Bild: Eva Maria Gintsberg, Fatima Daas, Doris Eibl, Eva Lavric und Birgit Mertz-Baumgartner (v.l.n.r.). (Credit: Ludovic Milot)
Der erste Teil der Reihe war die Lesung der ebenfalls französisch-algerischen Autorin Kaouther Adimi aus ihrem Roman „Les petits de Décembre“ (Die Dezemberkids) am 18.5.2022 in der Buchhandlung Wagner’sche hatte. „Diese Doppel-Veranstaltung hatte der interdisziplinäre Frankreich-Schwerpunkt der Uni Innsbruck sich selbst und dem Publikum zu seinem 20. Gründungsjubiläum geschenkt“, erklärte die Leiterin, Prof. Eva Lavric, in ihrer Einleitung. In der Tat wurde spürbar, wie die beiden Abende auch den Mitwirkenden – den Autorinnen sowie den romanistischen Literaturwissenschaftlerinnen Doris Eibl und Birgit Mertz-Baumgartner und der für die deutschsprachigen Textproben zuständigen Eva Maria Gintsberg – große Freude bereiteten. Beide Lesungen zeichneten sich durch ein zahlreich erschienenes und gut informiertes großteils studentisches Publikum aus, da die beiden Werke im Unterricht durchgenommen worden waren. Gemeinsam war den Abenden auch die Mischung aus Lesung (teils auf Deutsch, teils auf Französisch) und Gespräch mit den Autorinnen, die die Geschehnisse mit ihren eigenen Erfahrungen wie auch mit dem Zeitgeist und mit literarischen Vorbildern in Bezug setzten.
Der Romanerstling von Fatima Daas, der 2020 erschienen ist und inzwischen schon in 20 Sprachen übersetzt wurde, – ganz zu schweigen von den erhaltenen Preisen – ist eine Identitätssuche und eine Befreiung der mit der Autorin namens- und schicksalsgleichen Protagonistin, der durch die zwar variierte, aber doch eindringlich repetitive Nennung ihres Namens – „Je m’appelle Fatima Daas“ – am Anfang eines jeden Abschnitts strukturiert wird. Familie (vgl. den Titel „Die jüngste Tochter“) und Religion (der Islam und seine Vertreter), stehen in Spannungsfeld zur sexuellen Orientierung der Gestalt und machen ihr Leben wie ihre Liebesbeziehungen alles andere als einfach. Dazu kommt der Aspekt der Krankheit und der Isolation, des Nicht-verstanden-Werdens, des Nicht-darüber-reden-Könnens. Die Autorin selbst wirkt allerdings, als hätte sie – vielleicht gerade durch das Schreiben – all das inzwischen überwunden und sei mit sich selbst, mit ihrem Glauben und mit ihrer Familie im Reinen – in einer Art schweigenden Einverständnisses, wie es auch der Romangestalt am Ende des Textes endlich zuteil wird.
(Eva Lavric)