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FWF-Projekt „Vom Militärlager zur Zivilsiedlung – Die Genese der westlichen Peripherie von Brigantium“

 

Rahmendaten zum Forschungsprojekt

FWF-Projektnummer: P23777

Laufzeit: Dezember 2011 – November 2014

Projektleiter: Assoz.-Prof. Mag. Dr. Gerald Grabherr

Projektassistenten: MMag. Julia Kopf

                            MMag. Dr. Karl Oberhofer

 

 

J. Kopf/K. Oberhofer, Forschungsprojekt Bregenz Böckleareal: eine Zwischenbilanz. In: Ch. Baur, Ausgraben – Dokumentieren – Präsentieren. Jahresbericht des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck 2013 (Innsbruck 2015) 34 f.


 

Einführung: Die römerzeitliche Siedlung Brigantium

Die Entwicklung der römerzeitlichen Siedlung Brigantium, des heutigen Bregenz, ist aus archäologischer Sicht bisher nur unzureichend bekannt – zwar fanden seit Mitte des 19. Jh. zahlreiche Ausgrabungen statt, bei denen eine große Menge an Fundmaterial geborgen wurde, eine wissenschaftliche Auswertung haben bisher aber nur wenige ausgewählte Fundgruppen bzw. Fundkomplexe erfahren.

Verhältnismäßig gut abgesichert erscheint dank neuerer Untersuchungen der Siedlungsbeginn, welcher anhand der italischen Terra Sigillata im fortgeschrittenen 1. Jahrzehnt v. Chr. angesetzt werden kann. Der Charakter dieser frühesten Besiedlung war bisher umstritten, allerdings deuteten die recht zahlreichen frühkaiserzeitlichen Militaria (militärische Kleinfunde) eindeutig auf die Präsenz römischer Soldaten hin. Zudem wurden ein Graben und mögliche Mannschaftsbaracken/Stallgebäude auf dem Ölrain als Reste eines römischen Erdlagers frühtiberischer bis frühclaudischer Zeitstellung interpretiert. Aufgrund der Verteilung der italischen Terra Sigillata kann von einer beachtlichen Siedlungsausdehnung bereits in der 1. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. ausgegangen werden.

Für die weitere Entwicklung der Siedlungstätigkeit liegen dann sehr wenige Anhaltspunkte vor, die eher allgemeiner Natur sind und oft nur aus dem Vergleich mit besser erforschten Siedlungen der näheren Umgebung wie etwa Kempten resultieren. In der frühen und mittleren Kaiserzeit lag der Schwerpunkt der Siedlungstätigkeit auf dem rund 50 ha großen Ölrain-Plateau, welches 34 m über dem heutigen Wasserspiegel des Bodensees liegt und zu diesem terrassenartig abfällt. Nördlich der Hauptstraße – dem Bodenseeufer zugewandt – entstanden öffentliche Gebäude und herrschaftliche Villen, während sich südlich davon die einfachen Wohnhäuser (hauptsächlich Streifenhäuser) sowie die Händler- und Handwerkerquartiere erstreckten (Abb. 1). Anfangs wurden Holz- und Fachwerkgebäude errichtet, später dann zunehmend Steingebäude. Das Ende der Siedlung auf dem Ölrain ist im späten 3. Jh. n. Chr. anzusetzen und steht wohl in Zusammenhang mit den Germaneneinfällen dieser Zeit; damals verlagerte sich die Siedlungstätigkeit auf den 1,2 ha großen, leicht zu befestigenden Moränenhügel der Oberstadt.

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Abb. 1: Stadtplan von Brigantium mit Markierung des Grabungsgebiets Böckleareal (Planvorlage: F. Schimmer, Die italische Terra Sigillata aus Bregenz (Brigantium). Schr. Vorarlberger Landesmus. A 8 [Bregenz 2005] Planbeilage).

