Vom 6. bis 13. Juli 1986 fand an der Universität Innsbruck die 3. Österreichische Frauensommeruniversität statt – eine Veranstaltung, die sich an ein ausschließlich weibliches Publikum richtete. Die Organisation hatte die Innsbrucker Frauenplattform übernommen, ein damals seit zwei Jahren aktives Netzwerk von rund 25 Frauen aus beinahe ebenso vielen Frauengruppen/-organisationen des „fortschrittlichen Frauenspektrums“, wie es im Programmheft hieß. Rund 400 Frauen aus Tirol und den anderen Bundesländern, darunter nicht nur Studentinnen, sondern ebenso Interessierte, die nicht aus dem engeren universitären Kontext stammten, folgten der Einladung. Am dritten Tag ging es um das Thema Erwerbsarbeit. Am Abend fand ein Plenum statt, um die Ergebnisse der Referate und Workshops zusammenzuführen. Dieses wollte sich der Dekan der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, der Ordinarius für Politische Ökonomie Karl Socher, nicht entgehen lassen. Also fand er sich am 8. Juli um 19.00 Uhr in der Aula im Hauptgebäude ein. Als er aufgefordert wurde, den Saal wieder zu verlassen, weigerte er sich. Daraufhin schnappten sich drei Frauen kurzerhand den Dekan samt Stuhl und hievten ihn vor die Türe. Die Empörung über die Abfuhr war offenkundig groß genug, um noch am selben Abend ein Schreiben an den Rektor zu richten. Darin prangerte Socher unter Verweis auf das UOG die Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise der Frauen an. Auch dass in den nächsten Tagen Kommentatorinnen in der „Kronenzeitung“ und in den „Salzburger Nachrichten“ den Auftritt des Dekans ironisch aufgriffen, wollte Socher nicht unwidersprochen lassen. Sein Leserbrief in den „Salzburger Nachrichten“ gipfelte in einem wohl unabsichtlich skurrilen Vergleich: „Wie man bei meiner Bereitschaft zu einer Diskussion über die Fragen der Arbeitswelt im wissenschaftlichen Sinn patriarchalische Macht erkennen kann, ist mir nicht verständlich. Mich hat mein Ausschluß von dieser Diskussion mit Gewalt sehr an die Methoden des Nationalsozialismus erinnert.“
Die geschilderte Episode gehört zum Anekdoten-Schatz aus einer Zeit, als es darum ging, der Zweiten Frauenbewegung an der Universität Innsbruck Geltung zu verschaffen. Sie blieb ohne direkte Folgen, ihre Bedeutung liegt vielmehr auf der symbolischen Ebene. Dekan Socher lieferte besonders augenfällig einen Beweis für die beharrenden Kräfte, die sich dem Aufbrechen der Männer-dominierten Machtverhältnisse an den Universitäten entgegenstellten. Dass Männern bei feministischen Veranstaltungen die Teilnahme verwehrt wurde, war in diesen Jahren durchaus üblich. Schließlich sollten bei diesen internen Verständigungsprozessen emanzipatorische Strategien entwickelt werden. Dahinter steckte aber auch die Überzeugung, dass bei einer Anwesenheit von Männern Frauen automatisch Gefahr liefen, in die zweite Reihe verdrängt zu werden – als Folge einer auf Bescheidenheit und „innere Zähmung“ ausgerichteten Weiblichkeitserziehung. Die kompromisslose Umsetzung des Zutritts-Verbots bei der Frauensommeruni wiederum stand für das kämpferische Pathos, das die dort versammelten aufbegehrenden Pionierinnen vielfach charakterisierte.
Die Anfänge der Zweiten Frauenbewegung, die sich gegen die Benachteiligung und Unterdrückung von Frauen in Familie, Erwerbsleben, Bildung sowie allen sonstigen Lebensbereichen richtete, reichen in Innsbruck in die frühen 1970er zurück. Auch hier waren sie zunächst im außeruniversitären Bereich angesiedelt. Die Initialzündung lieferte die Diskussion um die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs.
