WissenAmFreitag #18 - 12/11/2021 

Hallo,

hätten Sie ein Problem damit, den Rest des Jahres gratis zu arbeiten? In Österreich verdienen Frauen im Durchschnitt 18,5 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Damit arbeiten sie statistisch betrachtet seit dem 25. Oktober ohne Bezahlung. Rechnet man den Wert auf ein ganzes Erwerbsleben um, entgehen Frauen im Schnitt rund 500.000 Euro. Im europaweiten Vergleich schaut es nicht rosiger aus. Österreich zählt zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. Dieser lag laut Eurostat 2019 bei 19,9 Prozent. Gezeigt wird dies anhand des Gender Pay Gap, der in der gesamten Europäischen Union einheitlich auf Basis der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste ermittelt wird. Berücksichtigt werden dabei unselbstständige Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Um gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erreichen, muss noch viel getan werden. Die Benachteiligung am Arbeitsmarkt hat viele Gesichter. Erst kürzlich erging ein wegweisendes Urteil am Landesgericht Innsbruck. Eine Akademikerin und zweifache Mutter wurde in ihrer Elternteilzeit zurück ans Regal versetzt. Die leitende Angestellte ließ sich die Herabstufung nicht gefallen und bekam vor Gericht Recht. Ein Etappensieg mit Signalwirkung.

An der Uni Innsbruck gibt es glücklicherweise eine Menge Anknüpfungspunkte. So stellt der Arbeitskreis für Gleichbehandlung die zentrale Anlaufstelle für Mitarbeiter*innen und Studierende dar. Ziel der Einrichtung ist es, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion, des Alters oder der sexuellen Orientierung entgegenzuwirken und den Betroffenen vertraulich zur Seite zu stehen. Für Beratungen und Informationen steht auch das Büro für Gleichstellung und Gender-Studies im Hauptgebäude zur Verfügung.

Seit über zehn Jahren besteht die Möglichkeit das interfakultäre Masterstudium „Gender, Kultur und Sozialer Wandel“ zu absolvieren. Daneben gibt es auch das Doktoratskolleg „Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in Transformation“. Nach 20 Jahren kritischer Frauen- und Geschlechterforschung wurde im Jahr 2019 das Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI) als eigenständige Organisationseinheit etabliert. Durch die Forschungsplattform des CGI soll eine verstärkte Vernetzung und Sichtbarmachung der Frauen-, Gender- und feministischen Forschung vorangetrieben werden. Am 16. November um 18 Uhr veranstaltet das CGI die 68. Gender Lecture. Das Thema des Online-Vortrags ist brandaktuell: Die Linzer Professorin Doris Weichselbaumer stellt sich die Frage, warum Menschen bei gleicher Qualifikation aufgrund von verschiedensten Merkmalen diskriminiert werden – z.B. aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Migrationshintergrund oder Religion.

Es gibt viele Hebel, die man in Bewegung setzen muss. Um so wichtiger ist es, dass diesen Themen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Universitäten bieten dafür einen Raum und ermöglichen freies, kreatives und wagemutiges Denken. So untersuchte beispielweise ein Forscherinnenteam, warum Frauen in Unternehmensvorständen besonders häufig für das Personal zuständig sind. Wir müssen so ehrlich sein und zugeben, dass Veränderungen nicht von heute auf morgen passieren. Trotzdem freut es mich, dass der Stein für nachhaltige Veränderungen ins Rollen kommt. Oder um es in den Worten von Neil Armstrong zu sagen: Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.

Ein schönes Wochenende wünscht
Miriam Sorko
Kommunikationsteam Universität Innsbruck

PS: Mein Kollege Udo Haefeker arbeitet gerade an einem informativen Kurzfilm über das Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck, der pünktlich zum Tag der Geschlechterforschung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung am 7. Dezember auf der Homepage der Universität veröffentlicht wird.

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