Stabilitätsanalyse von Stabtragwerken im Bauingenieurwesen – ein Lehr- und Lerntool
Studierende der Fachrichtung Bauingenieurwesen sind während ihres Studiums angehalten das Verhalten stabiltätsgefährdeter Stabtragwerke zu verstehen. Dazu zählen die Analyse der Knickfigur und der Knicklasten bestimmter standardisierter Systeme. Beide sind zur Bemessung von Stabtragwerken von essentieller Bedeutung. Allerdings zeigen Lehrerfahrungen, dass Studierende Defizite beim Deuten der Knickfiguren aufweisen.
Mit den aktuell eingesetzten Lernutensilien, wie beispielsweise Grafiken in einem Vorlesungsskriptum, können komplexe Abhängigkeiten nicht oder nur sehr schwer dargestellt werden und auch nicht plakativ gezeigt werden. Des Weiteren bekommen die für die Stabilitätsanalyse wichtigen Wendepunkte nicht die Beachtung, die sie benötigen, denn die Wendepunkte definieren die Knicklänge der im System enthaltenen Stäbe. Die Knicklänge ist eine oder sogar die wichtigste Kenngröße bei der Stabilitätsanalyse von Stabtragwerken.
An dieser Stelle greift das hier vorgestellte digitale Lerntool ein. Mit diesem können einerseits komplexe Systeme betrachtet werden und die Darstellung auf die wichtigsten Parameter reduziert werden und somit hervorgehoben betrachtet werden. Insbesondere die Darstellung der Knickfigur und der darin enthaltenen Wendepunkte wird hierbei aufgezeigt, was bislang kein kommerzielles Stabwerksprogramm trotz der fundamentalen Bedeutung anbietet.
In der Abbildung ist die Oberfläche des Lerntools dargestellt. Dort können die Einstellungen für das betrachtete System getroffen werden. Im linken unteren Bereich ist die graphische Auswertung dargestellt. Darin ist in schwarz die unverformte Struktur mit der Punktbelastung und in orange die Knickfigur dargestellt. In der Knickfigur können die Wendepunkte (rot) entnommen werden, woraus die nebenangestellte strichliert dargestellte Knicklänge abgeleitet werden kann. Werden Systemparameter verändert, ändert sich die Darstellung der Knickfigur unmittelbar. Die Idee ist es das Tool in den Vorlesungen anzuwenden und grundlegende Verhaltensweisen der Tragwerke aufzuzeigen
Zusätzlichen können Studierende im Selbststudium das Lerntool nutzen und diese Grundlagen vertiefen und weitere Zusammenhänge erkennen. Beispielsweise können Systemparameter wie Biegesteifigkeit, Dehnsteifigkeit, Stablänge und ähnliches verändert werden, drauf aufbauend können eigene Rückschlüsse gezogen werden.
Eine weitere Funktion ist die Darstellung der Knicklänge oder des Lasterhöhungsfaktors über dem veränderten Systemparameter beziehungsweise über dem dazugehörigen Multiplikator eines Systemparameters.
Das Diagramm rechts zeigt den Verlauf der Knicklänge unter veränderter Biegesteifigkeit des oberen Riegels des in Abbildung 1 dargestellten Systems durch buckL.ing. Die beiden Linien zeigen die Grenzwerte unter veränderter Randbedingung am unteren Auflager. Im Falle einer Einspannung wird der untere Verlauf angenommen und bei einem gelenkigen Auflager der obere Verlauf.
Die Deutung der Euler’schen Knickfälle als Intervallbegrenzung ist somit nicht nur gut sichtbar sondern es kann der Verlauf innerhalb der Grenzen aufgezeigt werden. Andererseits können damit auch die Petersen Tafelwerke digitalisiert und flexibel auf jegliche Art von Stabtragwerken darstellt werden. In Abbildung 2 ist der Vergleich der berechneten Werte mit den Petersen-Tabellen dargestellt. Während in den Tafelwerken nur jeweils ein Parameter variiert ist, können im vorliegenden Tool alle Parameter verändert werden und deren Einfluss direkt ausgewiesen werden.
Literatur:
[1] Petersen, Christian (1992): Statik und Stabilität der Baukonstruktionen. Elasto- und plasto-statische Berechnungsverfahren druckbeanspruchter Tragwerke ; Nachweisformen gegen Knicken, Kippen, Beulen. 2., durchges. Aufl., Nachdr. Braunschweig: Vieweg.