Projekte und Forschung

Projektnummer: 01/02
Beginn 1993; Ende offen

Das mittelbronzezeitliche Depot vom Piller, Gem. Fliess, Bez. Landeck, Nordtirol


Piller, Depotansicht
Das Depot vom Piller in Fundlage. - Foto: S. Nicolussi Castellan

Nur ca. 2 km vom Brandopferplatz am Piller Sattel entfernt wurde am 5. Mai 2001 durch den Hobbyarchäologen Franz Neururer in einer Felsspalte am Moosbruckschrofen am Piller (Gem. Fliess, Bez. Landeck) ein Depot von über 350 Bronzen entdeckt. Dank der wissenschaftlich geschulten Disziplin des Finders konnte der Fund in den folgenden drei Tagen durch das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Innsbruck gemeinsam mit dem  Landesbodendenkmalpfleger, Johannes Pöll, mit technischer und personeller Unterstützung des Vereins ArchaeoTirol sachgerecht geborgen werden (Tomedi, Nicolussi Castellan & Pöll 2001).

Ein mit Bronzen dicht an dicht gefülltes grobes keramisches Gefäß hatte man zudem seitlich unter einer Felsspalte wenige Meter oberhalb des Talbodens hinterlegt. Zahlreiche Fundstücke tragen keine oder nur geringfügige Patinierung, Gehängeschmuck trägt noch Reste der Lederriemen, eine Lanzenspitze noch Stücke des hölzernen Schaftes, ein Langdolch noch Reste der beinernen Griffschalen. Somit stellt sich auch die Frage nach der vormaligen Verwahrung.

Mit seinen zahlreichen Objektgruppen – Trachtschmuck, Waffen, Gerät, Rohmaterial – bildet das Depot vom Moosbruckschrofen am Piller den größten und zugleich vielfältigsten Fund dieser Epoche in Mitteleuropa. Die ältesten Stücke stammen noch aus Bz B, die jüngsten hingegen datieren nach Bz C 2 (Egg & Tomedi 2002), somit aus einem Zeitraum zwischen ca. 1550 und 1300 v. Chr. Das Spektrum erlaubt damit einen vorzüglichen Einblick in die materielle Kultur der gesamten mittleren Bronzezeit.


Ziel der Untersuchungen ist die dialektische Hermeneutik zum Zustandekommen dieses Konvolutes. Es stellen sich die Fragen

  • nach der werktechnischen Herkunft der Fundstücke
  • nach der kulturhistorischen und sozialen Konnotation der Fundstücke
  • nach der Einbettung in die lokale und kleinregionale Siedlungskammer
  • nach den geografischen und naturräumlichen Aspekten der Fundstelle
  • nach dem kulturhistorischen Hintergrund der Deponierung

Sämtliche Projektteile verstehen sich als Vorbereitung zu einer kompletten und umfassenden Edition des Depotfundes. Zuerst ist ein daher ein umfassender Katalog der Funde zu erstellen. Dieser Katalog hat folgendes zu enthalten:

  • Eine umfassende Beschreibung der einzelnen Fundobjekte, die sowohl typologische Merkmale, die Art der Fragmentierung wie auch der Patinierung zu berücksichtigen hat.
  • Eine präzise zeichnerischer und fotografischer Dokumentation (Arbeitsunterlagen sowie Tafelteil in passendem Layout).
  • Die Ergebnisse der Metallanalysen.
  • Eine grafische Darstellung der inneren Stratigrafie des Depots (Harris-Matrix).

Folgende Wissenschafter beteiligen sich an den Forschungen:

Äxte und Beile Priv.-Doz. Dr. Rüdiger Krause, Berlin/Stuttgart
Sicheln Christoph Jahn M. A., Berlin
Anhängerschmuck Dr. Ulrike Wels-Weihrauch, Frankfurt
Dolche Prof. Dr. Raffaele Carlo De Marinis, Mailand
Lanzenspitzen Dr. Stephan Möslein, Straubing
Gürtelteile Dr. Wolfgang David, München
Schwerter Dr. Siegfried Nicolussi Castellan, Innsbruck
Flügelnadeln Univ.-Prof. Dr. Konrad Spindler, Innsbruck
„Haubenbesatz" Dr. Michael M. Rind, Kelheim
Gewichtssysteme n.n.
Zerstörungsmuster Dr. Siegfried Nicolussi Castellan, Innsbruck
Technologische Aspekte Prof. Dr. Ernst Pernicka (Projektmitarbeiter), Freiberg/Sachsen; Priv.-Doz. Dr. Rüdiger Krause, Berlin/Stuttgart
Topografisches Umfeld Mag. Johannes Pöll, Innsbruck
Natur- und Kulturraum Univ.-Prof. Dr. Klaus Oeggl (Projektmitarbeiter), Innsbruck
Regionale Fundtopografie Dr. Jürg Rageth, Haldenstein (für Graubünden), Mag. Dr. Hubert Steiner, Innsbruck (für den Vinschgau), Helga Marchhart/Univ.-Prof. Dr. Gerhard Tomedi, Innsbruck (für das Oberinntal); Priv.-Doz. Dr. Rüdiger Krause (für Vorarlberg und angrenzendes nördl. Alpenvorland)

 

Kammhelm
Unten: Das Original der halben Schale des Kammhelmes. - Oben: Der in den Restaurierungslabors des RGZM thermoplastisch rekonstruierte Helm. Foto: R. Lachberger.

Publikationen:

  • M. Egg / G. Tomedi, Ein Bronzehelm aus dem mittelbronzezeitlichen Depotfund vom Piller, Gemeinde Fließ, in Nordtirol. Arch. Korrbl. 32, 2002, 543-560.
  • H. Marchhart, Archäologische Topographie des Bezirkes Landeck, Nordtirol. Maschinschr. Diplomarbeit (Innsbruck 2004).
  • S. Nicolussi Castellan, Auf Biegen und Brechen − 2. Teil. In: ArchaeoTirol Kleine Schriften 4 (Wattens 2002) 47-52.
  • D. Nowak, Restaurierung und Rückformung des Bronzehelmes aus dem Depotfund vom Piller, Gem. Fließ (Tirol). In: Archaeo Tirol Kleine Schriften 4 (Wattens 2002) 61-76.
  • G. Tomedi, Gedanken zur Interpretation des Schatzfundes vom Piller. In: ArchaeoTirol Kleine Schriften 3 (Wattens 2001) 76-90.
  • G. Tomedi, Hinweise zu einem lokalen Bronzehandwerk aus dem Depotfund vom Moosbruckschrofen am Piller. In: ArchaeoTirol Kleine Schriften 4 (Wattens 2002) 77-82.
  • G. Tomedi/S. Nicolussi Castellan/J. Pöll, Der Schatzfund vom Moosbruckschrofen in Piller, Gem. Fließ im Oberinntal. In: ArchaeoTirol Kleine Schriften 3 (Wattens 2001) 62-75.
  • G. Tomedi, Der bronzezeitliche Schatzfund vom Piller. Schriften Museum Fliess 1 (Fliess 2004).
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