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Tagung 

Programm

Auswahlbibliographie

 

Exposé:

Nach den beiden ersten romanistischen TV-Tagungen zu Fragen der Intermedialität (Salz­burg) bzw. zu TV-Formaten (Wien) wird sich das dritte Kolloquium einem konkreten Format widmen, dem der Serie und dabei den romanischen Raum überschreiten. Ausgehend davon, dass der Markt der Fernseh­serien vom US-amerikanischen Mediensystem dominiert wird, es aber dennoch erfolgreiche nationale Produktionen zu beobachten sind, richtet sich unser Au­gen­merk auf die regionale Aneig­nung angloamerikanischer Formate in Europa. Dem Ansatz der Globalität einiger weniger Serien­formate wird daher der der Glokalität entgegengesetzt, also der Wechselwirkung von globalen und lokalen Formaten.[1] Unsere Tagung versteht sich daher als eine Antwort auf die Sichtweise einer ausschließlich hegemonialen ökonomischen,[2] aber auch symbolischen Vormachtstellung der USA, da wir die Vielfalt der europäischen Serienkultur ins Blickfeld nehmen wollen.

TV-Serien sind seit den ersten Arbeiten der britischen Cultural Studies ein beliebter Gegen­stand wissen­schaftlicher Auseinan­dersetzung. Während lange Zeit v.a. ideologiekritische und rezep­tions­orientierte Studien im Vordergrund standen[3], hat sich dies in den letzten Jahren geän­dert. Zuneh­mend sind im Zuge der Etablierung einer theoretischen fundierten TV-For­schung[4] medienästhetische Formen der Auseinandersetzung sowie Paradigmen der zweiten Generation der Kulturstudien in den Vordergrund gerückt.

Die englischsprachige Forschungslandschaft hat diesbezüglich in der Serienforschung Pio­nier­arbeit gelei­stet und u.a. zu einer stärkeren Konzentration auf den Kultstatus von einigen Serien, die über nationale Grenzen hinweg eine identitätsstiftende Funktion eingenommen haben, beigetragen.[5] Aber auch in der deutsch- und französischsprachigen Film- und Medien­wissenschaft haben Fragen der Seria­li­tät seit einigen Jahren Hochkonjunktur.[6] Zu nennen sind hier neben einigen Arbeiten des Göttin­ger Sonderforschungsbereichs zur Serialität[7] zwei Ta­gun­gen, die sich jüngst der Serienkultur gewidmet haben: die in Zürich von Robert Blanchet, Kristina Köhler, Tereza Smid und Julia Zutavern 2009 veranstaltete Konferenz zu „Seriellen Formen“ und die von Susanne Eichner, Lothar Mikos und Rainer Winter 2010 in Potsdam-Babelsberg organisierte Tagung „Contemporary Serial Culture: Quali­ty TV Series in a New Media Environment“.[8] Diese drei Initiativen sind insofern repräsentativ als dass sie zwei Ten­den­zen der Serienforschung deutlich machen: Einerseits die starke Konzentration auf einige wenige zeitgenössische Serienformate wie Krimi- und Fantasy­formate[9], andererseits eine Fokus­sierung auf englischsprachige, v.a. US-amerikanische Serien. Deutlich macht dies beispielsweise die international besetzte Potsdamer Tagung mit über 60 Teilnehmerinnen, neben anglo-amerika­nischen Serien sind noch einige Beiträge zu südameri­kani­schen Serien sowie zu Nordeuropa vertre­ten; darüber hinaus finden sich nur sehr vereinzelt Vorträge zu anderen Kulturräumen. Es kann u.a. an einige deutsch­sprachige Arbeiten angeknüpft wer­den[10].

