Odinn Melsted
Vom hohen Norden in den wilden Westen
(22.07.2020)
Während sich der Großteil seiner Mitschüler mit ihren Familien Richtung Süden aufmachte, verbrachte Odinn Melsted die Sommerferien als Kind zumeist im hohen Norden – genauer gesagt in Island, der Heimat seines Vaters. „Meine Eltern waren beide im Schulbereich tätig, deswegen konnten wir über die Sommermonate problemlos in unser Ferienhaus in Island übersiedeln“, erzählt der mittlerweile 30-Jährige. „Für mich war es dadurch immer schon normal, zwischen zwei Ländern, zwei Kulturen zu wechseln.“ Langfristig in sein buchstäbliches Vaterland verschlagen sollte es Melsted allerdings erst einige Jahre später, als er nach Abschluss der Matura und des Zivildienstes von Oberösterreich nach Reykjavík zog, um an der dortigen Universität Geschichte zu studieren. „Ich wollte“, sagt Melsted, „Island einfach mal richtig kennenlernen.“ Und das tat er schließlich auch, nicht zuletzt im Rahmen seiner Tätigkeit als Historiker.
Isländische und österreichische Wurzeln
Schon das erste Buch, das Odinn Melsted als Wissenschaftler publizierte, hat einen entsprechenden Schwerpunkt: Es handelt von ausländischen Musikern, die ihre Heimat verlassen haben und nach Island emigriert sind. „Gerade in der Zwischenkriegszeit und nach dem Zweiten Weltkrieg sind beispielsweise auch viele Österreicher auf die Insel ausgewandert“, erläutert Melsted. „Einer davon war mein Großonkel Paul Pampichler aus Graz, der in meine isländische Familie einheiratete – eine schöne Querverbindung zwischen meinen isländischen und meinen österreichischen Wurzeln.“ Verfasst hat Melsted sein Werk im Übrigen auf Isländisch, eine Sprache, die er bis zu seinem Umzug nach Reykjavík nur mündlich beherrschte. „Die Grammatik und das Schreiben habe ich mir erst im Rahmen des Studiums angeeignet“, so der Historiker, der Isländisch als schwere, aber durchaus bewältigbare Sprache ansieht – speziell für deutsche Muttersprachler. „Das Isländische steht dem Deutschen grundsätzlich sehr nahe, allerdings merkt man diese theoretische Nähe nicht, weil die Aussprache eine ganz andere ist“, erklärt Melsted. Er selbst habe mal gehört, Isländisch klinge wie schlechtes Vorarlbergerisch – „und das kommt nicht von ungefähr“.
Begeisteter Trompeter
Neben seiner familiär bedingten Affinität zu Island und der Geschichte seines ausgewanderten Großonkels gab es allerdings noch einen weiteren Grund, weshalb Odinn Melsted sich in seinem ersten Buch ausgerechnet mit diesem speziellen Thema auseinandergesetzt hat: Er ist selbst begeisterter Trompeter. „Ich war vor allem zwischen meinem zehnten und 25. Lebensjahr sehr aktiv und habe viele unterschiedliche Stile ausprobiert – von volkstümlicher Tanzmusik bis hin zu Jazz“, berichtet Melsted. „Aber am meisten sagt mir klassische Musik zu.“ Eine Zeitlang war der gebürtige Oberösterreicher Mitglied verschiedener Ensembles und Orchester – er trat unter anderem mit dem Isländischen Symphonieorchester auf –, in den vergangenen Jahren habe er allerdings eher selten und mehr zum eigenen Vergnügen musiziert. „Das ist halt das Problem, wenn man in einer Stadtwohnung lebt: Man kann nicht so laut spielen, wie man gerne würde.“
Wahlinnsbrucker
Das gelte leider auch in Innsbruck, wo der 30-Jährige nach Abschluss seines Masterstudiums in Reykjavík eine neue Heimat gefunden hat. „Ich dachte mir damals, jetzt muss ich wieder weg von der Insel“, blickt er zurück. „Aber ich wollte nicht mehr in den Osten Österreichs, sondern lieber in den ‚wilden Westen‘.“ Und so arbeitet Odinn Melsted seit 2016 an der hiesigen Universität an seiner Dissertation über historische Energiewenden, wobei er seinen Fokus erneut auf Island gerichtet hat. „Im 20. Jahrhundert gab es dort eine Entkarbonisierung des Energiesystems, weshalb heute Strom und Wärme zur Gänze aus erneuerbarer Geothermie und Wasserkraft gewonnen werden. Ich schaue mir an, wie und warum das funktioniert hat und wie es vielleicht auch anderswo funktionieren könnte“, erklärt der Wahlinnsbrucker, der nach Beendigung seiner Doktorarbeit gerne in Tirol bleiben würde – nicht zuletzt, weil er dort einer weiteren großen Leidenschaft von sich nachgehen kann. „Früher, als Kind, hatte ich wenig Lust darauf, aber vor einigen Jahren habe ich das Bergsteigen für mich entdeckt“, sagt Melsted. „Und dafür ist Innsbruck natürlich der perfekte Ort.“
(Autor: Simon Leitner)
Steckbrief
Name
Odinn Melsted, MA
Funktion
Doktorand am Institut für Geschichtswissenschaften
An der Uni seit
2016
Wohnort
Innsbruck
Herkunft
Island/Oberösterreich