Projekte
Kontinuität und Wandel - ländliche Siedlungsstrukturen an der oberen Drau von der Eisenzeit bis zur Spätantike
Die römische Ansiedlung in Mühldorf im Mölltal (Kärnten)
Zur Untersuchung der wirtschaftlichen Grundlagen ländlicher Siedlungen im Arbeitsgebiet bietet sich in Mühldorf, am Eingang des Mölltales (Kärnten) eine altbekannte, bedeutende Fundstelle an: Bereits 1898 wurden auf der südlich der Möll befindlichen Flur Haselanger erste Ausgrabungen durch E. Nowotny durchgeführt. Dabei konnte eine mit in etwa 300 m2 für eine ländliche Siedlungsstelle bemerkenswert große römische Badeanlage ausgegraben werden, die mit Marmor und Wandmalereien ausgestattet war.
Nach Beendigung der Feldforschungen, bei denen nur das Bad und nicht sein Umfeld berücksichtigt wurden, und Flurzusammenlegungen im nachfolgenden Jahrhundert geriet der Standort des Badegebäudes in Vergessenheit. Erst einem Team der Universität Innsbruck gelang es 2017 durch geophysikalische Prospektionen den Standort erneut zu ermitteln und darüber hinaus sechs weitere Gebäudegrundrisse im Umkreis des römischen Bades aufzuzeigen.
Besonders hervorzuheben ist die für landwirtschaftliche Nutzung augenscheinlich ungünstige Lage dieser Ansiedlung: Sie befindet sich auf der Talsüdseite, also auf dem der Sonne abgewandten Nordabhang. Zwar ist sie durch ihre rund 20 m über dem Fluss Möll gelegene Position vor etwaigen Überflutungen ausreichend geschützt, doch dieses Argument kann nicht allein ausschlaggebend für die Platzwahl sein. Ein weitaus gewichtiger Grund dürften die Edelmetallvorkommnisse des Berges Salzkofel gewesen sein, an dessen Nordhang die Siedlungsstelle liegt. Durch mehrere, seit dem 19. Jh. erfolgte Aufzeichnungen, sind wir darüber informiert, dass sich mehrere Stollen um den Salzkofel verteilten und dass bis ins 16. Jh. Silberbergbau im Gebiet von Mühldorf betrieben worden ist.
Genau 100 Jahre nach den letzten Ausgrabungsaktivitäten führte ein Team der Universität Innsbruck im Frühjahr 2018 eine archäologische Grabung auf der Flur Haselanger durch. Ziel der Ausgrabungskampagne war es den Erhaltungszustand des Römerbades zu verifizieren (Abb. 3), ein weiteres Gebäude zu erforschen sowie die Stratigraphie zu klären.
Die Untersuchungen im römischen Bad konzentrierten sich auf den Warmwasserbereich, der sich – bis auf die fehlenden Bodenplatten – in einem nahezu identischen Zustand mit den Aufzeichnungen von 1898 befand. Bei dem weiter südwestlich gelegenen Gebäude handelt es sich um ein Wohngebäude (Abb. 4) mit mindestens zwei Bauphasen, das mit reichlich Wandmalerei (35 Fundkisten) ausgestattet war.
Kleinfunde aus dem Gehhorizont außerhalb des Wohnbaus legen eine Frequentierung und Nutzung des Areals schon im 1. Jh. n. Chr. nahe. Eine aus dem Gebäudeinneren stammende Amphore, die im Zuge eines zumindest partiellen Gebäudebrandes zerstört wurde, stammt aus dem Ende des 3. Jh. bzw. beginnenden 4. Jh. n. Chr.
Die Untersuchungen des Instituts für Archäologien erfreuten sich im vergangenen Jahr eines großen regionalen Interesses, wie mehr als 500 Besucherinnen an drei Veranstaltungen belegen. Allein am Anfang Mai 2018 durchgeführten „Tag der offenen Grabung“ wurden mehr als 200 Interessierte gezählt.
Abb. 5 und 6: Tag der offenen Grabung
Die wissenschaftlichen Untersuchungen in der römischen Ansiedlung in Mühldorf werden fortgesetzt, wobei das Hauptaugenmerk auf den bis dato noch unbekannten Gebäuden sowie Strukturen liegen, die durch die Ergebnisse der geophysikalischen Prospektionen als Metallverarbeitungsstätte interpretiert werden könnten. Ziel des Projektes ist die Erforschung der ländlichen Siedlungsform im Rahmen typologischer und chronologischer Fragestellungen und auch Einblick in die wirtschaftliche Grundlage (v. a. die Ressourcennutzung) dieser zu erhalten.