An der Universität machten sich explizit feministische Aktivitäten erst Ende des Jahrzehnts vermehrt bemerkbar. Die Zielsetzungen waren klar: Einerseits ging es darum, die an der Alma Mater vorhandenen Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts aufzuzeigen und zu beseitigen. Andererseits wurden feministische Lehrinhalte eingefordert. Die asymmetrischen Geschlechterverhältnisse sollten einer wissenschaftlichen Analyse unterzogen, gegenwärtige und vergangene Vorstellungen von einer naturgegebenen untergeordneten Rolle der Frau als Konstrukt einer von männlichen Interessen geprägten Gesellschaft hinterfragt werden. Damit verknüpft war auch die Kritik an der bestehenden androzentrischen Wissenschaft einschließlich ihren Methoden, die Frauen ignorierte oder stereotypisierte, sich dabei aber objektiv und unparteiisch gab.
Zu dieser Zeit war die Universität Innsbruck längst keine frauenlose Institution mehr. Der Frauenanteil unter den Studierenden hatte bereits Mitte der 1970er die 30 %-Marke überschritten und stieg stetig weiter. Während Studentinnen vom Ausbau und der Öffnung des österreichischen Hochschulsystems in den 1960/70ern massiv profitieren konnten, war es für Akademikerinnen noch alles andere als selbstverständlich, an der Universität eine wissenschaftliche Karriere zu begründen. 1983/84 waren an der Universität Innsbruck lediglich 15 % der Universitätsassistent*innen (d. h. des nicht-habilitierten wissenschaftlichen Personals) weiblich. 1959 hatte die Universität mit der Chemikerin Erika Cremer die erste Ordinaria berufen und noch immer stellten Frauen in solchen Spitzenpositionen absolute Ausnahmeerscheinungen dar (ihr Anteil betrug 1983/84 1 %). Als 1977 die Amerikanistin Brigitte Scheer die Leitung der Geisteswissenschaftlichen Fakultät übernahm, war sie universitätsweit die erste Dekanin.
Es kann daher nicht verwundern, dass feministische Forderungen zunächst an der Basis, in den Kreisen von Studentinnen und Assistentinnen, formuliert wurden. Folgerichtig bildete die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH), wo ebenfalls konservative Kräfte den Ton angaben, den ersten Austragungsort zur Durchsetzung feministischer Anliegen an der Universität Innsbruck. Im März 1979 wurde ein Antrag auf Errichtung eines ÖH-Frauenreferats eingebracht. Zwei Jahre später konnte sich die Interessensvertretung der Studierenden zumindest zur Einsetzung einer „Sachbearbeiterin für Frauenfragen“ entschließen. Jedoch verfügte sie über kein Budget und es wurde ihr untersagt, sich positiv zur Legalität der Abtreibung zu äußern. Bereits nach kurzer Zeit stellte die Sachbearbeiterin ihre Tätigkeit wieder ein. Nach zähem Ringen stimmte der ÖH-Hauptausschuss schließlich im Mai 1983 einem ÖH-Frauenreferat zu. Dieses diente dann mehrere Jahre (bis die konservative ÖH-Spitze neuerlich für eine Entpolitisierung der Funktion sorgte) als wichtige Drehscheibe für frauenbewegte Aktivitäten. U. a. war das ÖH-Frauenreferat Mitveranstalterin der Frauensommeruni und nicht zuletzt half es mit, Frauenforschungsgruppen an vielen Instituten zu gründen.
Diese Gruppen waren weitere wichtige Knotenpunkte im feministischen Netzwerk, das sich in den 1980ern an der Universität bildete. Eine erste solche Frauenforschungsgruppe war bereits um 1979 entstanden. In dem Jahr, als Kanzler Bruno Kreisky vier Staatssekretärinnen (u. a. Johanna Dohnal) in seine Regierung aufnahm und das Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft den Nationalrat passierte, gründete sie sich an der Juridischen Fakultät. In ihren Reihen fanden sich überwiegend Assistentinnen. Pädagogik- und Psychologiestudentinnen wiederum kamen 1982 zunächst im „Arbeitskreis feministischer Studentinnen“ zusammen. Es folgten im Wintersemester 1985/86 die „Arbeitsgemeinschaft feministische Pädagogik“ am Institut für Erziehungswissenschaften, im Sommersemester 1986 die „Arbeitsgruppe historische Frauenforschung“ am Institut für Geschichte. Weitere Frauengruppen bestanden 1986 am Institut für Politikwissenschaft sowie an der Theologischen Fakultät. Bald folgten Germanistinnen-, Romanistinnen-, Medizinerinnen-, Philosophinnen- und Psychologinnengruppen.
