Innsbrucker Theologische Sommertage

InTheSo 2000

Die Götter kommen wieder
Religion – Religiosität – Neue Götter

Mittwoch, 30. August, bis Freitag, 2. September 2000

Cover tt 9 Die Götter kommen wieder

Die Götter kommen wieder!

Unterschiedlichste gesellschaftliche Entwicklungen deuten darauf hin, dass wir alles andere als in einer religionslosen Gesellschaft leben. Welche Phänomene heute als Religion(sersatz) ihre Bedeutung haben und wie sie aus kirchlicher und theologischer Sicht zu bewerten sind, das soll in Referaten und Workshops der Innsbrucker Theologischen Sommertage zur Sprache kommen.

Konzipiert sind diese Tage für alle theologisch interessierten Menschen, v.a. MitarbeiterInnen in Diözesen, Pfarreien und Schulen, Menschen auf der Suchen nach einem geeigneten Studium, SchülerInnen, AbsolventInnen unserer Fakultät, …

Allgemeine Informationen: Leitidee der Innsbrucker Theologischen Sommertage

Zur Buchpublikation

Programm

Der Besuch einzelner Vorträge (V) / Workshops (W) ist möglich!

Mittwoch, 30. August

15.00 Eröffnung

15.15 – 17.30
Mag. Regina Brandl (W): Spurensuche neuer Religiosität

20.00 – 22.00
Dr. Wilhelm Guggenberger (V):  Die Perfektion der Innerweltlichkeit als gesellschaftlicher Götze

Donnerstag, 31. August

09.00 – 10.30
Mag. Elmar Fiechter-Alber (W):  Ethik – ein Religionsersatz?

11.00 – 12.30
Dr. Gertraud Ladner (W):  Feministische Spiritualität – Anstöße für die Kirche

14.30 – 16.00
Prof. Dr. Bernhard Kriegbaum SJ (V):  Die Gnosis – das große Unbehagen der Welt

16.30 – 18.00
DDr. Winfried Löffler (V):  Religiöse Erfahrung und die Vernünftigkeit des Glaubens

20.00 – 22.00
Dr. Andreas Vonach (V):  Der Wandel der Religion in der biblischen Weisheitsliteratur

Freitag, 1. September

09.00 – 10.30
Dr. Konrad Breitsching (V):  Recht und Religion. Widerspruch oder Harmonie.

11.00 – 12.30
Dr. Roman Siebenrock (W):  „Führe mich auf den Felsen, der mir zu hoch ist.“ Die Bedeutung kritischer Institutionen für die Kultur religiöser Erfahrung.

Veranstaltungsort

Die Veranstaltung findet im Seminarraum IV der Theologischen Fakultät, Karl-Rahner-Platz 1, Erdgeschoss statt.

Freier Eintritt!

Gefördert durch die Universität Innsbruck und den Forschungsförderungsfond der Hypo Tirol Bank.

Kurzbeschreibungen

Gerade in den reichen Gesellschaften des Westens machen viele Menschen in zunehmendem Maße die Erfahrung der Ohnmacht gegenüber anonymen Strukturen mit ihren sog. Sachzwängen. Sie erleben gerade das wirtschaftliche, wissenschaftlich-technische, aber auch das politische Geschehen als wiedererstandene Gottheiten eines in sich zerstrittenen Olymps, wie es Max Weber einmal formuliert hat. Diese Götter fordern zu sehr unterschiedlichen Formen der Pflichterfüllung auf. Der einzelne Mensch gerät dabei nicht selten unter die Räder.
Am Anfang der Entwicklung, die wir heute nun so dramatisch erleben, stand aber der gesellschaftliche Versuch, die Gestaltung einer humanen, guten Welt eben den anonymen Strukturen zu überlassen, da die Menschen als moralisch zu schwach und unzuverlässig erschienen. Die Erlösung durch die Struktur trat damit an die Stelle der persönlichen Umkehr. Die Heilsverheißung des Marktes ist ein beredtes Beispiel dafür.
Fühlen wir uns heute als Opfer dessen, was wir einst selbst in die Welt gebracht haben, sind wir exakt mit dem konfrontiert, was die Bibel Götze nennt. Unser moderner Götzendienst ist die zum Teil widerwillige Verewigung von Strukturen, an denen wir Leiden, deren Zusammenbruch aber selbst große Opfer fordern würde. Also setzen wir weiterhin auf die Erhaltung und Perfektionierung dieser Strukturen. Begriffe wie Umkehr oder gar Erlösung kommen dabei nicht vor, ja erscheinen als skandalöse Gedanken angesichts einer hochkomplexen Weltwirklichkeit.

Im Schuljahr 1997/98 wurde an österreichischen Schulen für alle SchülerInnen, die nicht an einem konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen das Unterrichtsfach Ethik als Schulversuch eingeführt. In diesem Zusammenhang wurde (und wird) in unterschiedlichster Weise von Religion und von institutionalisierter Religion, der Kirche, gesprochen. Diese Diskussion ist nicht nur bildungspolitisch relevant, sondern ist durchaus als Spiegelphänomen für gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu verstehen.
Das Diskussionsspektrum ist breit gefächert: von der Forderung an die Kirchen, das christliche Erbe des Abendlandes im Religionsunterricht wehrhaft zu verteidigen bis zur strikten Ablehnung konfessioneller religiöser Erziehung, weil diese als kirchliche Nachwuchssicherung der Trennung von Staat und Kirche widerspreche.