 

Forschungsgeschichte Böckleareal

Auf dem Gelände des späteren Böckle-Krankenhauses wurden in den Jahren 1880/1881 und 1894 von S. Jenny die Mauerzüge von drei nördlich der römischen Hauptstraße gelegenen Steingebäuden freigelegt. Das östlichste dieser Gebäude (= Geb. A) sprach Jenny aufgrund seines symmetrischen Grundrisses als öffentliches Bauwerk (Basilika) an, das westlichste (= Geb. C) als landwirtschaftliche Villa und das mittlere (= Geb. B) als Wohnhaus mit Verkaufsladen. Beim Bau des Böckle-Krankenhauses 1948−1951 (Josef-Huter-Straße 12) erfolgten baubegleitende archäologische Untersuchungen unter der Leitung von E. Vonbank, bei denen die Bergung von Fundstücken im Vordergrund stand.

Nach Abbruch des Krankenhauses und Bekanntwerdens eines Bauvorhabens der VOGEWOSI erfolgten vom 14.09.2009 bis 18.07.2010 die Ausgrabungen auf den Grundparzellen 1037/9 und 1037/11 der Stadt Bregenz, welche von der Tiroler Grabungsfirma Talpa GnbR unter der Leitung von Mag. Maria Bader in enger Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt durchgeführt wurden.

 

Grabungsergebnisse der Jahre 2009/2010

Die Ausgrabungen auf dem insgesamt 5.821 m² großen Gelände brachten sowohl südlich als auch nördlich der römerzeitlichen Hauptstraße mehrere stratigraphisch aufeinander folgende Besiedlungsphasen ans Tageslicht (Abb. 2). Südlich der Straße zeichnen sich vorläufig bis zu 6 Siedlungsphasen ab, wobei eine detaillierte Phasenansprache natürlich erst nach Bearbeitung der zugehörigen Fundkomplexe und Aufarbeitung der architektonischen Strukturen erfolgen kann.

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Abb. 2: Gesamtplan der wichtigsten Baubefunde (Talpa GnbR).

 

Zwei Spitzgräben, die der vorläufigen Phase 2 zuzurechnen sind, stellen einen wissenschaftlich besonders wichtigen Befund dar (Abb. 3). In Verbindung mit einem von A. Hild in der 1. Hälfte des 20. Jh. entdeckten Spitzgrabenrest in der Kaspar-Schoch-Str. – Ecke Willimargasse ist es nun möglich, das frühkaiserzeitliche Militärlager von Brigantium zu lokalisieren. Zahlreiche Militaria wie nielloverzierte Gürtelbleche, Dolchscheiden- und Waffenfragmente sind weitere Zeugnisse für die Präsenz römischer Soldaten im Grabungsgebiet (Abb. 4).

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Abb. 3: Profil durch die Verfüllung des westlichen Spitzgrabens (Talpa GnbR).

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Abb. 4: Militaria der Grabung Böckleareal 2009/2010 − 1: Dolchscheidenfragmente, 2-5: Gürtelbleche, 6: Knopfschließe (J. Kopf).

 

Die Hauptdurchzugsstraße von Brigantium, welche Teil einer verkehrsgeographisch bedeutende Nord-Süd- (Alpenrheintalstraße Mailand-Augsburg) und Ost-West-Verbindung (Richtung Arbon) war, wurde in der vorläufigen Phase 2 angelegt und verlief mitten durch das Militärlager (Abb. 5).

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Abb. 5: Profil durch die römerzeitliche Hauptdurchzugsstraße und den südlichen Straßengraben (Talpa GnbR).