Nachweis erfolgreicher weiterer Vernetzungsanstrengungen und zugleich Meilenstein für die dynamische Entwicklung in dieser Zeit war neben der Frauensommeruni das im Wintersemester 1986/87 erstmals durchgeführte Interdisziplinäre Frauenforschungsseminar (IFFS), zu dem hundert Studierende erschienen. Organisation und Durchführung erfolgten in einem Kollektiv, bestehend aus Studentinnen sowie jungen, aber auch schon besser abgesicherten Lehrenden. Entscheidende Schützenhilfe leistete die Theologin und Religionspädagogin Herlinde Pissarek-Hudelist, seit 1984 ordentliche Universitätsprofessorin. Sie beschäftigte sich seit mehreren Jahren mit feministischen Perspektiven auf ihr Fach und stellte sich als offizielle Lehrveranstaltungsleiterin zur Verfügung. Die mit ihrer hohen Position verbundene Lehrfreiheit ließ dies zu. Das IFFS wurde bis 1990 regelmäßig von einem interdisziplinären Team an der Universität Innsbruck organisiert.
Frauensommeruni und IFFS stehen für die Prinzipien, mit denen es der Frauenforschung gelang, sich an der Universität zu etablieren: Viel freiwilliges Engagement, Spontanität, aber auch Hartnäckigkeit, studentische Selbstorganisation und flache Hierarchien, die die Zusammenarbeit zwischen Studentinnen und Lehrenden auszeichneten, gestatteten es, die noch spärlich vorhandenen Ressourcen wettzumachen. Gleichzeitig stehen die genannten beiden Veranstaltungen aber auch dafür, dass es mittlerweile möglich geworden war, Mittel (u. a. beim SPÖ-geführten Wissenschaftsministerium) für feministische, die herkömmlichen Normen des Lehrbetriebs durchbrechende Initiativen einzuwerben. Das zeigte sich auch daran, dass am Institut für Politikwissenschaft und am Institut für Erziehungswissenschaften erste, zwar auf der Karriereleiter noch ganz unten angesiedelte, aber dem Aufgabengebiet „Frauenforschung“ gewidmete Stellen durchgesetzt werden konnten. 1985 wurde Sieglinde Rosenberger am Institut für Politikwissenschaft Vertragsassistentin, 1986 erhielt das Institut für Erziehungswissenschaften mit Anni Bell eine Studienassistentin, mit Maria Wolf 1989 eine Vertragsassistentin.
Können die Jahre ab 1979 im Hinblick auf die frauenbewegten Aktivitäten an der Universität Innsbruck mit Schlagwörtern wie „Erste Lebenszeichen“ und „Vernetzung“ auf den Punkt gebracht werden, markiert das Jahr 1988 den Beginn der Phase der Institutionalisierung. In diesem Jahr wurde die bereits 1986 vom Ministerium bewilligte Professur „Das politische System Österreichs unter besonderer Berücksichtigung der Frauenforschung“ am Institut für Politikwissenschaft mit Claudia von Werlhof besetzt. Es war dies der österreichweit erste Lehrstuhl, der in seiner Denomination die Frauenforschung anführte.
Im neuen Jahrzehnt setzten sich die an den Universitäten in Gang gekommenen Prozesse fort. Zu einem zentralen Thema wurde nun die Verrechtlichung von Gleichbehandlung und Frauenförderung. Wesentliche Grundlagen hierfür schufen das 1993 beschlossene Gleichbehandlungsgesetz inklusive Frauenfördergebot für den Bund sowie eine 1990 erfolgte Novelle des UOG, die bestimmte, dass an allen Universitäten Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen einzusetzen seien.