Folgenden Themen sollen dabei nachgegangen werden:

  • Regionalen und nationalen Spezifika einer europäischen Serienkultur. Erfolgreiche Serien wie die französische Kaamelott (2005-2009) parodieren einen der zentralen Texte der französischen Literatur, die Arthus-Saga,[11] die italienische Fernsehserie Boris. La fuori serie italiana (2007-2010) wiederum ist eine Satire auf die gängigen Soapoperas, die ihr Vorbild in den USA finden (aus der Perspektive des Goldfisches Boris hinter den Kulissen).
  • In diesem Zusammenhang ist von großem Interesse, welche Formate vorherrschen bzw. wie die US-amerikanischen Formate abgewandelt bzw. glokalisiert werden. Wie finden auf der Bildebene und der Tonspur nationale und regionale Aneignungen statt?[12]
  • Kann man in Bezug auf den südeuropäischen Raum etwa bei medienästhetisch und produktions­wirtschaft­lich so unterschiedlich gelagerten Serien wie Il giornalino di Gian Burrasca (Lina Wert­müller, 1964-65, Programma Nazionale, 8 Folgen), Monaco Franze – Der ewige Stenz (Helmut Dietl, 1981-83, Balance Film/ARD, 10 Folgen), Don Matteo (mit Terence Hill, 2000-11, Rai1/HD, 171 Folgen) oder Plus belle la vie (2000-, Hubert Besson/France3, bisher 799 Folgen) von Einschreibungen globaler Formate in die Regional- oder Nationalkulturen sprechen?
  • Kann in Analogie zum Kino für den Mittelmeerraum von einer „Serialität der Nostalgie“ gespro­chen werden, die im Vergleich zum US-amerikanischen Kino stärker zwischenmenschliche und traditionsgebundene Werte stark macht und weniger technik- und fortschrittsorientiert ist?[13]

Die Innsbrucker Tagung TV glokal wird wie die Vorgängerkolloquien einen Workshop-Charakter haben und sich auf eineinhalb Tage be­schrän­ken (Donnerstag 09h bis ca. Freitag 14.30h). Da eine Publikation in einem deutschsprachigen medienwissenschaft­lichen Verlag geplant ist, soll der Konsistenz willen, im Rahmen der Frage nach einem europäischen „TV glokal“ eine kultur­wissen­schaftliche Per­spektive mit einer medienästhetischen Auseinander­setzung verbun­den werden. Es sind Beiträge sowohl zu zeitgenössischen TV-Serien als auch zu solchen aus der frühen Fernseh­geschichte möglich. Um der angesprochenen hegemonialen Verortung der Serien­kultur ein möglichst ausgewogenes Panorama an Serienformaten, -sprachen und -kulturen entgegen­setzen zu können, wünschen wir uns auch Vorträge zu weniger gut er­forsch­ten Formaten bzw. auch zu traditionell vernachlässigten TV-Kulturen des süd- und osteuro­päischen Raums wie Italien, Kroatien, Polen, Portugal, Rumänien, Tschechien und Ungarn.


[1] Vgl. Roland Robertson, „Glokalisierung: Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit“, in: Ulrich Beck (Hg.), Perspektiven der Weltgesellschaft; Frankfurt am Main, Suhrkamp 1998.

[2] Vgl. auch die Website http://www.serienjunkies.de/

[3] Michael Grisko (Hg.): Texte zur Theorie und Geschichte des Fernsehens. Stuttgart: Reclam 2009; Friedrich Knilli (Hg.), Die Unterhaltung der deutschen Fernsehfamilie. Ideologiekritische Kurzanalysen von Serien. München, Hanser 31972; Richard Adle/Douglass Cater (Hg.), Television as a cultural force. New York u.a., Praeger Publ. 1976; Martin Jurga, Fernsehtextualität und Rezeption. Opladen u.a., Westdeutscher Verlag 1999; David Morley, Television, audiences and cultural studies. London u.a., Routledge 1992; Andreas Hepp, Fernsehaneignung und Alltagsgespräche. Fernsehnutzung aus der Perspektive der Cultural Studies. Opladen, Westdeutscher Verlag 1998.

[4] Vgl. Ralf Adelmann u.a. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft: Theorie, Geschichte, Analyse. Konstanz: UVK (UTB) 2002; Lorenz Engell, Lorenz: Vom Widerspruch zur Langeweile. Logische und temporale Begründungen des Fernsehens. Frankfurt am Main u.a., Lang 1989; ders.: Fernsehtheorie zur Einführung. Hamburg, Junius 2012; Oliver Fahle/Lorenz Engell (Hg.): Philosophie des Fernsehens. Paderborn, Fink, 2006.