 Nach der Auflassung des Militärlagers (um die Mitte des 1. Jh. n. Chr.) kam es zum Abriss der militärischen Bauten und zur Verfüllung der Spitzgräben. Auf dem Gelände des vormaligen Militärlagers und westlich davon wurden anschließend zivile Wohngebäude in Holz- bzw. Fachwerkbauweise errichtet. Diese zivile Besiedlung südlich der Hauptstraße ist einer ersten Einschätzung nach in die 2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. zu datieren. Später, als nördlich der Hauptstraße große Steingebäude (A-C, bereits von S. Jenny Ende des 19. Jh. ergraben) gebaut wurden, scheint der Bereich südlich der Straße unbebaut gewesen zu sein. Dieser Aspekt ist wissenschaftlich besonders interessant, da die Blütezeit und damit verbunden die größte räumliche Ausdehnung der römerzeitlichen Siedlung Brigantium bislang in der mittleren Kaiserzeit, genauer gesagt ab der Mitte des 2. Jh. n. Chr. angesetzt wurden.

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Abb. 6: Holzkonstruktion im Straßenbereich (Talpa GnbR).

 

Ein als außergewöhnlich zu bezeichnender Befund der Grabung ist ein gut erhaltener Holzbretterboden im Bereich der Straße (östlich der Krankenhaus-Baugrube). Die Holzkonstruktion, welche wohl als Teil des römerzeitlichen Straßenkörpers anzusprechen ist, setzt sich aus einem Rost aus vierkantigen Holzbalken und einer darauf mittels Holzdübeln und Eisennägeln fixierten Bretterlage zusammen (Abb. 6). Schon C. von Schwerzenbach und A. Hild konnten 1912 auf dem östlich der Josef-Huter-Straße liegenden, angrenzenden Grundstück einen Abschnitt dieser Holzkonstruktion dokumentieren. Die geborgenen Hölzer werden an der Universität Innsbruck von Dr. Nicolussi (Institut für Geographie) naturwissenschaftlich analysiert um Kenntnisse über Holzart, Fällungsdatum und eventuelle Bearbeitungsspuren zu gewinnen.

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Abb. 7: Die freigelegten Bereiche der Steingebäude A und B von Westen (Talpa GnbR).

Bei den archäologischen Untersuchungen nördlich der römerzeitlichen Hauptstraße konnten in zahlreichen Räumen der Gebäude A-C nach S. Jenny die Siedlungsschichten sowohl der Steinbauphase als auch stellenweise der darunterliegenden Holz- bzw. Fachwerkbauphasen untersucht werden (Abb. 7). Neben einer großen Menge an Funden, welche den Ablauf dieser Siedlungsphasen zeitlich definieren, ist besonders die Entdeckung zahlreicher von S. Jenny nicht erkannter bzw. freigelegter Raumtrennungen erwähnenswert, erlaubt dies doch eine deutliche Modifizierung bzw. Ergänzung des von ihm 1896 publizierten Grundrissplans. Straßenseitig ist den Steingebäuden A-C eine Portikus mit Sandsteinpfeilern vorgelagert (Abb. 8).

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Abb. 8: Straßenoberflächen mit verfülltem Straßengraben im Vordergrund und zwei Pfeilerfundamenten der Portikus sowie der Südwestecke von Steingebäude C im Hintergrund (Talpa GnbR).

 

Nördlich der Steingebäude A und B konnte unter einer stellenweise mehrere Meter dicken mittelalterlichen und neuzeitlichen Geländeauffüllung ein „Garten- bzw. Hofbereich“ der römischen Zeit mit fundreichen Kulturschichten und Einbauten festgestellt werden. Zu letzteren gehört ein 4,9 x 3,7 m großes gemauertes und mit Ziegelsplittmörtel verputztes Wasserbecken, welches nach seiner Auflassung mit Bauschutt und zahlreichen Keramikscherben verfüllt wurde.

