Gemma De les Coves
Zwischen Physik, Philosophie und Poesie
(25.01.2023)
Vor dem nach Süden blickenden Büro-Fenster erstreckt sich der Flughafen, dahinter die Berge im Süden Innsbrucks, im Licht der Nachmittagssonne. „Ich mag die Natur hier“, meint Gemma De les Coves, wenn man sie danach fragt, wie es ihr in Tirol gefällt. Spaziergänge unternimmt sie dementsprechend gerne, um abzuschalten, nachzudenken oder auch um Zeit mit ihrer Tochter und ihrem Partner zu verbringen. Die gebürtige Katalanin ist seit 2016 in Innsbruck – allerdings schon zum zweiten Mal. Sie hat bereits zwischen 2007 und 2011 hier ihren PhD in theoretischer Physik abgeschlossen. Und nach einem fünfjährigen Intermezzo am Max-Planck-Institut für Quantenoptik ist sie für eine Assistenzprofessur zurückgekommen.
Sinn-Suche
Unter dem Fenster steht eine gemütliche Couch, die Wände zieren Bilder expressionistischer Künstler und Künstlerinnen. De les Coves bietet nicht nur Kaffee an, sondern auch Schokolade. „Eine wirklich Gute habe ich da“, ergänzt die Physikerin ein wenig zaghaft. Sie ist neugierig, meint sie über sich selbst. Davon zeugt ein mehr als volles Bücherregal – Standardwerke finden sich dort ebenso wie ein Buch über die Physik von Knoten und mehr. „Ich habe auch viel populärwissenschaftliche Literatur gelesen. Über Biologie, Geschichte, Ökonomie und so weiter.“ Und so ist sie bei der Philosophie gelandet – einem Gebiet, das sie nicht mehr loslassen will. „Es ist verwirrend“, beschreibt sie. „Unsere Existenz ist zutiefst unbehaglich. Und genauso unbehaglich ist die Suche nach einem Sinn darin.“
Überschneidungen
„So viele Dinge in der Welt sind interessant. Physik ist eines davon”, fährt die Wissenschaftlerin fort. „Mathematik ein anders. Und Philosophie ein weiteres. Es ist schwierig, sich auf eines zu beschränken – zumindest für mich.” Und genau das tut Gemma De les Coves nicht – sich einengen lassen. Weder in ihrer Forschung noch in ihrem persönlichen Streben.
Am Institut für theoretische Physik sucht sie, wie sie selbst sagt, nach „Ausreden“, um Grenzen verschwimmen zu lassen und Physik und Philosophie interdisziplinär zu verknüpfen. Im privaten Leben geht das noch weiter. Auf ihrer Sinn-Suche zieht sie nicht nur Wissenschaft zurate, sondern auch die Künste. Alte Filme haben es ihr zum Beispiel angetan, zum Einen, weil sie sie einfach schön findet – vom Narrativ und der Darbietung der Schauspieler über die Symbolik und Bildsprache bis hin zu den handwerklichen Aspekten. Zum anderen aber auch, weil sie dort Themen wiederfindet, die sie beschäftigen: „Fellinis ‚Achteinhalb‘ ist da ein gutes Beispiel“, überlegt sie. „In dem Film geht es um den Selbstbezug und die Widersprüche, die damit einhergehen. Das ist ein Thema, mit dem auch die Wissenschaft Probleme hat.“
Wortmalerei
Gegensätzlich sind Kunst und Wissenschaft dabei nicht, ist De les Coves überzeugt, sondern ergänzen einander. „Formale Wissenschaften wie Physik sind zwar in sich sehr kreativ, haben aber klare Begrenzungen“, beschreibt sie. „Kunst und Poesie gelingt es, diesen zu entkommen. Das finde ich sehr reizvoll.“ Deswegen setzt sie sich in ihrer Freizeit auch aktiv künstlerisch mit ihrer Suche nach Sinn und eigenem Verständnis auseinander – in einem Buch, an dem sie derzeit arbeitet. In dem poetischen Werk befasst sie sich mit vielen existenziellen Fragen und Herausforderungen - „irgendwo an den Schnittflächen von Physik, Poesie und Philosophie“ – natürlich in ihrer Muttersprache Catalan. „Poesie zieht mich generell sehr an“, sagt sie. „Und malen kann ich nicht – auch wenn ich es gerne können würde. Deswegen schreibe ich.“
(Autor: Daniel Feichtner)
Steckbrief
Name
Gemma De les Coves
Funktion
Assoziierte Professorin am Institut für Theoretische Physik
An der Uni seit
2016
Wohnort
Innsbruck
Herkunft
Katalonien