Soziologie als Beruf – Ein kleiner Überblicksbericht

Mit Veronika Riedl, Michael Zahnbrecher, Amra Durakovic & Professor Frank Welz

 

Nach einer längeren Pause kehrte das Format „Soziologie als Beruf“ endlich im Wintersemester 2021/2022 am 14.01.2022 wieder zurück. Zu Gast dabei waren diesmal Veronika Riedl, Michael Zahnbrecher, Amra Durakovic und Professor Frank Welz. Zwar anfangs in Präsenz geplant, musste die Veranstaltung aufgrund der aktuellen Lage virtuell über OLAT stattfinden. Das Publikum war intersemestral vertreten – vom ersten Bachelorsemester bis zu den Mastersemestern waren alle herzlich eingeladen einzuschalten, ihre Fragen zu stellen und in einer Abschlussrunde mitzudiskutieren. Moderiert wurde der Abend von Quentin Erren und Nik König, mit Unterstützung vom Institut und der Studienvertretung Soziologie. Von 18 bis 19:30 Uhr angesetzt, ging es anschließend für weitere anderthalb Stunden in kleinerer Runde weiter. Die Resonanz zur Veranstaltung war von allen Seiten positiv und wir hoffen im nächsten Semester „Soziologie als Beruf“ in Präsenz stattfinden lassen zu können. Hiermit möchten sich die Organisatoren nochmals herzlich bei allen Vortragenden und beim Publikum bedanken und wir hoffen, dass euch der Abend ebenso gefallen hat.

 

Veronika Riedl hat ab 2014 in Innsbruck Soziologie und Französisch im Bachelor studiert und anschließend den „Master Soziologie: Soziale und politische Theorie“ belegt. Im Rahmen ihres Soziologiestudiums absolvierte sie auch zwei Auslandsstudienjahre in Frankreich und in Kanada. Nach ihrem Abschluss 2020 bewarb sich Veronika für PhD-Stellen, sah sich aber unter anderem auf Grund der geringen Anzahl an Ausschreibungen auch vor Ort nach Möglichkeiten um. Ihrem Interesse für Kunst und Kultur folgend begann sie vor knapp einem Jahr als Assistenz der Geschäftsleitung im Künstlerhaus Büchsenhausen in Innsbruck zu arbeiten. Das Künstlerhaus betreibt ein internationales Fellowship Programm für Kunst und Theorie, das einen Fokus auf die künstlerische bzw. kunsttheoretische Wissensproduktion, -aneignung und -verarbeitung aus einer kritischen, gesellschaftsrelevanten Perspektive legt. Sie ist unter anderem zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungsplanung, Mitarbeiter*innenkoordination, arbeitet bei Antragstellungen für Subventionen und den Projektdurchführungen der Fellows mit. Veronika lädt dazu ein, das nicht klar definierte Berufsprofil in der Soziologie auch positiv wahrzunehmen und schätzt die Möglichkeit, sich im Studium einen offenen und kritischen Blick anzueignen und zu lernen, komplexe Fragestellungen zu analysieren – Fähigkeiten, die in verschiedenen Bereichen gefragt sind.

Michael Zahnbrecher hatte während seines Soziologie-Masterstudiums bereits einen Werkstudenten-Job beim Unternehmen Infineon, wo er nun auch in der CEO-Kommunikation tätig ist. Den Einfluss des Soziologie-Studiums auf ihn beschreibt er anhand drei Ebenen. Inhaltlich: In seinem Beruf ist konkretes soziologisches Theoriewissen selten nötig. Allerdings empfindet er es als hilfreich, sich mit Konzepten von Gesellschaft und Öffentlichkeit befasst zu haben, denn das ist auch das Umfeld, in dem Vertreter des Unternehmens auftreten und wirken sollen. Das Denken in großen Zusammenhängen sowie das Erkennen und Einsortieren möglicher unterschiedlicher Interessen und Konfliktfelder wird dadurch erleichtert. Methodisch: Das methodische Vorgehen für beispielsweise eine Masterarbeit (These formulieren, Quellen und Studien suchen, Priorisierung, Kontextualisierung usw.) ähnelt dem Vorgehen, einen Vortrag für einen Unternehmensvertreter vorzubereiten (Kernaussage formulieren, Belege finden, Ansprechpartner im Unternehmen identifizieren, Aussagen in einen kohärenten, schlüssigen Aufbau bringen usw.). Auch methodisch lernte er im Studium, immer das große Ganze im Blick zu behalten. Persönlich: Michael meint, dass das Soziologiestudium seine eigenen Einstellungen und Perspektiven geprägt und ihn für bestimmte Themen sensibilisiert hat (z.B. Pauschalisierungen u. Vorurteile zu erkennen und zu vermeiden) und es dabei hilft, einen weitgehend neutralen Blick auf die Gesellschaft zu richten.

