Gundula Ludwig

Gekommen, um zu bleiben

(07.11.2022)

Den Sprung von einer Millionenstadt in die überschaubare Tiroler Landeshauptstadt wagte die gebürtige Wienerin Gundula Ludwig nun schon zum zweiten Mal. Denn im September 2021 kehrte die Sozialwissenschaftlerin Berlin den Rücken und trat die Professur für Sozialwissenschaftliche Theorien der Geschlechterverhältnisse in ihrem ehemaligen Studienort Innsbruck an. Doch nicht nur als Professorin, sondern auch als Leiterin der Forschungsplattform Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI) hat Ludwig alle Hände voll zu tun. Deshalb kommt der Fahrradhelm, der am Garderobenhaken hinter ihrer Bürotür hängt, oft zum Einsatz: „Ich habe im Moment so einen dichten Terminkalender. Ich wüsste gar nicht, wie ich das in Berlin schaffen würde, weil man in Innsbruck überall in fünf Minuten mit dem Fahrrad ist – das finde ich sehr angenehm.“

Horizonterweiterung im Ausland

Studiert und gearbeitet hat Gundula Ludwig nicht nur in Wien und Innsbruck, sondern ebenso in den USA und in Deutschland. „An anderen Orten lernt man auch andere Debatten kennen. Zum Beispiel beschäftigen sich die Gender- und Queer Studies in den USA schon viel länger und expliziter mit Rassismus und Kolonialismus als im deutschsprachigen Raum.“ Gleichzeitig ist die Erleichterung groß, nun einen Aufenthaltsort auf Dauer gefunden zu haben: „Ich bin froh, einen unbefristeten Vertrag zu haben und zu wissen, dass ich die nächsten 25 Jahre in Innsbruck bleibe und hier etwas aufbauen kann. Denn es ist auch anstrengend, immer an neue Orte zu ziehen und zu wissen, das ist nur für eine bestimmte Zeit“, so die 43-Jährige.

Begeisterte Theoretikerin

Beim Rundumblick in Gundula Ludwigs Büro im Innsbrucker Saggen entdeckt man im reich bestückten Bücherregal viel theoretische Literatur. Mit ihrer Begeisterung für die Theorie hält die Wissenschaftlerin nicht hintan: „Als Theoretiker*innen können wir oftmals einen Schritt zurück gehen und verschiedene Puzzlesteine zusammenfügen, die in der Hektik des Alltags nicht ersichtlich sind. Durch Theoriearbeit können wir Dinge entselbstverständlichen.“ Die Mit-Herausgeberin der einzigen feministischen politikwissenschaftlichen Zeitschrift im deutschsprachigen Raum verfolgt aber auch feministische, queere und antirassistische Aktivismen rund um den Globus aufmerksam: „Politischen Aktivismus und Formen gelebter Solidarität und Utopien finde ich beeindruckend und bestärkend – gerade in Zeiten, in denen sich die vielen Krisen dramatisch zuspitzen.“

Haptische Hobbys

„Mein Beruf spielt sich sehr stark im Kopf ab. Ich bin ja keine Chemikerin oder Physikerin, sodass ich nie etwas in den Händen habe außer die Tastatur oder Bücher“, erklärt Ludwig. Deshalb sucht sie den Ausgleich in der Natur. Dabei dürfen die Finger beim Heidelbeerpflücken und Marmeladeeinkochen schon mal blau werden. Aber auch Musik macht die leidenschaftliche Klavierspielerin in ihrer Freizeit. „Und mir sind Gespräche mit Freundinnen und Freunden als Ausgleich sehr wichtig, auch um andere Perspektiven zu sehen. So gerne ich an der Universität bin, so sehr bekommt man hier auch einen eingeschränkten Blick. Dann ist es gut, auch mit anderen Leuten in Austausch zu sein und zu sehen, was sonst in der Welt los ist“, sagt Ludwig.

Hundeleine statt Smartphone

Lässt man den Blick im Büro der Sozialwissenschaftlerin weiter schweifen, blitzen zwischen den Blättern einer Monstera zwei metallene Schüsseln hervor. Sie gehören der Straßenhündin Louise, die Gundula Ludwig in Berlin aufgenommen hat. Die Mischlingshündin musste sich nicht nur an den Umzug, sondern generell an Menschen gewöhnen, denn auch sie war in letzter Zeit vorwiegend im Homeoffice. Im Gegensatz zur Hündin fühlt sich Gundula Ludwig in der digitalen Welt nicht besonders wohl. Ein Smartphone besitzt sie erst seit einigen Monaten, PowerPoint-Präsentationen setzt sie bei ihren Vorträgen sparsam ein. „Die ganze Zeit am Handy zu sein, ist anstrengend. Ich merke an mir selbst, dass das viel verändert. Dass man dann zum Beispiel nicht mehr auf die Karte schaut oder Leute nach dem Weg fragt. Oder dass man dauernd Fotos macht, die man sich schon in der Situation ansieht.“ Deshalb genießt Gundula Ludwig auf der Nordkette lieber die Aussicht, anstatt ein Selfie zu knipsen.

(Autorin: Theresa Kleinheinz)

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Steckbrief

Gundula Ludwig

Name

Univ.-Prof.in Dr.in Gundula Ludwig

Funktion

Professorin für Sozialwissenschaftliche Theorien der Geschlechterverhältnisse und Leiterin der Forschungsplattform Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI)

An der Uni seit

2021

Wohnort

Innsbruck

Herkunft

Wien

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