Perspektivierung rassistischer Diskurse in der deutschsprachigen Kolonialliteratur zwischen 1884 und 1918
Sam Siefert
Literatur ist ein zentraler Bestandteil kultureller Gedächtnisbildung und verschafft uns in einem weitgefassten Literaturbegriff Erkenntnisse über epochale Eigenschaften. Der wissenschaftliche Habitus rassistischer Ideologie und Theorie im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert hat nicht nur die damalige Gegenwart ausgemacht: Er ist selbst zu einem Teil unseres kulturellen Gedächtnisses geworden, dennoch ist jede Form von Erinnerung selbst von Machtstrukturen bestimmt, welche epochentypische Handlungs- und Verhaltensweisen der Gesellschaft ausmachen.
Im Fokus der geplanten Dissertation steht, die Analyse von Perspektiven rassistischer Diskurse in der deutschen Kolonialliteratur Afrikas. Folgt man der Definition des „Handbuchs Postkolonialismus und Literatur“, so handelt es sich bei Kolonialliteratur um fiktionale und faktuale Texte, die Kolonialerfahrungen zwischen 1888 und 1918 thematisieren (Vgl. Handbuch Postkolonialismus und Literatur (2017), Stuttgart: Metzler, S.260). Diese Definition lässt sich anschließend räumlich und zeitlich sowie gattungsgeschichtlich noch weiter unterkategorisieren, wodurch sich zur historischen Aufarbeitung primär Texte anbieten, welche zur Kolonialzeit (1888-1918) und davor veröffentlicht wurden. Durch umfangreiche Textkorpora werden sowohl fiktionale Textgattungen als auch Erfahrungs- beziehungsweise Reiseberichte hinsichtlich ihrer rassistischen Terminologie und Narrative untersucht. Um die kolonialideologische „Wahrheit“ theoretisch zu untermauern, ist es zusätzlich wichtig, auf die damals vorherrschende „wissenschaftliche Erkenntnis“ der Anthropologie einzugehen, die eine „weiße Vorherrschaft“ legitimierte. Zusätzlich wird eine afrikanische Perspektive auf koloniale Praktiken mit einbezogen, welche eurozentristische kollektive Gedächtnisbildung hinterfragen soll und somit das Feld kolonialer Texte erweitert.