Das Nachwuchsförderprogramm wurde 2005 an der Uni Innsbruck geschaffen. In Übereinstimmung mit den Bestrebungen der österreichischen und europäischen Wissenschafts- und Bildungspolitik soll es herausragenden Studierenden ermöglichen, eine Karriere als Wissenschaftler:innen zu wählen.
Im Interview mit dem Social Media Team der Fakultät erhellt Anton Alirio Kelderer seine Ansätze und Erfolgsgeheimnisse:
Was hat Ihnen das Studium in Innsbruck gebracht?
Durch das Integrierte Diplomstudium der Rechtswissenschaften (Italienisches Recht) wurde ich mit dem vertraut gemacht, was oft als „juristisches Denken“ bezeichnet wird. Ich wurde angeregt, analytisch und problemorientiert vorzugehen, komplexe Interessensabwägungen zu treffen und mich intensiv mit Texten auseinanderzusetzen. Außerdem habe ich durch das Studium meine Italienischkenntnisse verbessert, da die Lehrveranstaltungen (mindestens) zweisprachig angeboten werden. Durch einen Auslandsaufenthalt in Mailand konnte ich auch in meinem alltäglichen Umfeld italienisch sprechen.
Während meines Studiums habe ich viele Freundschaften geschlossen, mit denen ich bis heute Kontakt pflege. Am Studienort Innsbruck konnte ich auch vom abwechslungsreichen Sport- und Freizeitangebot profitieren. In unterschiedlichen Sportgruppen durfte ich viele spannende Menschen kennenlernen und mich sportlich mit ihnen messen.
Wie sind Sie zu Ihrem Thema gekommen?
Mit dem Themengebiet des Datenschutzes habe ich mich während meiner Arbeit im Personalmanagement und Datenschutz an den tirol kliniken auseinandergesetzt. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit Fremdunternehmen zu cloudbasierten Medizinprodukten wurde auch über die datenschutzrechtliche Rollenbestimmung diskutiert. Problematisch dabei war, dass keine der involvierten Parteien die Rolle des alleinigen datenschutzrechtlichen Verantwortlichen übernehmen wollte. Durch eine großartige Teamarbeit von Datenschützer:innen aus unterschiedlichen Krankenanstalten konnte der Vorschlag einer Sphärentheorie entwickelt werden. Dadurch sollte die datenschutzrechtliche Verantwortung näher mit den faktischen Kompetenzen und Handlungsbefugnissen abgestimmt werden, um die Vertragsverhandlungen zu erleichtern. Zur gleichen Zeit habe ich auch ein Seminar an der Philosophisch-Historischen Fakultät zu philosophischen Metaphertheorien bei Dr. Sergej Seitz besucht. Dadurch wurde mir bewusst, inwieweit Rechtsbegriffe interpretationsbedürftig sind und über welches Generalisierungsniveau sie verfügen.
Ich habe mich für die Beschränkung der Forschungsfrage auf Cloud-Computing entschieden, da ich kein Fachexperte des Medizinrechts bin. Dagegen würde ich gern die IT-Aspekte mit den Rechtstheorien und der juristischen Methodenlehre in Verbindung bringen, wofür die Studien der Komparatistik und Philosophie eine wertvolle Hilfestellung bieten. Ich verfasse die Dissertation am Institut für Theorie und Zukunft des Rechtes unter der Betreuung von Prof. Matthias C. Kettemann. An diesem Institut wird interdisziplinär und länderübergreifend an Zukunftsfragen geforscht, sodass sich mein Thema gut integrieren lässt.
Wie verbinden Sie Philosophie und Recht?
Philosophie und Recht verfügen über viele Anknüpfungspunkte. Für mich waren vor allem hermeneutische Fragestellungen interessant, um beide Disziplinen zu verbinden. In der Philosophie interessiert mich besonders das Themenfeld der Phänomenologie. Im Rahmen meiner Philosophie-Masterarbeit bei Frau Prof. Anne Siegetsleitner habe ich anhand von ausgewählten phänomenologischen Theorien Ansätze für eine funktionelle und problemorientierte Rechtsaulegung entwickelt. Dabei habe ich den Fokus besonders auf Fragen der Interpretation von Texten und konkreten Sachverhalten gesetzt.
Über die Phänomenologie wurde ich angeregt, die Aufmerksamkeit auf das Faktische zu richten und gegenüber abstrakten und spekulativen Systemen skeptisch zu sein. Diese Haltung versuche ich auch bei juristischen Fragestellungen beizubehalten. Vielfach geht es darum, die von einer Entscheidung betroffenen Menschen ins Blickfeld zu rücken und ihre Lebenswirklichkeit anzuerkennen. Werden die faktischen Grenzen und Möglichkeiten der involvierten Akteure bedacht, können lösungsorientierte und einzelfallbezogene Entscheidungen getroffen werden.
Was würden Sie im Nachhinein anders machen im Studium?
Heute denke ich, dass ich bereits während des Studiums der Rechtswissenschaften mit dem Philosophie- oder Komparatistikstudium beginnen hätte können. Leider erleben Geisteswissenschaften oft nicht die gebührende Anerkennung in der Gesellschaft. Als junger Mensch habe ich mich ganz einfach nicht getraut, diese zu studieren. Aber vielleicht ist es auch gut, dass ich zuerst mein Grundstudium in den Rechtswissenschaften absolviert und Arbeitserfahrung gesammelt habe. Dadurch konnte ich das Philosophie- und Komparatistikstudium mit einem ganz anderen Erfahrungsschatz als nach der Schule angehen.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Als unmittelbar nächsten Schritt möchte ich gern die Masterarbeit an der Komparatistik zu Phänomenen der Gegenwartskunst im Spannungsverhältnis zum Urheberrecht bei Prof. Martin Sexl abschließen. In Bearbeitung ist auch eine wissenschaftliche Publikation, in der die Sphärentheorie als Denkform für die datenschutzrechtliche Rollenbestimmung untersucht wird. Außerdem wäre eine weitere Publikation zu ausgewählten Forschungsergebnissen aus der Auseinandersetzung mit dem öst. UrhG denkbar. In der nächsten Zeit möchte ich auch meine Dissertation weiterentwickeln, um diese bald zu einem Abschluss zu bringen. Mittelfristig werde ich mich auch mit der Frage auseinandersetzen, ob ich eine klassische juristische Laufbahn inklusive Anwaltsprüfung angehen will, oder ob ich mich in der Wissenschaft aufgehoben sehe.