Aberkennungen akademischer Titel während der NS-Zeit

Die Möglichkeit des Entzugs von akademischen Graden hat eine lange Tradition, die zentral den Erwerb des Titels durch Täuschung oder Erschleichung umfasst – der einzige Grund, der auch heute noch zu einer Titelaberkennung führt. Darüber hinaus existierten aber weitere Gründe für Titelaberkennungen, die insbesondere während des Nationalsozialismus untrennbar mit der rassistischen Gesetzgebung des Deutschen Reiches verbunden waren.

In der NS-Zeit erfolgten Titelaberkennungen, darunter auch jene von Ehrentiteln, einerseits aufgrund von Verurteilungen nach dem Strafgesetz, andererseits durch „Ausbürgerung“. Ab 1933 wurde auf Basis des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft vom 14. Juli 1933 sowie der erweiternden Durchführungsverordnungen der nächsten Jahre die Grundlage für den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft für Juden und Jüdinnen geschaffen, der mit ihrer materiellen Beraubung einherging. Nach dem „Anschluss“ trat die nationalsozialistische Gesetzgebung auch in Österreich in Kraft. War mit der Durchführungsverordnung vom 21. Juli 1939 zum Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 zunächst allgemein die Entziehung akademischer Grade geregelt und die Entscheidungsgewalt den Rektoraten gemeinsam mit den Dekanen zugewiesen worden, legte die zweite Durchführungsverordnung vom 29. März 1943 schließlich explizit und endgültig fest, dass mit der Aberkennung der deutschen Staatszugehörigkeit „zugleich der Verlust der von einer deutschen staatlichen Hochschule verliehenen akademischen Grade ein[tritt].“ Bis dahin mussten Titelaberkennungen im Deutschen Reichsanzeiger, der Amtszeitung des Deutschen Reiches, bekanntgemacht werden, dies war allerdings nicht zuverlässig praktiziert worden und fortan durch die neue Durchführungsverordnung nicht mehr notwendig.

Die Aberkennung akademischer Titel aufgrund strafrechtlicher Verurteilung war bereits im Strafgesetz von 1852 festgeschrieben, hatte also eine lange, NS-unabhängige Tradition. Diese Praxis wurde aber durch die NS-Gesetzgebung noch verschärft. Praktiziert wurde sie bis 1974, abgeschafft wurde sie durch die 1975 in Krafft getretene Strafrechtsreform 1971/73.

Eine formelle Wiederverleihung von aberkannten Titeln seitens der Universität Innsbruck ist nach 1945 unterblieben. Die Entscheidung über die Wiederverleihung von „aus ausschließlich politischen Gründen“ während der NS-Zeit aberkannten Graden lag gemäß der Verordnung des Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten vom 9. Juli 1945 über den Erwerb, die Führung und den Verlust inländischer akademischer Grade (StGBl. Nr. 78/1945) bei den jeweiligen Hochschulen, an denen der Titel erworben worden war, selbst.

Die Wiederverleihung von nach den Bestimmungen des Strafgesetzes verlorenen akademischen Graden wurde durch das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz von 1966 geregelt (BGBl. Nr. 177/1966): Auch hier war die jeweilige akademische Behörde zuständig, die den akademischen Grad verliehen hatte. Eine Wiederverleihung war möglich, „wenn a) ihr die Bestimmungen des Strafgesetzes nicht mehr entgegenstehen und b) durch die Wiederverleihung eine Schädigung des akademischen Ansehens mit Rücksicht auf die Art und Schwere der für den Verlust maßgebenden Verfehlung, die seither verstrichene Zeit und die seitherige Lebensführung des Bewerbers nicht zu befürchten ist.“ 1979 wurde zunächst lit. b als verfassungswidrig gestrichen, 1981 der ganze Absatz. Wiederverleihungen waren nicht mehr vorgesehen. Für die Universität Innsbruck sind derzeit elf Aberkennungen akademischer Titel (zehn Doktorate, ein Ehrendoktorat) während der NS-Zeit dokumentiert. Aufgrund der Überlieferungslage kann nicht ausgeschlossen werden, dass es noch weitere Fälle gegeben hat.

Quellen

  • Archiv der Universität Innsbruck, Entziehung des Doktorgrades, R-810 ex 1941/42
  • Archiv der Universität Innsbruck, Ehrendoktoren 1) A – F – L vor 1945

Literatur

Aberkennungen

 

  • Nach oben scrollen