 

Bedeutung der Grabung Böckleareal für die Erforschung Brigantiums

Aufgrund des Umstands, dass die Bregenzer „Altgrabungen“ bis in die Zeit um die Jahrtausendwende nach heutigem wissenschaftlichem Stand schlecht dokumentiert sind, sprich die Funde nicht mehr den zugehörigen Schichten (und damit Bauphasen) zugewiesen werden können, lassen sich aus der Aufarbeitung dieser Altgrabungen für die Siedlungsentwicklung keine großen Erkenntnisse gewinnen. Anders verhält es sich mit den Grabungskampagnen der Jahre 2009/2010 auf dem Böckleareal, welche im Rahmen des FWF-Projekts „Vom Militärlager zur Zivilsiedlung − Die Genese der westlichen Peripherie von Brigantium“ aufgearbeitet werden. Hierbei handelt es sich um die ersten nach moderner Methodik durchgeführten, d.h. stratigraphisch orientierten Ausgrabungen in Bregenz, wodurch für Fragen der Siedlungsentwicklung optimale Voraussetzungen vorliegen.

Die Bearbeitung der Grabungsbefunde und des Fundmaterials wird für die Siedlungsentwicklung und –geschichte von Brigantium in der frühen und beginnenden mittleren Kaiserzeit grundlegende neue Erkenntnisse bringen und ist aufgrund der erläuterten Ausgangssituation als Grundlagenforschung von überregionaler Bedeutung zu bezeichnen. Die Aufarbeitung der jüngsten Grabung wird eine dringend notwendige Verbesserung des Forschungsstandes zu Brigantium bewirken, welcher bisher weit hinter demjenigen zu den nahe gelegenen römischen Siedlungen wie etwa Kempten, Chur, Vindonissa und Augst hinterher hinkt. Die aus der Durchführung des Projekts zu erwartenden Ergebnisse zur Siedlungsentwicklung und –chronologie von Brigantium sind dabei nicht nur für die lokale Archäologielandschaft Vorarlbergs von zentralem Interesse, sondern werden auch für Forschungen zur Römerzeit in den benachbarten schweizerischen und süddeutschen Gebieten wichtige Referenzbezüge darstellen, da Brigantium als eine der wichtigsten Siedlungen Raetiens – v.a. in der Frühzeit der Provinz – anzusprechen ist.

 

Wichtige Forschungsziele bzw. Fragestellungen

Auswertung der Baustrukturen und Straßenschichten

Die Auswertung der Baubefunde in Form von Phasenplänen wird das Wissen um die Ausgestaltung dieses Bereichs von Brigantium beträchtlich erweitern, sind doch im bisherigen Plan der römerzeitlichen Siedlung nur die Grundrisse der von S. Jenny ergrabenen Steingebäude verzeichnet. Besonders die nie zuvor untersuchte Fläche des Grundstücks südlich der römerzeitlichen Hauptstraße stellt eine erfreuliche Bereicherung des antiken Stadtbildes dar. Des weiteren wurde bei der Grabung auf dem Böckleareal ein Schnitt durch die bereits zuvor an vielen Stellen im Stadtgebiet angeschnittene, aber nie adäquat dokumentierte Hauptdurchzugsstraße angelegt (Abb. 5), wodurch erstmals eine Auswertung der Straßenschichten und dank des Fundmaterials aus den zugehörigen Straßengräben (Abb. 9) auch eine fundierte, auf Realien basierende Datierung derselben vorgenommen werden kann.

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Abb. 9: Terra Sigillata – Fragmente aus der Verfüllung des ältesten Straßengrabens (J. Kopf).

 

Erstellung einer Siedlungschronologie für das Grabungsgebiet

Mit dieser Grabung bietet sich erstmals die Möglichkeit, umfangreiches römerzeitliches Fundmaterial aus Bregenz stratigraphisch auszuwerten, d.h. den verschiedenen Bauphasen das zugehörige Fundmaterial zuzuweisen und sie damit absolutchronologisch zu datieren. Die Materialbasis, die hierfür herangezogen werden kann, ist beträchtlich: die Grabungen förderten rund 74.000 Fundstücke ans Tageslicht. Darin sind rund 6.400 Fragmente Terra Sigillata (Abb. 9), rund 235 Münzen und rund 65 Fibeln bzw. Fibelfragmente (Abb. 10) enthalten – die beachtliche Stückzahl dieser für die Feinchronologie innerhalb der römischen Kaiserzeit wichtigen Fundgruppen lässt wissenschaftlich gut abgesicherte Ergebnisse für die Siedlungschronologie erwarten.

