Innsbrucker Theologische Sommertage
InTheSo 2003
Kirche: Zeichen des Heils – Stein des Anstoßes
Montag, 1., und Dienstag, 2. September 2003
Die Aufgabe der Kirche in der Welt von heute und ihr Selbstanspruch, die darin bestehen, Sakrament und Werkzeug der Einheit der Menschen mit Gott und untereinander zu sein, kollidieren immer wieder mit kirchlichem Selbstzweifel und massiver Kritik von außen. Was ist die Kirche in unseren Tagen, was war sie in der Geschichte: Heilszeichen oder doch eher Stolperstein? Wie geht sie mit ihren eigenen dunklen Seiten um und wie kann sie ihrer Sendung unter den Bedingungen der Modernen Welt und deren Vielfalt an Weltanschauungen gerecht werden? Solchen und ähnlichen Fragen gehen neun Lehrende unserer Fakultät nach; beginnend beim biblischen Befund bis hin zur konkreten Gemeindesituation in Tirol.
Allgemeine Informationen: Leitidee der Innsbrucker Theologischen Sommertage
Zur Buchpublikation
Programm
Montag, 1. September
10:00 – 12:00
Prof. Dr. Martin Hasitschka: Von Jesus zur Kirche. Kennzeichen des Gottesvolkes im Neuen Testament
14:30 – 16:00
Dr. Joop van Banning: Das Verhältnis zwischen Judentum und Kirche in der Geschichte
16:30 – 18:00
Dr. Andreas Vonach: Kirche und Synagoge. Rückbesinnungen und neue Annäherungsimpulse seit dem 2. Vatikanum
20:00 – 21:30
Ass. Prof. Dr. Willibald Sandler: Stadt auf dem Berg – Stadt in der Gosse
Dienstag, 2. September
09:00 – 10:30
Mag. Dr. Nikolaus Wandinger: Kirche am Pranger oder Kirche im Beichtstuhl?
11:00 – 12:30
Prof. Dr. Edmund Runggaldier SJ: Kirchlicher Glaube und säkulare Rationalität. Gedanken zur Enzyklika „Fides et ratio“
14:30 – 16:00
Ass. Prof. Dr. Konrad Breitsching: Demokratisierung der Kirche?
16:30 – 18:00
Prof. Dr. Wolfgang Palaver: Kirche als politischer Körper. Leib Christi und die moderne Welt
20:00 – 21:30
Mag. Dr. Johannes Panhofer: Gemeindebildung in Zeiten des Priestermangels. Impulse für eine Gemeindeentwicklung am Beispiel des Moderatoren-Kuratoren-Leitungsmodells
Veranstaltungsort
Die Veranstaltung findet im Seminarraum IV der Theologischen Fakultät, Karl-Rahner-Platz 1, Erdgeschoss statt.
Freier Eintritt!
Gefördert durch die Universität Innsbruck und den Forschungsförderungsfond der Hypo Tirol Bank.
Kurzbeschreibungen
Das Verhältnis zwischen dem Christentum und dessen Mutterreligion, dem Judentum, hat sich seit der neutestamentlichen und frühchristlichen Zeit immer wieder als ein Gegeneinander mit teils heftigen Polemiken auf beiden Seiten entwickelt. Dass sich dabei auf christlicher Seite (und besonders in der lateinischen Kirchentradition) ein regelrechter „christlicher Antijudaismus“ herausgebildet hat, ist gerade im deutschsprachigen Raum im Zuge der Schoa nochmals drastisch und deutlich zutage getreten.Nach 1945 und vor allem dann in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils hat sich daher gerade auch in den durch die Schoa vor allem betroffenen Gebieten ein Rückbesinnungsprozess auf die gemeinsamen Ursprünge und Wurzeln eingestellt. Neue Annäherungen gab es seitens der Kirchen (und vor allem der röm.-kath.), aber auch von Seiten des offiziellen Judentums. Das Pontifikat von Johannes Paul II. hat in dieser Hinsicht einige nicht mehr weg zu denkende Höhepunkte gehabt. Dieser Neubesinnung soll anhand von dreierlei Textarten nachgegangen werden: Dokumente von kirchlicher Seite das christlich-jüdische Verhältnis betreffend, entsprechende Stellungnahmen von jüdischer Seite und gemeinsame Erklärungen.
