Der Schriftsteller Joseph Zoderer.
Leben und Werk Joseph Zoderers ist Gegenstand der Forschung am Brenner-Archiv der Universität Innsbruck.

Ein um­­fassen­­des Werk

Seit vielen Jahren wird das Werk des Autors Joseph Zoderer an der Universität Innsbruck beforscht. Zum 85. Geburtstag des Autors ging Ende vergangenen Jahres eine umfassende Datenbank dazu online.

Am 25. November feierte der Südtiroler Schriftsteller Joseph Zoderer seinen 85. Geburtstag. Das Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck verwaltet und beforscht seine Vorlass-Materialien, wozu Manuskripte und Typoskripte oder auch Druckfahnen zu seinen Werken ebenso gehören wie Tagebücher (bis 2006) oder Korrespondenzen. „Das Land Südtirol hat den Vorlass, in Kooperation mit dem Brenner-Archiv, im Jahr 2007 erworben, seither widmen wir uns diesem Vorlass auch in Forschungsprojekten. Zoderer als Autor ist bereits seit den 1980-ern Thema und sein Werk Forschungsgegenstand am Brenner-Archiv“, erläutert ao. Univ.-Prof. Dr. Sieglinde Klettenhammer vom Institut für Germanistik, die mit ihrem Team in zwei vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierten Projekten Zoderers Werk und Leben bearbeitet hat (siehe Kasten). „Was Zoderer als Autor ausmacht, ist, dass er sich sicher in verschiedenen Genres und Gattungen bewegt – Roman, Kurzprosa, Lyrik, auch Mundartdichtung, autobiographischer Essay. In den Prosasammlungen ‚Der Himmel über Meran‘ (2005) und ,Mein Bruder schiebt sein Ende auf‘ (2012) finden sich Porträts von Freunden, Bekannten und Verwandten, damit hat er sich auch dem Genre des literarischen Porträts zugewandt. In seinen Texten geht es immer auch um Fragen der Identität und hier um Fragen der Ich-Identität und um die Problematik des Ichs im Austausch mit dem Anderen, auch um Liebe und Ehe – das hebt ihn aus dem Südtiroler Kontext heraus, er ist nicht nur ein Südtiroler Autor, sondern greift allgemeingültige Themen wie Verlust- und Fremdheitserfahrung auf. Wenn er etwa interethnische Konflikte anhand des Beispiels Südtirol behandelt, ist das immer auch umlegbar auf derartige Konflikte ganz allgemein“, umreißt die Germanistin die gesellschaftspolitische Bedeutung von Joseph Zoderers Werk.

„Zoderer im Zoom“

Jüngstes Ergebnis dieser Forschungsarbeit – und pünktlich zum 85-er des Autors erschienen – ist „Zoderer im Zoom“, eine umfassende Website über den Autor. „‚Zoderer im Zoom‘ bietet auf der Basis der Vorlass-Materialien erstmals eine kommentierte Lebenschronik Zoderers in Bildern und Dokumenten, eine Übersicht über das selbstständig publizierte Werk Joseph Zoderers mit Auflistung aller Ausgaben und Übersetzungen und exemplarisch ausgewählten Vorlass-Materialien sowie bibliographische Angaben zum jeweiligen Werk“, sagt Sieglinde Klettenhammer. „Besonders stolz sind wir auf die Gesamt-Bibliografie zum Werk Zoderers mit allen eruierbaren vom Autor selbstständig und unselbstständig publizierten Werken, mit der wissenschaftlichen Literatur und der literaturkritischen Rezeption zu seinen Werken. Für ihre Erstellung haben wir auch die Privatbibliothek Zoderers ausgewertet.“ Diese Bibliografie, die natürlich auch online durchsucht und gefiltert werden kann, ist nicht nur für die Forschung relevant, sondern kann auch von Kultur- und Literaturschaffenden oder auch von Studierenden und im Schulunterricht benutzt werden. Für Schulen ist ein weiteres Modul der Website in Arbeit, dessen Veröffentlichung sich coronabedingt nun leicht verzögert hat: Kompakte Unterrichtsmodule zu Zoderers Romanen „Die Walsche“ und „Das Glück beim Händewaschen“ sollen zur Beschäftigung mit dem Autor im Deutschunterricht anregen und Schüler*innen, aber auch Studierenden die Arbeit an und Nutzung von Literatur-Archiven näherbringen und vermitteln.