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Abb. 10: Tutulusfibel mit Emailverzierung (J. Kopf).

 

Klärung der Bauzeit der Steingebäude A-C

Eine spezielle Bedeutung für die Siedlungsentwicklung besitzen die zahlreichen Funde aus dem nördlich der römerzeitlichen Hauptstraße flächig unter den Steingebäuden A-C einplanierten Hüttenlehm-Holzkohle-Brandschutt der Fachwerkbauten (Abb. 11). Diese Fundstücke datieren das Ende der Holz-/Fachwerkbebauung bzw. die Bauzeit der drei Steingebäude und sind damit für die immer wieder diskutierte Frage nach der Errichtungszeit der zivilen Steingebäude in Bregenz von immenser Forschungsbedeutung. Des weiteren kann damit die in einigen Forschungsberichten zu Brigantium erwähnte, auf dem Ölrain ziemlich flächendeckend anzutreffende Brandschuttschicht endlich zeitlich eingeordnet werden. Dabei wird sich zeigen, ob der ebendort vermutete Zusammenhang dieses Zerstörungshorizonts mit den Unruhen des Vierkaiserjahres 68/69 n. Chr. berechtigt ist oder nicht.

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Abb. 11: Hüttenlehm-Brandschutt-Schicht unter einer Mauer von Steingebäude A (Talpa GnbR).

 

Zeitstellung und Bauweise des Militärlagers

Ein siedlungsgeschichtlich äußerst interessanter Aspekt ist die Auffindung von sowohl baulichen als auch materiellen Resten des frühkaiserzeitlichen Militärlagers von Brigantium. Mit dieser Entdeckung kann die lange diskutierte Frage, ob in Bregenz ein frühkaiserzeitliches Militärlager situiert war oder nicht, endgültig ad acta gelegt werden. Die gesicherte Zuweisung von Bauresten an dieses Lager und die Datierung der Anlage sowie ihrer Auflassung (anhand der Funde aus den Spitzgrabenverfüllungen) werden ein wichtiges Ergebnis des Forschungsprojekts darstellen und eine Bereicherung unseres Wissens über die frühkaiserzeitliche Militärpolitik Roms in der Provinz Raetien mit sich bringen.

 

Ende der Besiedlung auf den untersuchten Parzellen

Der Frage, weshalb die mittlere Kaiserzeit im geborgenen Fundmaterial recht schlecht vertreten ist (dies trifft v.a. auf den Bereich südlich der römerzeitlichen Hauptstraße zu), wird ebenfalls nachgegangen werden müssen. Die Auswertung der Grabungsbefunde und der Vergleich des Fundmaterials mit dem Materialspektrum der früheren Grabungen auf dem Böckleareal (Grabungen Jenny und Vonbank) können hoffentlich Auskunft darüber geben, ob das fehlende spätmittelkaiserzeitliche Fundmaterial aus rezenten Störungen der Geländeoberfläche resultiert oder als Zeugnis eines Besiedlungsabbruchs auf dieser Parzelle in der frühen mittleren Kaiserzeit gewertet werden kann.

 

Erstellung eines keramischen „Grundgerüsts“ für Brigantium

Schließlich ist noch die Bedeutung der Aufarbeitung der jüngsten Grabung für eventuelle zukünftige Aufarbeitungen von Bregenzer Altgrabungen zu betonen, besteht doch die berechtigte Hoffnung, anhand der Vergesellschaftung mit datierenden Fundgruppen (v.a. aus geschlossenen Fundkomplexen) ein dringend benötigtes chronologisches „Grundgerüst“ für das keramische Material (zumindest der frühen Kaiserzeit) aus dem Gebiet von Brigantium erstellen zu können, welches die zeitliche Einordnung von Fundmaterial anderer Grabungsplätze in Bregenz ermöglichen sollte. Die große Anzahl an geborgenen Keramikfragmenten (ca. 35.000 exkl. der Terra Sigillata, Abb. 12) bietet hierfür hervorragende Voraussetzungen. Anhand statistischer Untersuchungen des Fundmaterials wird es daher zukünftig hoffentlich möglich sein, andere Grabungsplätze dem Projektgebiet gegenüberzustellen und dadurch die zeitliche Gewichtung der Fundstellen besser einschätzen zu können (gleichzeitiger oder späterer Siedlungsschwerpunkt).

