kampagne seine „Heimatstadt“ nicht wiedererkennen konnte, plakatierte sein Grazer Amtskollege Mario Eustacchio für die Gemeinderatswahl an diesem Wochenende den Slogan „Graz ist nicht eure Heimat. Garantiert!“ vor einem Foto von Flüchtlingen, was wiederum scharfe Kritik seiner Mitbewerber auslöste.
Diesem „inflationären Gebrauch von Heimat durch Rechtsparteien“ stellen der Migrationsforscher Erol Yildiz und der Wirtschaftshistoriker Wolfgang Meixner im neuen Büchlein Nach der Heimat aus der Reclam-Reihe [Was bedeutet das alles?] eine Analyse entgegen, die die Bedeutung von Heimat im Kontext von Migration und Globalisierung zu verstehen versucht. Anhand von konkreten Lebensgeschichten zeigen sie, dass Heimat keine abstrakte Kategorie, sondern vor allem eine individuelle Erfahrung ist. Migrations- und Fluchtbiografien verdeutlichen, wie Mobilität die Menschen „mehrheimisch“ werden lässt. „Und zählt man die Binnenmigration dazu, ist ein Großteil der Menschen im europäischen Raum mit Migrationserfahrungen konfrontiert“, resümieren Yildiz und Meixner.
Mit dieser Deutung lenken die beiden Wissenschaftler der Uni Innsbruck den Blick auf eine neue Qualität des Sozialen – ein Blick, der durch die aktuellen politischen Debatten verdeckt wird. Gegen den Nationalismus wollen sie die gesellschaftliche Vielheit und Vielstimmigkeit sichtbar machen. Durch Globalisierung und lokale Diversifizierung sind „Lebensformen und Milieus entstanden, die Entferntes miteinander kombinieren, neue Erfahrungs- und Denkhorizonte eröffnen sowie Räume für Kompetenzen und Lernprozesse schaffen.“ Heimat wird zu einem „Produkt bewegter Lebensgeschichten“, so Yildiz und Meixner, die sich vehement gegen die Verwurzelungsmanie des ideologisierenden Heimatbegriffs wenden.
Ein schönes Wochenende wünscht
Christian Flatz
Kommunikationsteam der Universität Innsbruck