Für sein schriftstellerisches Werk, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde, erhielt der Autor zahlreiche Literaturpreise und Auszeichnungen. Zwei seiner bekanntesten Romane – „Das Glück beim Händewaschen“ (1976) und „Die Walsche“ (1982) – wurden von Werner Masten für das Fernsehen verfilmt. Die schriftstellerischen Anfänge Zoderers gehen in die späten 1950er Jahre zurück, entsprechend vielfältig ist sein schriftstellerisches Werk. Fünf Romane wurden als Bestandteil der FWF-Projekte zum Zoderer-Vorlass am Brenner-Archiv in Form einer kommentierten Zoderer-Werkausgabe neu aufgelegt; diese Werkausgabe erscheint seit 2015 im Innsbrucker Haymon Verlag. Zum Geburtstag des Autors ist neben der Web-Datenbank „Zoderer im Zoom“ als fünfter Band dieser Werkausgabe nun sein Roman „Der Schmerz der Gewöhnung“ (2002) neu aufgelegt worden. „In diesem Roman sind Familiengeschichte und die Geschichte Südtirols und Italiens in der Erinnerungsarbeit des Protagonisten Jul kunstvoll miteinander verflochten“, sagt Sieglinde Klettenhammer. 2021 wird als letzter Teil der Projekte ein Sammelband erscheinen, der in Form eines Handbuchs Vorlass-Materialien mit Werkinterpretation verbindet. 

Forschungsnetzwerke

Die Innsbrucker Zoderer-Forschung dient außerdem dazu, Literaturwissenschaftler*innen mit Forschungsinteresse am Autor aus aller Welt zu vernetzen: Zum Beispiel im Rahmen des Internationalen Zoderer-Symposions im Jahr 2015, zu dem auch Forscherinnen und Forscher von Kanada bis Japan nach Innsbruck kamen, um über Werk und Wirkung des Autors zu sprechen. Wie geht es einem eigentlich damit, Inhalt eines wissenschaftlichen Symposions zu sein? „Joseph Zoderer selbst hat mir gesagt, dass er sich sehr freut und geehrt fühlt, er die Forschungsergebnisse allerdings nicht näher verfolgt – das nehme ihm die Unbefangenheit beim Schreiben“, sagt Projektleiterin Klettenhammer. Wer Joseph Zoderer und sein Werk bisher nicht kennt und einen Einstieg sucht, für den hat die Germanistin auch einen Tipp: „Zum einen bietet natürlich ‚Zoderer im Zoom‘ einen guten Einstieg, dafür ist die Seite auch gedacht. Und sonst sein neu aufgelegter und von der Literaturkritik viel beachteter Roman ‚Der Schmerz der Gewöhnung‘, in dem die Themen des Autors in sprachlich verdichteten Szenen und Bildern zusammengeführt werden.“

Forschung zu Zoderer
Gemeinsam mit ihrem Team Mag. Andrea Margreiter, Dr. Verena Zankl, Mag. Irene Zanol, Dr. Erika Wimmer, Mag. Wolfgang Praßl, Dr. Barbara Hoiß und DDr. Joseph Wang-Kathrein hat ao. Univ.-Prof. Dr. Sieglinde Klettenhammer in zwei FWF-geförderten Projekten seit 2014 Joseph Zoderers Vorlass aufgearbeitet. „Joseph Zoderer. Neuverortung und kritische Neubewertung seines Gesamtwerks“ und „Literatur aus Südtirol: Joseph Zoderer im Zoom. Forschungstransfer im Literaturarchiv“ waren die offiziellen Titel der beiden Projekte. Im Rahmen der Projekte wurde nicht nur der Vorlass aufgearbeitet, sondern es entstanden unter anderem auch eine kommentierte Ausgabe von Zoderers Romanen und mit „Zoderer im Zoom“ eine umfassende Online-Datenbank zu seiner Person und seinem Schaffen. Das Forschungsteam vertritt die Zoderer-Forschung zudem auf internationalen Konferenzen.

Dieser Artikel ist in der Dezember-2020-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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