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Abb. 12: Fragmente einer südspanischen Ölamphore (J. Kopf).

 

Methodik: Befund- und Fundauswertung

Durch die Analyse der Schichtverhältnisse und anhand von Architektur- bzw. Baustrukturvergleichen mit anderen frühkaiserzeitlichen Siedlungen der Nordwestprovinzen soll versucht werden, die ergrabenen baulichen Reste einzelnen Gebäuden zuzuweisen und deren Funktion innerhalb des Siedlungsgefüges näher zu umreißen (Privathäuser, handwerkliche Nutzung, militärischer Kontext etc.). Das relative Alter bzw. die Phasenzugehörigkeit dieser Gebäude ergibt sich durch die Auswertung der während der Ausgrabung festgehaltenen Schichtverhältnisse, welche in Form einer Harris-Matrix graphisch dargestellt werden sollen.

Die absolutchronologische Einordnung des Militärlagers und der zivilen Bauten kann nur anhand der sorgfältigen Auswertung des Fundmaterials aus den zugehörigen Schichten erfolgen. Dabei sind die datierenden Fundgruppen (Münzen, Fibeln, Terra Sigillata und andere Feinkeramik) von entscheidender Bedeutung. Die zeichnerische sowie schriftliche Dokumentation (Tafeln und Katalog) und die Bestimmung der zahlreichen Funde machen den Großteil des Arbeitsaufwandes des Projekts aus. Für die Aufnahme der Kleininschriften wird ein Experte hinzugezogen.

Aufgrund der großen Menge an Fundmaterial werden die Daten zu den einzelnen Fundstücken in eine digitale Datenbank aufgenommen. Zusätzlich ist der Einsatz von statistischen Methoden geplant, anhand derer erweiterte Aussagen – etwa zur Benutzungszeit von speziellen Keramiktypen – zu erwarten sind und die den Grabungsplatz mit anderen publizierten Fundplätzen der Region vergleichbar machen sollen.

 

Methodik: Naturwissenschaftliche Analysen

Als Ergänzung zur archäologischen Bearbeitung des Fundmaterials werden einige naturwissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt. Geplant sind osteologische Analysen, die Untersuchung von Schlacken- und Holzkohle-Proben sowie keramische Herkunftsanalysen (sowohl der Terra Sigillata als auch der Grobkeramik, inkl. Tonanalysen). Archäobotanische Untersuchungen sind nur in geringem Umfang möglich, da wenige hierfür geeignete Schichten (wie etwa reine Brandschichten oder dauerfeuchte Sedimente) anzutreffen waren. Dafür lässt die Dendrodatierung von gut erhaltenen Holzbefunden aufschlussreiche Erkenntnisse zur Datierung der Straße (s.o.) und angrenzender Holzbauten erwarten. Die Ergebnisse dieser archäometrischen Untersuchungen versprechen insgesamt wichtige ergänzende Informationen zur Lebens- und Arbeitswelt (Ernährungsgewohnheiten, handwerkliche Produktion, Rohstoffressourcen etc.) der Einwohner Brigantiums zu liefern.


Literatur:

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W. Zanier, Das Alpenrheintal in den Jahrzehnten um Christi Geburt. Forschungsstand zu den historischen und archäologischen Quellen der spätlatène- und frühen römischen Kaiserzeit zwischen Bodensee und Bündner Pässen (Vorarlberg, Liechtenstein, Sankt Gallen, Graubünden). Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 59 (München 2006).

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