Einblicke in die erste Schreibwoche im Historischen Lesesaal (20.-24.09.2021)
Eigentlich ist der Historische Lesesaal ein Ort konzentrierter Stille. In der vorletzten Septemberwoche konnte man hier jedoch Menschen beobachten, die nicht nur in schweigende Schreibarbeit, sondern auch in angeregte Gespräche vertieft waren.
Vom 20.-24.09.2021 haben wir zum ersten Mal eine Schreibwoche im Historischen Lesesaal durchgeführt. Eine solche Schreibwoche bietet die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen in konzentrierter Ruhe an den eigenen Texten zu arbeiten und sich über das Schreiben wissenschaftlicher Texte auszutauschen. Nach einem gemeinsamen Einstieg in den Tag und einem kurzen Schreibeinstieg, waren bis Mittag nur noch das Klappern der Tastaturen und das Kratzen der Stifte auf dem Papier zu hören. Am Nachmittag boten verschiedene Workshops die Möglichkeit, sich mit kniffligen Fragen im Schreibprozess zu beschäftigen:
- Wie entwickelt man eine gute Fragestellung?
- Wie kommt man vom Lesen ins Schreiben?
- Wie kann man aus Textentwürfen bessere Texte machen?
Außerdem haben wir Schreibmethoden ausprobiert und uns in kleinen Gruppen über unsere Schreiberfahrungen ausgetauscht. Ein Höhepunkt war für viele, Feedback zum eigenen Text zu bekommen und in einer Kleingruppe konkrete Vorschläge zu besprechen, wie man den eigenen Text verbessern kann.
Für die allermeisten – auch für das Team vom ULB-Schreibzentrum – war die Schreibwoche eine neue Erfahrung. Als Leiterin des Schreibzentrums hat mich am meisten überrascht, wie gut die fächerübergreifende Zusammenarbeit zwischen Studierenden in ganz unterschiedlichen Studienphasen (BA, MA, Promotion) geklappt hat und dass es trotz aller disziplinären Unterschiede möglich war, wechselseitig anregend über das Schreiben wissenschaftlicher Texte zu sprechen. Für einige Teilnehmende bot die gemeinsame Schreibzeit die Möglichkeit, „den gewohnten Schreibtrott zu durchbrechen und in einer anderen Atmosphäre zu arbeiten“. Zur Produktivität der Woche hat sicherlich auch das Ambiente des Lesesaals beigetragen, vor allem aber „das Gefühl, gemeinschaftlich fleißig zu sein.“ Eine Teilnehmerin hat in der abschließenden Auswertung geschrieben: „Für mich war es ungewohnt (nur am Vormittag zu schreiben), sitze ich doch normalerweise den ganzen Tag vor dem Computer. Wesentlich weniger geschafft habe ich dadurch jedoch nicht. Weniger ist manchmal mehr!“
Was Teilnehmende uns geschrieben haben:
„Normalerweise verbinde ich mit Schreiben etwas Negatives, aber diese Woche habe ich schreiben als etwas Schönes erlebt.“
„Es ist wesentlich spannender hier zu schreiben, als im Kämmerlein. Anregend, manchmal auch anstrengend.“
„Es war wunderbar, den Tag mit freiem Schreiben zu beginnen, täglich zu schreiben und nicht zu verzweifeln, sondern Vertrauen in sich selbst zu gewinnen.“
„Anregend fand ich auch die informellen Kontakte in den Pausen. Ich würde mich wieder dafür anmelden.“
Was macht nun so eine Schreibwoche aus? Ein wichtiges Element ist es, einen Schreibzeitplan zu erstellen und festzulegen, woran man konkret in dieser Zeit arbeiten möchte. Jede*r konnte sich ein individuelles Tagesziel setzen und dann gemeinsam mit einer anderen Teilnehmer*in darüber sprechen. Das bot Gelegenheit, sich über das eigene Schreibvorhaben und Strategien beim Schreiben auszutauschen. Gefragt, wie gut sie in der Schreibwoche mit ihrem Textprojekt vorangekommen sind, haben die Teilnehmenden Unterschiedliches geantwortet: „Nicht so weit wie gehofft, aber weiter als ich gekommen wäre, hätte ich nicht teilgenommen“, aber auch: „Ziemlich gut und die Textqualität ist nach der gezielten Überarbeitung jetzt sehr viel besser geworden“.
Ein weiteres wichtiges Prinzip der Arbeit des Schreibzentrums ist es, Schreibende dazu anzuregen, ihre Schreibstrategien zu reflektieren und Neues auszuprobieren, vor allem dann, wenn es mit dem Schreiben mal nicht so gut vorangeht. Dazu gab es in der Woche verschiedene Gelegenheiten. Sie ermöglichte Einsichten über Schreibprozesse (z.B. über die Bedeutung von Pausen für einen produktiven Schreibprozess und wie hilfreich es ist, regelmäßig zu schreiben). Eine Teilnehmerin schrieb am Ende: „Normalerweise verbinde ich mit Schreiben etwas Negatives, aber diese Woche habe ich schreiben als etwas Schönes erlebt.“
Entscheidend war für viele die Erfahrung, dass Schreiben kein einsamer Prozess sein muss, und dass sie nicht die Einzigen sind, für die das Schreiben manchmal eine Herausforderung darstellt. Gerade der Austausch mit anderen Schreibenden macht erkennbar, dass und wie man die eigene Schreibpraxis verändern und verbessern kann.
Am Ende haben wir die Teilnehmenden gefragt, was sie sich im Hinblick auf künftige Angebote des Schreibzentrums wünschen. Neben konkreten Themenvorschlägen für Workshops, z.B. zum Argumentieren und Diskutieren, zur Motivation und Konzentration im Schreibprozess und zu stilistischen Fragen sind das vor allem: häufigere Schreibwochen – auch während des Semesters; mehr Schreibzeit, mehr Workshops, Schreibtreffs in Präsenz und Angebote für Textfeedback.
Daran werden wir arbeiten.
Wir wünschen Euch, dass Ihr gut mit Euren Schreibprojekten vorankommt und freuen uns darauf, Euch bald (wieder) bei einer unserer Veranstaltungen zu sehen. Am einfachsten erreicht Ihr uns über den wöchentlich am Mittwoch Nachmittag von 13:15 bis 15:00 Uhr stattfindenden ONLINE-Schreibtreff, der im OLAT-Kurs „Schreiben im Studium“ (Selbsteinschreibung) zu finden ist.
Für das Schreibzentrum
Daniela Rothe
Anmerkung: Alle im Text verwendeten Zitate stammen aus den anonymen Rückmeldungen, die uns die Teilnehmenden am Ende der Schreibwoche gegeben haben. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass das Angebot so gut gepasst hat und werden versuchen Eure Anregungen aufzunehmen.