[5] Vgl. Robert C. Allen (Hg.): To Be Continued...: Soap Operas Around the World. London u.a.: Routledge 1995; Robin Nelson: TV Drama in Transition: Forms, Values and Cultural Change. Hampshire: Palgrave Macmillan 1997; Stacey Abbot, The Cult TV Book, London, I.B. Tauris 2010 sowie die Reihe Investigating Cult TV Series beim gleichen Verlag bzw die Reihe Investigating Cult TV bei Palgrave McMillian: http://us.macmillan.com/series/InvestigatingCultTV, http://www.ibtauris.com/Series/Investigating%20Cult%20TV%20Series.aspx.

[6] Arno Meteling/Isabell Otto/Gabriele Schabacher (Hg.): »Previously on …«. Zur Ästhetik der Zeitlichkeit neuerer TV-Serien. Paderborn, Fink 2010; Günter Giesenfeld (Hg.), Endlose Geschichten. Serialität in den Medien. Hildesheim u.a., Olms-Weidmann 1994; Dennis Graef u.a.: Filmsemiotik: Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate. Marburg: Schüren 2011; Christoph Dreher (Hg.), Autorenserien / Auteur Series: Die Neuerfindung des Fernsehens / The Re-Invention of Television. Stuttgart, Merz Akademie 2010; Joachim Michael, Telenovelas. Intermediale Gattungspassagen und kulturelle Zäsur. Bielefeld, transcript 2011. Zu Frankreich vgl. Pierre Beylot/Geneviève Sellier (Hg.): Les Séries policières. Paris, L’Harmatan 2004; Éric Maigret/Guillaume Soulez (Hg.): Les séries télé [hors-série MédiaMorphoses] Paris, Ina-Armand Colin 2007.

[7] Vgl. die Publikationen Frank Kelleter (Hg.): Populäre Serialität: Narration-Evolution-Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert, Bielefeld, transcript (in Druck); Christian Hißnauer/Thomas Klein (Hg.), Klassiker der Fernsehserie, Stuttgart: Reclam (in Druck) sowie http://serialitaet.uni-goettingen.de/

[8] Robert Blanchet/Kristina Köhler/Tereza Smid/Julia Zutavern (Hg.), Serielle Formen: Von den frühen Film-Serials zu aktuellen Quality-TV- und Onlineserien. Marburg, Schüren 2011; Susanne Eichner/Lothar Mikos/Rainer Winter (Hg.), Transnationale Serienkultur: Theorie, Ästhetik, Narration und Rezeption neuer Fernsehserien, Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften (in Druck), http://www.hff-potsdam.de/fileadmin/hff/dokumente/Downloads/CSC_Papers_and_Speaker.pdf.

[9] Jason Mittell, Genre and television. From cop shows to cartoons in American culture. New York, Routledge 2004; Susanne Eichner/Lothar Mikos/Elizabeth Prommer/Michael Wedel, Die Herr der Ringe-Trilogie. Attraktion und Faszination eines populärkulturellen Phänomens.

[10] Vgl. Susanne Fendler/Ute Fendler, Crime time - prime time - global time. Intercultural studies in crime serials. Aachen, Shaker 2004; Vgl. dazu Birgit Wagner, „Fernsehformate und Fernsehkulturen. Am Beispiel der französischen Serie Suspectes. Chaque femme a un secret“, in: Jörg Türschmann/Birgit Wagner (Hg.), TV global. Erfolgreiche Fernseh-Formate im internationalen Vergleich. Bielefeld, transcript 2011..

[11] Sabine Schrader, „Serielle Komik. Die französische Kultserie Kaamelott (2005ff)“,  in: Jörg Türsch­mann/ Birgit Wagner (Hg.), TV global. Erfolgreiche Fernsehformate im internationalen Vergleich. Bielefeld, transcript 121-142.

[12] Vgl. dazu Tanja Weber, Kultivierung in Serie. Kulturelle Adaptionsstrategien von fiktionalen Fernsehserien. Marburg, Schüren 2012; Wagner in Wagner/Türschmann sowie Donetalla Della Ratta in: Eichner/Mikos/Winter.

[13] Vgl. Raphaël Millet, Cinémas de la Méditerranée, cinémas de la mélancolie. Paris, L‘Harmattan 2002 sowie den Beitrag von Hanna Hatzmann in: Türschmann/Wagner 2011.

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