Text: Lara Castlunger und Anna Mischí
Das Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck beschäftigt sich mit der Erforschung der Geschichte des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts. Alle Geschichtsstudierenden machen im Laufe ihres Studiums mit dem Institut Bekanntschaft, aber nur wenige legen dort mit einer Dissertation den Grundstein für eine mögliche zukünftige akademische Laufbahn.
Im Rahmen eines Interviews gewährten uns zwei Dissertant:innen einen Einblick in ihre Dissertationsprojekte und ihre Erfahrungen mit den Arbeitsbedingungen am Zeitgeschichte-Institut. Bei den Gesprächspartner:innen handelt es sich um Marcel Amoser und Nina Hechenblaikner. Marcel Amoser befasste sich in seiner im Oktober 2023 abgeschlossenen Dissertation mit der studentischen Protestgeschichte von den 1960ern bis Mitte der 1980er-Jahre in Innsbruck/Tirol. Nina Hechenblaikner setzt sich in ihrem Dissertationsprojekt mit den menschenrechtlichen Verhandlungen beim dritten Folgetreffen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), das von 1986 bis 1989 dauerte, auseinander. Beide kamen auf unterschiedlichen Wegen zu ihrem Projekt. Hechenblaikner erhielt die Dissertationsstelle, weil es der – nunmehr ehemaligen – Professorin am Institut für Zeitgeschichte Andrea Brait gelungen war, ein finanziertes Drittmittelprojekt zur KSZE-Thematik ans Institut zu holen. Hechenblaikner bewarb sich um die öffentlich ausgeschriebene Stelle und bekam sie, Brait übernahm die Rolle der Betreuerin. Anders verhielt es sich bei Amoser. Hier waren seine Tätigkeit im Zentrum für Migrant:innen in Tirol (ZeMiT), seine Archivtätigkeiten und schließlich die Begegnung mit dem Professor für Zeitgeschichte und Dekan Dirk Rupnow, seinem späteren Betreuer, für das in Angriff genommene Dissertationsprojekt ausschlaggebend. Ein, wie er selber sagt, „nicht linearer Weg“.
Wichtige Kriterien für die Entstehung einer Dissertation sind laut Hechenblaikner zum einen „die Affinität zum wissenschaftlichen Arbeiten und die Begeisterung für das eigene Projekt“, zum anderen kann sie sich eine Dissertation ohne finanzierte Stelle nicht vorstellen, deren Erlangung auch mit etwas Glück verbunden ist. Die meisten Dissertant:innen erhalten an der Universität Innsbruck einen Vertrag für 20 Stunden und werden erst nach der öffentlichen Präsentation des Dissertationskonzepts und dessen Genehmigung auf 30 Stunden aufgestockt. Amoser, der diese Präsentation bereits hinter sich hatte, als er sich erfolgreich auf eine sog. rotierende, d. h. auf eine 4-jährige Dissertationsphase befristete Unistelle bewarb, und Hechenblaikner, weil ihre Finanzierung über sog. Drittmittel erfolgte, waren aber bereits von Beginn an für 30 Stunden angestellt. Beide Interviewten schätzen sich glücklich, in ihrer Dissertationsphase „bezahlt“ worden zu sein, weisen aber darauf hin, dass die real investierten Stunden ihre vertragliche Arbeitszeit häufig übersteigen. Darum geht es aber nicht, „denn man weiß relativ früh, auf was man sich einlässt und warum“, sagt Hechenblaikner. Neben den Dissertant:innen mit fester Anstellung gibt es auch solche, die ihre Dissertation aus rein persönlichem Interesse und nebenberuflich schreiben, ohne in den Genuss einer finanziellen Unterstützung zu gelangen. Die Gründe und Motive für ein Doktoratsprojekt sind also sehr unterschiedlich und können nicht auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.
Amoser und Hechenblaikner schätzen am Institut besonders das gute Verhältnis untereinander, die beinahe familiäre Atmosphäre und die Möglichkeiten des Austausches. Gelegenheiten dafür ergeben sich nicht zuletzt beim gemeinsamen Mittagessen oder während der Kaffeepausen, wo man ungezwungen mit anderen ins Gespräch kommt. Aufgrund der Expertisen aller am Institut Tätigen werden solche Gespräche von den Dissertant:innen als sehr gewinnbringend empfunden, wie sie sich überhaupt als Nachwuchswissenschaftlerin bzw. Nachwuchswissenschaftler am Institut gefördert und anerkannt fühlen. Darüber hinaus heben sie die flache Hierarchiestruktur als weiteren positiven Aspekt hervor. Hilfreich sind darüber hinaus Kontakte zu Kolleg:innen aus anderen Fachbereichen, die durch den Besuch einiger Lehrveranstaltungen entstehen, die im Dissertationsstudium absolviert werden müssen, oder durch Fortbildungen, und „man ist dann sehr schnell auch mit Personen, die man als Lehrende von früher kennt, per Du“, erklärt Hechenblaikner.
In Bezug auf ihre Tätigkeit als Dissertant:innen am Institut für Zeitgeschichte schätzen Hechenblaikner und Amoser zudem besonders, dass sie sich ihre Arbeitsstunden relativ flexibel einteilen können, was allerdings auch mit viel Eigenverantwortung einhergehe. Zudem haben sie die Freiheit, einen Teil der Arbeitszeit im Homeoffice zu verbringen. Mit einer Prise Humor berichtet Hechenblaikner (und Amoser stimmt ihr zu), dass das Arbeiten in häuslicher Isolation oft weniger ablenkend ist als am Institut, wo es schon öfters vorkommen kann, „dass man zur Kaffeemaschine ins Sekretariat geht, um sich kurz einen Kaffee zu holen und dann erst nach einer Stunde wieder zurückkommt“. Diese Art von Ablenkung bzw. ungeplantem Austausch mit anderen kann aber gleichzeitig auch von Vorteil sein, denn gerade durch spontane Gespräche, ergeben sich „ganz oft Möglichkeiten, sowohl für die eigene Arbeit oder für Kooperationen, die sich sonst kaum ergeben, wenn man sich in der Schreibphase daheim befindet“, fügt die Dissertantin hinzu.
Eine Promotion am Institut für Zeitgeschichte sehen beide Dissertant:innen als große Bereicherung an, sowohl auf akademisch-wissenschaftlicher als auch persönlicher Ebene. Das Verfassen einer Dissertation erfordere wirkliches Durchhaltevermögen und eine hohe psychische Belastbarkeit. Die Anerkennung und Wertschätzung durch andere sowie das Brennen für das eigene Forschungsthema helfe aber über die weniger positiven Aspekte und Herausforderungen des Dissertationsprozesses hinweg. In dieser Hinsicht beschreibt Amoser seine Dissertationszeit letztlich auch als einen „Job, der mehr ist als nur ein Job [...], es ist Leidenschaft [...] und es ist ganz viel Teil von einem selbst“.
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