Die Frauenforschung wiederum entwickelte sich in den 1990er Jahren zur Geschlechterforschung bzw. den Gender Studies weiter. Dahinter verbargen sich selbstkritische Einsichten: Zum einen wies die eigene Forschung nach, dass Frauen keineswegs nur Opfer männlich-gesteuerter Unterdrückungsprozesse waren, sondern auch Täterinnen sein konnten. Zum anderen machte sich die Erkenntnis breit, dass die einseitige Konzentration auf die Analysekategorie „Frau“ nicht in der Lage war, vergangene oder gegenwärtige weibliche Existenzformen wissenschaftlich zu fassen. Die Geschlechterforschung baut vielmehr auf der Annahme auf, dass sich Diskriminierung, Ungleichheit und Differenz aufgrund des Geschlechts nur in seinen engen Wechselwirkungen mit anderen sozialen wie kulturellen Strukturen ergründen lassen. Zusätzlich gelangten durch die Verschiebung des Fokus von den Frauen auf die Geschlechterverhältnisse unterschiedliche Formen von Männlichkeit in den Blick.
Über die zunehmende Integration der Perspektiven der Geschlechterforschung in die Lehre erreichten die neuen Ansätze auch die Studierenden. Im Rahmen geisteswissenschaftlicher Diplomstudien konnte ab dem Wintersemester 2002/03 der Wahlfachstudiengang „Feministische Gesellschafts- und Kulturwissenschaften“ als „Nebenfach“ belegt werden. Der sich über viele Jahre erstreckende Ausbau der Gender Studies als Lehrinhalt gipfelte schließlich im sehr erfolgreichen Interfakultären MA-Studiengang „Gender, Kultur und Sozialer Wandel“, der den Wahlfachstudiengang ablöste und seit dem Wintersemester 2010/11 an der Universität Innsbruck inskribiert werden kann.
Seit der Jahrtausendwende – rund hundert Jahre, nachdem an der Philosophischen Fakultät erstmals Frauen als ordentliche Hörerinnen zum Studium zugelassen worden waren (als Schlusslicht öffnete sich die Katholisch-Theologische Fakultät erst 1945 für Frauen) – liegt der Anteil weiblicher Studierender an der Universität Innsbruck konstant etwas über 50 %. Nicht zu früh benannte sich daher die ÖH 2005 in „Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft“ um. Das wissenschaftliche Personal war Ende der 1990er mit einem Anteil von etwas mehr als einem Viertel (rund 27 %) hingegen noch überwiegend männlich, 2018 lag dieser Anteil allerdings schon knapp unter 40 %. Die Professorenschaft – 1999 zu 7 % weiblich – war es 2018 aber erst zu 23 %. Den Namen einer Frau sucht man in der Liste der Rektoren, die die Universität Innsbruck seit ihren Anfängen vor 350 Jahren geleitet haben, bis heute vergeblich.
(Ingrid Böhler)
Zeitungsausschnitte abgedruckt in: Eva Fleischer, Die Frauensommeruniversität. (Fast nur) eine Entrüstung. Pressereaktionen und ein Briefwechsel, in: Anni Bell u. a. (Hrsg.), Furien in Uni-Form? 3. Österreichische Frauensommeruniversität Innsbruck 1986, S. 131–138.
Lisa Gensluckner, Frauenbewegte Aktivitäten im universitären Kontext, in: Lisa Gensluckner/Christine Regensburger/Verena Schlichtmeier/Helga Treichl/Monika Windisch (Hrsg.), vielstimmig. mancherorts. Die Neue Frauenbewegung in Tirol seit 1970, Innsbruck u. a. 2001, S. 217–228.
Margret Friedrich, Assistentin, ja – Dozentin, nein? Der lange Weg zu Habilitationen und Berufungen von Wissenschaftlerinnen an der Universität Innsbruck, in: Margret Friedrich/Dirk Rupnow (Hrsg.), Geschichte der Universität Innsbruck 1669–2019. Band II: Aspekte der Universitätsgeschichte, Innsbruck 2019, S. 135–174.
Ingrid Böhler ist Leiterin des Instituts für Zeitgeschichte und leitet auch das Projekt „Hidden Histories“ im Rahmen des 350-Jahr-Jubiläums der Universität Innsbruck.