 

Amra Durakovic hat ihren Bachelor in Politikwissenschaft, den „Master Soziologie: Soziale und politische Theorie“ und ein mit ihrer jetzigen Tätigkeit zusammenhängendes Praktikum absolviert, bevor es für sie geradlinig zum Österreichischen Integrationsfonds ging. Dort hat sie mit vielen Akteur*innen der Tiroler Integrationslandschaft zu tun, mit denen sie sich vernetzt und austauscht. Ihre Tätigkeit beschreibt sie anhand der drei übergeordneten soziologischen Analyseebenen. Makroebene: Tagtäglich beschäftigt sie sich mit großen, Menschen bewegenden und die Welt überspannenden Themen wie Integration, Asyl und Interkulturalität. Mesoebene: In ihrem Berufsfeld wirkt Amra als Repräsentantin einer Organisation, die mit anderen Organisationen an Themen arbeitet, an regelmäßigen Austauschtreffen teilnimmt und mit einer großen Bandbreite der Tiroler Integrationslandschaft kommuniziert, von kleinen Vereinen über NGOs hin zu Beauftragten der Tiroler Landesregierung. Mikroebene: Sowohl innerhalb des eigenen Teams, als auch drüber hinaus, sind zwischenmenschliche Interaktionen für Amras Tätigkeit essentiell. Ähnlich wie im Soziologiestudium ist für sie auch hierin wichtig im größeren Gesamtzusammenhang zu denken, unterschiedliche Perspektiven zu reflektieren und Interessen verschiedener Akteur*innen zu verstehen und mitzudenken.

Prof. Dr. Frank Welz war ebenfalls an dem Abend eingeladen, schilderte seine Sicht und stellte den Bezug zum größeren Ganzen her. Da bereits viele Menschen soziologisch tätig sind, so Herr Welz, ist der Nachwuchs leichter zu rekrutieren als zu Beginn der Etablierung der Soziologie als Wissenschaft. Seiner Erfahrung gemäß teilen sich die Leute gleichmäßig auf etwa folgende drei Drittel auf: Das erste Drittel arbeitet genuin wissenschaftlich soziologisch. Das zweite Drittel arbeitet akademisch. Das dritte Drittel macht „etwas Anderes“, sich zum Beispiel selbstständig, oder wendet die Qualifikationen in einem Bereich an, den man auf den ersten Blick nicht direkt mit Soziologie-Absolvierenden verbindet. Herr Welz betonte vier Kernkompetenzen die man im Laufe des Soziologie-Studiums erwirbt. 1) Komplexitätsmanagement: Komplexität zu reduzieren. 2) Zeitmanagement: auf den Punkt hin eine Arbeit abzugeben.
3) Informationsmanagement: digitales Recherchieren, Literaturfindung. 4) Übersetzung: man hat das „big picture“ drauf, man kann verschiedene Interessen von verschiedenen Akteur*innen übersetzen bzw. erklären. Ein kleines „Rezept“ teilt Herr Welz noch gegen Ende, was sich lohnt aus dem Bachelor-Studium für sich mitzunehmen:

Zwei Theorien (wenn man zwei kennt, weiß man was eine Theorie ausmacht) 
Eine Methode (die man gut eingeübt hat, mehr Methoden lernt man ohnehin kennen)
Eine Bindestrich-Soziologie (für Faktenwissen ein Thema/Feld, dort Daten kennenlernen)

 

Autor: Nik König

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