„Gemeinsam mit unseren Projektpartnern von der Eurac, dem Versuchszentrum Laimburg und der Freien Universität Bozen wollen wir einen Wissensvorsprung generieren. Indem wir Weinreben unter kontrollierten Bedingungen auf eine klimatische Zeitreise in die Zukunft schicken, können wir differenziert beobachten und messen, wie Rebstöcke auf zunehmenden Hitze- und Trockenstress reagieren“, erklären Prof. Georg Wohlfahrt von der Universität Innsbruck und Prof. Massimo Tagliavini von der Freien Universität Bozen unisono. Nach bisherigen Prognosen könne es laut den Forschern aufgrund des Klimawandels in nicht einmal 80 Jahren, also 2100, in Südtirol im Sommer um bis zu 5,4 Grad Celsius wärmer und auch trockener sein. Auch gehe die Wissenschaft davon aus, dass Extremwetterereignisse, zum Beispiel durch ungleicher verteilte Niederschläge, häufiger auftreten.
Klimawandel im Weinbau bereits mit freiem Auge sichtbar
Bereits jetzt sind die Folgen des Klimawandels auch im Weinbau „mit freiem Auge sichtbar“, betont Dr. Florian Haas vom Versuchszentrum Laimburg. Die erste Blüte hat sich laut Haas seit 1990 um zwei bis drei Wochen nach vorne verschoben, die Ernte um bis zu einen Monat. „Erhöhte Temperaturen wirken sich negativ auf den Säuregehalt von Weißweinen aus sowie auf die Farbe und Struktur von Rotweinen“, sagt der Forscher. „Im Zuge unseres Klimaexperimentes wollen wir für Südtirol erstmals aufzeigen, wann ausgesuchte Rebsorten durch den Klimawandel an ihr physiologisches Limit kommen und was dies für das Endprodukt, nämlich den Wein, bedeutet“, erklärt der Wissenschaftler. Gefördert werden diese Forschungen von der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol – Abteilung Innovation, Forschung, Universität und Museen im Rahmen der Ausschreibung Research Südtirol/Alto Adige 2019.
Der erste Teil der Experimente im terraXcube läuft von 12. bis 25. Juli. Die zweite Tranche findet von 26. Juli bis 8. August statt. Beteiligt sind 14 Wissenschaftler. Sie messen in insgesamt vier Klimakammern unter jeweils verschiedenen Temperatur- sowie Bewässerungsbedingungen den Gasaustausch der Weinreben. Das heißt, die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie die Abgabe von Wasserdampf (Transpiration) werden an den Blättern der dreijährigen Versuchspflanzen der Sorte Sauvignon Blanc untersucht. Begleitend führt das Team auch einen Feldversuch in einem Weinberg bei Plantaditsch durch. Dort will das Team die Auswirkung von Trockenstress bei Weinreben genauer analysieren.
Stress der Pflanzen bestimmen
Mittels der so genannten „Chlorophyllfluoreszenz“ können die Forscher den Stresszustand der Pflanzen quantifizieren. Sonnenlicht, das von Blättern absorbiert wird, kann für die Photosynthese verwendet, in Wärme umgewandelt oder als Fluoreszenzlicht wieder abgegeben werden. Wird die Photosynthese durch Stress beeinträchtigt, schlägt sich das in Veränderungen der Fluoreszenz sowie der Wärmeabgabe nieder und das können die Wissenschaftler mit Hilfe von hochempfindlichen Sensoren exakt messen.
In der Autonomen Region Südtirol ist seit den 1970er Jahren die Temperatur im Sommer um 2,2 Grad Celsius angestiegen. In niedrigeren Höhenlagen, die überwiegend landwirtschaftlich genutzt werden, ist es sogar um bis zu drei Grad Celsius wärmer, als vor 50 Jahren. Die Auswirkungen des Klimawandels auf den wichtigen Wirtschaftsfaktor Weinbau besser zu verstehen und damit Daten für künftige Anpassungsstrategien zu liefern, ist daher von großer Bedeutung. In Südtirol wird auf rund 5.400 Hektar zwischen 200 und 900 Metern Meereshöhe Wein angebaut. 60 Prozent davon sind weiße Rebsorten. 99 Prozent der gesamten Produktion firmieren als Weine mit der kontrollierten Ursprungsbezeichnung DOC (Denominazione di origine controllata).
(Gabriele Rampl/red)