Kirche im Widerstreit zwischen Vorbild-Auftrag und Solidarisierung mit den SündernKirche soll strahlende Stadt auf dem Berge sein (Mt 5,14). Zugleich ist Kirche im Gefolge Jesu Christi aufgefordert, sich den moralisch Scheiternden barmherzig zuzuwenden. Da diese sich nicht nur außerhalb der Kirche finden, sondern auf anstößigste Weise auch in ihren eigenen Reihen, gerät sie dadurch selber ins Zwielicht. Wie kann Kirche dann noch „Stadt auf dem Berg“ sein? Es soll gezeigt werden, dass Kirche ihrem Auftrag angesichts der Schuldverstrickung nur nachkommen kann, indem sie selber in einen Widerstreit der Meinungen und Instanzen gerät. Ein solches „dramatisches Kirchenverständnis“ soll auch an aktuellen Beispielen wie dem Beratungsschein für Abtreibungen in Deutschland und der Problematik von wiederverheirateten Geschiedenen verdeutlicht werden.
Vom Umgang der Kirche mit eigener SchuldWährend unsere moderne Kultur die Sünden der Kirche betont und sogar Kriminalgeschichten des Christentums schreibt, hat man oftmals den Eindruck, die offizielle Kirche verdränge und beschönige ihre vergangenen und gegenwärtigen Fehler nur zu gern. Auf diesem Hintergrund waren die Vergebungsbitten, die der Papst und hohe Kardinäle am 1. Fastensonntag des Jahres 2000 im Gottesdienst gesprochen haben, ein Neuanfang, ein Versuch kirchlicher Vergangenheitsbewältigung oder, wie Johannes Paul II. es ausdrückte, der „Reinigung des Gedächtnisses“. Das Echo war jedoch auch hier geteilt: Während die einen monierten, diese Bitten kämen viel zu spät und zu halbherzig, klagten die anderen, hier werde das Ansehen der Kirche beschmutzt und die Kirche gebe ihren Gegnern Recht. Ich möchte zuerst anhand der entsprechenden päpstlichen Dokumente und Stellungnahmen erarbeiten, was nun der Papst mit dieser Form des Schuldbekenntnisses beabsichtigte, um von daher auf einige Kritikpunkte einzugehen und schließlich mit den TeilnehmerInnen gemeinsam zu überlegen, was die angemessene Form für die Kirche ist, mit eigener Schuld umzugehen.
Die Frage nach mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung in der Kirche erregt immer wieder die Gemüter der Gläubigen, insbesondere im Zusammenhang mit der Ernennung von Bischöfen. Doch viele wünschen sich auch darüber hinaus eine stärkere Einbindung in kirchliche Entscheidungsprozesse. Die Frage nach mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung wird häufig unter dem Schlagwort der „Demokratisierung der Kirche“ abgehandelt. Das Referat möchte den Möglichkeiten und Grenzen dieses Vorhabens nachspüren. Was ist näherhin unter „Demokratisierung“ im kirchlichen Zusammenhang gemeint? Was kann davon realisiert werden? In welchem Verhältnis steht der gemeinsame Sendungsauftrag aller Gläubigen zu diesen Demokratisierungsbestrebungen?
Schon die Antike verwendete das Bild vom menschlichen Körper für die Charakterisierung politischer Gemeinschaft. Paulus kehrte die antike Vorstellung in seinem Verständnis von Kirche als Leib Christi (1 Kor 12) um, wenn er die geringsten Gemeindemitglieder über die angesehenen Personen stellt. Unsere moderne Welt stellt eine neue Herausforderung für die Kirche dar. Der neuzeitliche Staat bedeutete die Absage an eine Gemeinschaft, in der alle Glieder auch untereinander verbunden sind, weil er zentralistisch über die atomisierten Individuen zu herrschen versuchte. Folgen dieser staatlichen Zurückweisung des Leibes Christi zeigten sich in den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts genauso wie in der Diktatur General Pinochets in Chile. Auch die von Michel Foucault beschriebene moderne Disziplinargesellschaft („Panopticon“) wurzelt in dieser Zurückdrängung der Politik des Leibes Christi. Die aktuellen Probleme des Globalismus unterstreichen zusätzlich, wie sehr unsere Welt eine Kirche benötigt, die als Leib Christi politisch wirksam ist.