Begriffsklärungen werden am Anfang stehen: Was meint feministische Spiritualität, was weibliche Spiritualität? Was ist Frauenkirche? Eine Bestandsaufnahme der breiten frauenzentrierten spirituellen Praxis in und außerhalb der christlichen Kirchen schließt an: von feministisch-theologischen Ansätzen über Göttinnenreligion bis hin zu Naturritualen. Welche gemeinsamen Anliegen gibt es, wo unterscheiden sich die einzelnen Richtungen? Welche Anfragen und Anstöße für die christlichen Kirchen gehen von dieser Praxis aus? Konkrete Beispiele aus Frauenliturgien sollen Wege einer möglichen frauengerechteren Spiritualität für Gruppen und Gemeinden aufweisen: Gebete und Rituale, neue Sprachformen, Themen, weibliche Gottesbilder, Tänze u.a.
Literatur: Rosemary Radford Ruether, Unser Wunden heilen, unsere Befreiung feiern. Rituale in der Frauenkirche. Stuttgart 1988.

Esoterik ist heute „in“. Sie ist aber nicht erst ein modernes Kulturprodukt, sondern ihre Wurzeln reichen bis in die Antike zurück. Anders als im Christentum, wo das Heil des Menschen grundsätzlich von Jesus Christus her bewirkt ist und dem einzelnen durch ein Leben aus dem Glauben an diesen geschenkt wird, erschließt sich das Heil in der Gnosis – wie schon deren griechischer Name besagt – durch Erlangung von – eigentlich geheimem – Heilswissen. Dieses überwindet die in der Materialität der Welt begründete Vielheit und läßt das eigentlich Wertvolle am Menschen, seine Geistseele, wieder zurückkehren in jene Ureinheit, von welcher sie ihren Ausgang genommen hat. In dieser Rückkehr besteht das Heil.
Das Referat geht aus von der religionsgeschichtlich zu erhebenden Grundstruktur der gnostischen Systeme, behandelt dann das Verhältnis der Gnosis zum Christentum (das Problem der „christlichen Gnosis“) und leitet schließlich über zu einem abschließenden Teil, in welchem gnostischen Elementen in der Gegenwartskultur nachgegangen werden soll.

Kann sich der religiöse Glaube auf ein vernünftig ausweisbares Fundament berufen? Die sogenannte „Reformierte Erkenntnistheorie“ (als prominenteste Richtung der gegenwärtigen angelsächsischen Religionsphilosophie) beantwortet diese Frage mit Ja und dabei weist – ausgehend von allgemeinen erkenntnistheoretischen Erwägungen – der religiösen Erfahrung einen großen Stellenwert zu. Ich möchte versuchen, 1. die Grundüberlegungen dieser Position möglichst allgemeinverständlich darzustellen, 2. abwägen, inwiefern sich dagegen der Einwand des Fundamentalismus oder der religiösen Beliebigkeit nahelegt, und schließlich 3. die Frage stellen, ob die „Reformierte Erkenntnistheorie“ noch eine „rein philosophische“ Theorie oder doch schon eine christlich-theologische Deutung des Menschen und seiner Erkenntnisfähigkeiten ist.

Die Weisheitsschriften des Alten Testaments zeugen von einer Zeit, die mit der unsrigen vergleichbar ist: Vieles, das bisher unhinterfragt blieb, gerät in ihnen ins Wanken, vermeintliche Sicherheiten werden als relativ enttarnt und neue Phänomene gesellschaftlicher wie geistig-religiöser Art dringen von allen möglichen Seiten ein. Diesen Entwicklungen stellen sich die Autoren der biblischen Weisheit auf je unterschiedliche Art. Allen gemeinsam ist jedoch das Bestreben und der Mut, diese neuen Einflüsse nicht von vornherein zu bekämpfen, sondern sich damit konstruktiv auseinanderzusetzen und jene Elemente davon, die gesellschaftlich oder religiös plausibel erschienen, in die eigene Welt und Religion zu integrieren, ohne dabei Bewährtes völlig aufzugeben oder in Frage zu stellen.
Sind die Herausforderungen, mit denen unsere Gesellschaft und Religion konfrontiert sind, völlig andere und neue, so können wir dennoch in der Frage des konstruktiven Umgangs damit von den alttestamentlichen Weisheitsschriften durchaus einiges profitieren und lernen.

In dem Vortrag wird versucht, dem Zusammenhang von Recht und Religion nachzuspüren. Lässt sich Recht ohne Glaubensüberzeugung überhaupt begründen? Ist Glaube ohne rechtliche Ordnung lebbar? Gibt es eine Gefahr der Vergötzung des Rechts? Diesen Fragen soll im Referat einerseits grundsätzlich andererseits aber auch konkret am Beispiel der kirchlichen Rechtsordnung nachgegangen werden.

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