Bettina Jeschke
Aus anderen Perspektiven
(04.10.2022)
Seit 20. April 2022 ist Bettina Jeschke Behindertenbeauftragte der Uni Innsbruck und sie ist - wie sie selbst sagt - für diese Aufgabe wie geschaffen.
Ihr Lieblingstier ist die „Ameise“. Das kleine, tüchtige Insekt schafft es bei den meisten Menschen zwar nicht einmal unter die Top drei in der Beliebtheitsskala, aber Frau Jeschke ist eben nicht wie die meisten: Sie betrachtet Dinge gerne aus einer anderen Perspektive, schaut genauer hin und hat viel Sympathie für Menschen, Tiere und alles, was üblicherweise unterschätzt wird. „Ameisen", sagt sie, „sind nicht nur fleißige Arbeiter mit ausgeprägtem Sozialverhalten, sondern haben auch viele verkannte Stärken: Eine davon ist, dass sie das Vielfache ihres eigenen Körpergewichts schultern können. Eine Metapher für meine Aufgabe als Behindertenbeauftragte." Und - so möchte man fragen - ein persönliches Vorbild, dem sie nacheifert?
Das Büro von Bettina Jeschke als Behindertenbeauftragte befindet sich im Erdgeschoss des Geiwi-Turms. Einige Aktenschränke stehen hier, ein langer Schreibtisch dominiert den Raum, aber das Ungewöhnliche ist ein bunter, eigenartig geformter und schon etwas in die Jahre gekommener Bürostuhl: „Den durfte ich mir damals aussuchen, als ich im Dekanat der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie zu arbeiten begonnen habe", erklärt sie. „Mein Totem, ein zauberkräftiger Helfer …"
Ein ungewöhnlicher Weg
Nach dem Besuch der Ferrari-Schule in Innsbruck begann sie (ohne Matura), am Institut für Sprachen und Kulturen des Alten Orients als Sekretärin zu arbeiten. Sie aber wollte mehr, wollte studieren und lernen. Also holte sie die Reifeprüfung an der Abendschule nach und inskribierte Betriebswirtschaft an der Uni Innsbruck. Dort lernte sie bei einem koketten Marketing-Disput über die Autos der Mercedes-A-Klasse ihren späteren Ehemann Sven kennen. Sie fand den kleinen Wagen toll, er hingegen überhaupt nicht …
Nach dem Abschluss ihres Studiums, bei dem sie bereits Personalführung und Personalcoaching im Fokus hatte, arbeitete sie für den damaligen Dekan Anton Pelinka im Dekanat der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie. Sie durfte sich einen Bürostuhl aussuchen, und es wurde dieser speziell geformte Farbtupfer. „Er ist etwas ungewöhnlich“, sagt Bettina Jeschke, während sie die Hand stolz ans Kopfteil des exotischen Sitzmöbels lehnt, „so, wie ich es halt auch bin.“
Von Druck zu Glück
Bettina und Sven haben zwei Söhne. Nach ihrer Karenz übernahm sie die Teilzeitstelle im Büro der Behindertenbeauftragten. „Seither lerne ich hier tolle Menschen kennen und ich mache es mir zur Aufgabe, mit ihnen gemeinsam Rahmenbedingungen zu erarbeiten, die ein bisschen Druck von ihnen nehmen.“ Schon allein, wenn sie bei einer Prüfung etwas mehr Zeit hätten, sei das für viele eine große Hilfe. Doch leider trauten sich die meisten nicht, ihr Recht in Anspruch zu nehmen. Oft wüssten sie auch gar nicht, dass es diese Möglichkeiten gibt. Viele haben daher Angst, in Schubladen gesteckt zu werden.
Bettina Jeschke wird deshalb in allen Bereichen der Universität Innsbruck, bei Lehrenden, bei der Administration und bei Angehörigen viel mehr Bewusstsein für die Möglichkeiten schaffen, wie man möglichst „inklusiv" studieren kann: Ihre Funktion und das Angebot sollen sichtbarer, transparenter, verständlicher und - auch digital - zugänglicher werden. Denn von einer Behinderung oder Beeinträchtigung sei nicht nur dann die Rede, wenn man auf einen Rollstuhl angewiesen ist; auch eine massive Hörschwäche, chronische Bauchschmerzen oder eine Lese-Rechtschreibschwäche erschweren eine chancengleiche Teilhabe an einem Studium.
Last von den Schultern
Musik, Literatur, Reisen zählen zu ihren Hobbys. Doch wohin sie auch reist, welches Buch sie auch liest oder welche Musik sie auch hört, ist ihr eigentlich egal – Hauptsache ist, dass sie ihre Familie in der Nähe weiß.
Ihre Position als Behindertenbeauftragte, die sie seit April 2022 alleinverantwortlich wahrnimmt, ist für sie nicht nur ein Job, sondern eine Mission. Sie sieht immer den „ganzen Menschen" und nicht die Behinderung oder Beeinträchtigung. Dann sitzt sie in ihrem bunten Bürostuhl, hört zu, informiert, stellt Kontakte her und erarbeitet mit den Studierenden individuelle Lösungen: „Bei solchen Begegnungen entsteht dann das gute Gefühl, jemandem Last von den Schultern zu nehmen. Mit den gemeinsam erarbeiteten individuellen Unterstützungen schaffen wir gangbare Wege für ein erfolgreiches Studium."
Die Freude über jede Nachricht einer positiv abgeschlossenen Prüfung oder eines Studienabschlusses „ihrer Studierenden" geben ihr selbst viel Kraft für die nächste Beratung. Dann denkt sie wieder an ihr Lieblingstier die Ameise, weil man nur gemeinsam schwere Lasten schultern kann. Für Bettina ist es der Mensch, der im Mittelpunkt steht. Und sie pflegt und lebt ihre besondere Sympathie für all jene, die - auch im universitären Alltag - oft stigmatisiert und somit unterschätzt werden.
(Autor: Haris Kovacevic)
Steckbrief
Name
Mag. Bettina Jeschke
Funktion
Behindertenbeauftragte der Universität
An der Uni seit
1989
Wohnort
Innsbruck
Herkunft
Volders (Tirol)